DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-07-2021 09:01
SXEU31 DWAV 040800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 04.07.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Anfangs HFz (Hoch Fennoskandien zyklonal), allmählich in TrW (Trog
Westeuropa) übergehend.

Heute mit Ausnahme des Nordostens Gewitter, WU am ehesten durch Starkregen,
teils bis in die erste Nachthälfte. Am Montag eher Zwischenhocheinfluss mit
kleinen Störfeuern (Norden/Osten). Am Dienstag Übergreifen einer Kaltfront mit
Regen und (Schwer)Gewittern, aber auch noch vielen Fragezeichen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Sonntag... zeigt die Potenzialverteilung über dem mittleren Nordatlantik eine
gut ausgeprägte Frontalzone, die sich im Laufe des Tages - wenn auch in
abgeschwächter Form - via Frankreich bis nach Italien ausweitet. Am rechten
Ausgang der Frontalzone findet man fast obligatorisch einen stark negativ
geneigten Trog, dessen Achse heute Mittag von UK/Irland bis zu den Alpen
gerichtet ist. Entsprechend verbringt Deutschland den heutigen Tag auf der
diffluenten Vorderseite unter einer sich stark aufsteilenden südlichen
Höhenströmung, mit der wiederholt kurzwellige Troganteile nord-nordostwärts
gesteuert werden. Ein erster Anteil korreliert mit der Okklusion des Tiefs YAP
westlich von Irland, die Deutschland bereits erreicht hat und nun mangels
ausreichender Schubkomponente nur schleppend nordostwärts vorankommt.

Auf alle Fälle führt die Okklusion wolkenreiche und leidlich labil geschichtete,
vor allem aber feuchtere Meeresluft von der Biskaya zu uns, in der die Taupunkte
z.T. auf 17/18°C steigen, während sie im präfrontalen Nordosten häufig unter
15°C liegen. Auch PPW (auf über 30 mm) und spez. Grundschichtfeuchte (auf 10 bis
12 g/kg) steigen im Süden und Westen an, so dass trotz verminderter Einstrahlung
und nicht überbordend ausgeprägter Labilität nahezu ungedeckeltes ML-CAPE von
gebietsweise 500 bis 750 J/kg, lokal sogar noch etwas mehr generiert werden
soll. Und so verwundert es nicht, dass es mit Hilfe eines weiteren kleinen, im
Potenzialfeld kaum erkennbaren Sekundärtroges (der das morgendliche "Gekruschel"
über Ostfrankreich verursacht) sowie der Orografie schon im Laufe des Vormittags
zu den ersten Gewittern kommt. Betroffen sind zunächst vor allem die zentralen
und westlichen, später auch die südwestlichen Mittelgebirge sowie
Nordwestdeutschland, wo im Tagesverlauf eine schmale Tiefdruckrinne mit
konfluenter Windstruktur (es handelt sich nicht um die Konvergenz der
Nachtanalyse) unterstützend dazukommt.

Da nur wenig bis keine Scherung vorhanden ist, dürften die die Gewitter
überwiegend als pulsierende Einzelzellen auftreten, die später dann auch mal zu
Multizellensystemen zusammenwachsen. Begleitet wird die Konvektion vornehmlich
von Starkregen, wobei lokale Unwetter (25 bis 40 l/qm innert kurzer Zeit) nicht
zuletzt wegen pomadiger Verlagerungsgeschwindigkeit wahrscheinlich sind. Auf der
anderen Seite verfügen die Zellen aber über so viel Mobilität, dass extremer
Starkregen nicht sehr wahrscheinlich ist, auch wenn ICON-D2-EPS mit
Wahrscheinlichkeiten bis zu 40% operiert. Hagel und Wind/Sturm können zwar
ebenfalls mit am Start sein, dürften aber gegenüber dem Starkregen in den
Hintergrund treten (meist kleinkörnig und Böen nicht mehr als 7-8 Bft). Im Laufe
des Nachmittags und Abends muss dann auch vermehrt aus den Alpen und der Schweiz
heraus mit Gewittern gerechnet werden. Zwar halten sich Labilität und CAPE in
Grenzen, dafür ist etwas Scherung gegeben, vornehmlich LLS (rund 10 m/s).
Entsprechend muss in diesen Zellen neben dem fast nie fehlenden Starkregen auch
mit etwas größerem Hagel (um 2 cm) und vielleicht auch mit einer Sturmböe 9 Bft
gerechnet werden.

Wenig Rechnung ist im Osten und Nordosten vonnöten, wo es zwar ordentlich
einstrahlt, die Warmluft (T850 10 bis 13°C) aber zu trocken bleibt, um
konvektives Geschehen in Gang zu bringen. Mit 24 bis 29°C wird es zwischen SH
und Sachsen sowie im Osten und Norden Bayerns auch am wärmsten (außer direkt an
der See), während sonst 19 bis 25°C auf der Karte stehen.

In der Nacht zum Montag verlagert sich die Achse des o.e. Haupttroges peu a peu
nordostwärts, wobei sie die schmale Bodenrinne vor sich herschiebt. Während die
Trogachse in 300 hPa am Morgen etwa von Ostfriesland bis zum Vogtland reicht,
passiert die Rinne die Elbe. Dahinter steigt der Luftdruck leicht an, was die
zunächst allerdings nur flache Aufwölbung eines Zwischenhochs bewirkt. Auch
wettertechnisch sieht es alles andere als antizyklonal aus. So kommt es vom
Nordwesten bis in den zentralen Mittelgebirgsraum anfangs noch zu einigen
knackigen Gewittern mit lokaler Unwettergefahr durch Starkregen. Im weiteren
Verlauf der Nacht nimmt dann die Gewitterneigung immer weiter ab und es bleibt
ungewittriger Regen übrig, der unter Abschwächung (lediglich GFS simuliert den
Regen noch recht intensiv) langsam nordostwärts vorankommt.

Unangenehm könnte es auch mal wieder im Süden werden, wenn sich die abendlichen
Gewitter mit Hilfe des Höhentroges immer mehr zu einem größeren System
verclustern, das dann über Bayern und evtl. auch noch die östliche Mitte
ostwärts zieht. Dabei rückt dann der Starkregen (auch mehrstündig und teils im
Unwetterbereich >35 l/qm innert 6 h) vermehrt in den Fokus, zunehmend auch
ungewittrig, wohingegen Hagel und Sturm nach anfänglich noch auftretenden
Akzenten auf dem absteigenden Aste sind.

Während es im Nordosten z.T. nicht unter 17/18°C abkühlt, geht die Temperatur
sonst auf 16 bis 11°C zurück.

Montag... schwenkt der Trog über den Nordosten hinweg nordostwärts. Gleichzeitig
etabliert sich über dem nahen Atlantik ein neuer LW-Trog, der zudem ein kleines
aber properes Sommersturmtief (ZYPRIAN) aus der Taufe hebt, welches zur
Mittagszeit über der Nordwestecke der Biskaya positioniert ist (Kerndruck unter
995 hPa). Deutschland gelangt quasi zwischen die Stühle unter eine sich leicht
antizyklonal aufwölbende west-südwestliche Höhenströmung, die mit einer kleinen
Bodenhochparzelle (BEATE) über den Alpen (wenig über 1015 hPa) einen Hauch von
Zwischenhocheinfluss versprüht. Hinzu kommt, dass auch die einfließende
Atlantikluft insbesondere im Westen und Süden deutlich stabiler aufgestellt ist
als heute, so dass in diesen Regionen in Sachen Schauer oder Gewitter nicht mehr
viel geht. Heiter oder gar sonnig wird es trotzdem noch lange nicht, da zum
einen die Luftmasse relativ feucht ist, zum anderen alsbald wolkenfördernde WLA
von Westen her übergreift. Die besten Chancen auf einige sonnige Abschnitte
sollten im südöstlichen Bayern gegeben sein.

Ansonsten muss konstatiert werden, dass die feuchteste Luftmasse über den Osten
und Nordosten hinweg langsam aus Deutschland herausgedrückt wird, was aber eine
gewisse Zeit dauert. Und so verwundert es auch nicht, dass sich unmittelbar vor
der Höhentrogachse nicht nur ein Band mit schauerartig verstärkten Regenfällen
bildet, das langsam ostwärts vorankommt, sondern auch das eine oder andere
Gewitter simuliert wird. Auch unter dem Trog selbst sind von Norddeutschland bis
zur nördlichen Mitte hinunter einige Überentwicklungen möglich, die ebenso wie
ihre Vorläufer an der Trogachse im Wesentlichen markanten Ansprüchen genügen
dürften. Zwar sind wenige lokale Unwetter durch Starkregen nicht kategorisch
ausgeschlossen, allerdings geht der von Südwesten zunehmend stabileren Luftmasse
doch Einiges an Power ab, um größeren Schaden anzurichten.

Die maritime Luftmasse lässt Tageshöchstwerte von 20 bis 25°C, lediglich im
strahlungstechnisch leicht bevorzugten Südosten könnte es hier und da für 26°C
reichen.

In der Nacht zum Dienstag gelangt Deutschland zunehmend auf die Vorderseite des
leicht progressiven Höhentrogs. Die südwestliche Höhenströmung ist über weite
Strecken aber noch antizyklonal konturiert, so dass etwaige Hebungsprozesse von
WLA geriggert werden, die aber nicht übermäßig stark ausfällt. Die Hauptmusik
spielt zumindest noch in der Nacht weiter westlich, was neben der Nähe zum Trog
auch noch andere Gründe hat. So gilt es vor allem den weiteren Lebenslauf des
Kollegen ZYPRIAN zu beobachten, der via Landsend Südengland ansteuert und dabei
möglicherweise (noch gibt es ein paar Fragezeichen) die 990-hPa-Marke
unterschreitet. Fakt ist, dass das Tief über eine veritable Kaltfront verfügt,
die den Vorhersageraum von Frankreich her aber noch nicht erreicht. Anders die
Warmfront, die über den Nordwesten zur Nordsee zieht und dabei etwas Regen
abwirft. Auch im äußersten Westen könne es in den frühen Morgenstunden die
ersten Tropfen geben, während es im großen Rest des Landes nicht nur trocken,
sondern vielerorts auch geringe bewölkt oder klar bleibt.

Bei Tiefstwerten, die meist zwischen 18 und 12°C liegen, dreht der Wind zurück
auf Südost bis Süd. Über der Deutschen Bucht frischt er etwas auf, ohne aber
Angst und Schrecken zu versprühen, mehr als Stärke 7 Bft ist nicht drin. Und
auch auf den Höhen einiger Mittelgebirge wird es allmählich zugiger, wobei der
einmal mehr der Brocken mit bis zu 8 Bft ganz weit oben im Ranking zu finden
ist.

Dienstag... könnte es wieder interessant werden, wenn nämlich der Trog, dessen
Drehzentrum bis zum Abend von UK zur westlichen Nordsee zieht, dichter an
Deutschland heranrückt. Die südwestliche Höhenströmung wird zyklonaler und somit
hebungsintensiver, auch durch kurzwellige Troganteile, die immer wieder
durchgeschleust werden. Derweil überquert das Tief ZYPRIAN England in Richtung
Dogger, wobei es vom fußballgeschwängerten Selbstbewusstsein des Albions derart
beeindruckt zu sein scheint, dass es sich beginnt aufzufüllen.

Bei uns werden derweil die Voraussetzungen für die nächste mögliche
Schwergewitterlage geschaffen: Höhenströmung, präfrontales Einströmen sehr
warmer bis heißer und potenziell instabiler Luftmassen mediterranen Ursprungs
insbesondere in den Süden und Osten des Landes (T850 15 bis 18°C, im Südosten
Bayerns mit föhniger Unterstützung sogar um 20°C), Übergreifen der nach Süden
zurückhängenden Kaltfront nebst Bildung eines klassischen "Gewittersacks" mit
vorgelagerter Konvergenz - Schwergewitterfreund, was willst du noch mehr? Nun,
vielleicht etwas Scherung. Kannst du haben, steigt gegenüber den Vortagen
exorbitant an auf z.T. über 30 m/s DLS und bis zu 15 m/s LLS - wow!

Und trotzdem, schaut man sich die numerischen Prognosen für den Dienstag an,
bleibt einem eine gewisse Defensive hinsichtlich konvektiver Aktivitäten nicht
verborgen. Einer der Gründe könnte darin liegen, dass es - zumindest aus
heutiger Sicht - nicht so gut klappt mit der Überlappung der notwenigen Zutaten.
So hinken z.B. das Maximum der Feuchte (Grundschicht + PPW) und auch die
höchsten Scherwerte der Labilität hinterher, was auch die verhältnismäßig
limitierten CAPE-Werte von selten über 500 J/kg erklärt. Außerdem befindet sich
der Vorhersageraum zwar unter einer zyklonalen Höhenströmung, tendenziell aber
auch im rechten Ausgangsbereich eines über Benelux verlaufenden Jetstreaks, was
hebungstechnisch ebenso kontraproduktiv ist wie der leichte Föhn, der sich in
den Alpen einstellt.

Lange Rede, kurzer Sinn, HSLC (High Shear, Low CAPE) wird schon was auf die
Beine stellen, auch wenn die Details noch sehr im Nebulösen wabern. Möglich ist
vielleicht ein Szenario, wonach es an der schleifenden Kaltfront zu stärkeren,
aber vielfach ungewittrigen Regenfällen kommt, während es präfrontal an der
einen oder anderen Stelle ordentlich kracht. Bevor hier der Konjunktiv aber
überstrapaziert wird, belassen wir es bei kontrollierter Vorhersagedefensive und
hoffen auf weitere Erkenntnisse mit den nächsten Modellläufen. Nur noch so viel
für den Augenblick: Im Osten und Südosten, wo bis zum Abend wahrscheinlich nix
passiert, wird es mit 29 bis 33°C am heißesten, während im Westen und Nordwesten
keine 25°C erreicht werden.

In der Nacht zum Mittwoch deutet sich an der weiterhin schleifenden, nur sehr
zögerlich ostwärts vorankommenden Kaltfront die Bildung eines schmalen
Starkregenkorridors an, bei dem mehr als 35 l/qm innert 6 h fallen können
(Unwetter). Allerdings hapert es derzeit noch mit der Positionierung, was
angesichts der unsicheren Entwicklung vom Vortag aber auch kein Wunder ist.




Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Wieder einmal gibt es an den Basisfeldern der verschiedenen Modellprognosen
nicht viel auszusetzen. Die Eigenwilligkeit eines jeden Modells drückt sich
hauptsächlich beim Niederschlag und der Konvektion aus, was im Sommer für den
Prognostiker freilich die wichtigsten Parameter sind. Nowcasting ist angesagt
und bezogen auf den Dienstag die Hoffnung, dass die Numerik noch mehr
Schnittstellen schafft.
Auf eine Vorabinformation wurde heute bewusst verzichtet, weil man - nicht
zuletzt auch wegen der o.e. Prognoseunsicherheit - ein großes Areal hätte
schraffieren müssen, in dem dann von der wirklichen Ausdehnung der Gewitter
wenig passiert. Bitte aber nicht missverstehen, die Gewitter, die heute und auch
in der kommenden Nacht noch auftreten, sind keine Schlappschwänze und können
örtlich heftig werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann