DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
16-09-2025 10:30
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 16.09.2025 um 10.30 UTC
Hochsommerlicher Herbstabschnitt von Freitag bis Sonntag. Ab Sonntag Umstellung
der Großwetterlage mit Potential für Schwergewitterlagen und Starkniederschläge,
aber noch größeren Unsicherheiten in der neuen Woche.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 23.09.2025
Am Freitag liegen große Teile von Europa unter einem breiten Höhenrücken. Die
Frontalzone samt Jet in 300 hPa sind somit weit nach Norden verschoben.
Korrespondierend herrscht auch am Boden großräumig hoher Luftdruck. Einzig im
Norden zeigen sich zunächst noch dichtere Wolkenfelder, die zu einem WLA-Feld
gehören, das den Rücken am Nordrand überlauft. Von wenigen Tropfen an der Grenze
zu Dänemark abgesehen, sollte es aber trocken bleiben. Die 850 hPa Temperatur
steigt auf Werte zwischen 15 Grad im Norden und 20 Grad im Süden, folglich
erreichen die Maxima bei viel Sonne fast hochsommerliche Werte zwischen 25 und
30 Grad, im Norden bei bleibt es mit den dichten Wolken entsprechend kühler (20
bis 25 Grad).
Am Samstag bleibt der Höhenrücken bestimmend. Seine Hauptachse verlagert sich
aber etwas ostwärts und liegt dann über Osteuropa. Im äußersten Nordwesten spürt
man die Nähe zur Frontalzone, die allmählich näher rückt. Dort gibt es im
Tagesverlauf dichtere Wolken, aber zunächst kaum Regen. Diese rücken erst in der
Nacht auf Sonntag näher. Bei viel Sonne gibt es im großen Rest des Landes einen
hochsommerlichen Septembertag mit 25 bis 32 Grad. Da wir uns nun schon kurz vor
Beginn der dritten Septemberdekade befinden, kann dies durchaus als
beachtenswert angesehen werden.
Am Sonntag schwindet der Einfluss des Höhenrückens langsam. Deutschland gerät
auf die Vorderseite eines sich stark amplifizierenden und positiv geneigten
Höhentroges über Westeuropa. Damit dreht die Strömung auf südwestliche Richtung.
Am Boden wird die Strömung mit einem Tief über der Nordsee auch deutlich
zyklonaler. Der Vorhersageraum verbleibt aber noch im Bereich des Warmsektors.
Während von Nordwesten die Sonnenanteile weniger werden, gibt es von der Mitte
bis in den Südosten noch länger Sonnenschein bei 25 bis 30 Grad. Im Westen und
Nordwesten kommen zudem in einer sehr feuchten Luftmasse (ppw bis 40 mm)
konvektive geprägte Niederschläge auf. In der strammen Südwestströmung könnte es
durchaus eine größere Gewitterlage geben. Derzeit scheint die Strömung aber noch
recht antizyklonal und Niederschläge werden erst rückseitig der labilsten
Luftmasse simuliert.
Am Montag tropft der stark amplifizierte Höhentrog über der Biskaya ab, wo sich
nachfolgend ein eigenständiges Höhentief formiert, das in der Nacht nach
Westfrankreich zieht. Während im Nordwesten schon kühlere Luftmassen angekommen
sind, liegt von der Mitte bis in den Südosten noch die feuchtlabile Sommerluft.
Auf der Vorderseite des Höhentiefs bildet sich am Boden im Laufe des Tages ein
Tief über Südfrankreich, das nachts bis nach Westdeutschland vorankommt. Damit
besteht von der Mitte bis in die Südosthälfte abermals das Potential für eine
Schwergewitterlage.
Am Dienstag verbleibt das Höhentief über Frankreich und bewegt sich zum
Ärmelkanal. Über Deutschland soll sich eine zonal orientierte Tiefdruckrinne
legen, die weiteres Spannungspotential in Sachen Niederschlag und Gewitter
bietet.
In der erweiterten Mittelfrist verbleibt das Höhentief persistent über dem
Ärmelkanal und die Tiefdruckrinne über Deutschland. Die Luftmasse ist dann mit
T850 hPa um 4 Grad, in der zweiten Wochenhälfte, deutlich kühler.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die verschiedenen Läufe des ECMWF Modells sind in gute Übereinstimmung und
zeigen die grundlegende mittelfristige Entwicklung bis in die erweiterte
Mittelfrist hinein ähnlich. Die Unsicherheiten steigen, wenn die kurze
hochsommerlich Herbstperiode dem Ende zugeht und damit vor allem ab der neuen
Woche.
Das abtropfende Höhentief wird in seiner Positionierung und Ausrichtung noch
recht unterschiedlich prognostiziert. Zudem besteht das Höhentief aus mehreren
Teilzentren, deren Interaktion die Unsicherheiten weiter steigert. Klar ist,
dass die feuchtlabilen Hochsommerluft sukzessive ostwärts abgedrängt wird.
Inwiefern das mit Schwergewitterlage(n) einhergeht, ist noch unsicher. Auch ob
sich nachfolgend über mehrere Tage eine zonal orientierte Tiefdruckrinne über
Deutschland legt ist unsicher und wird erst im neusten ECWMF-Lauf so richtig ins
Spiel gebracht (Vorläufe deutlich nördlicher).
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Schaut man sich die verschiedenen Globalmodelle an, so findet man in allen
Vorhersagen die beschriebene Entwicklung der Großwetterlage wieder. Ein paar
Unterschiede ergeben sich aber doch. So zeigt ICON-Modell einen deutlich stärker
amplifizierten Höhenrücken zum Wochenende, sodass die Sommerluft bis nach
Südskandinavien ausgreifen kann und folglich auch der Norden Deutschland in den
"Genuss" dieser Luftmasse gelangt. UK10 und GFS sind da dem ECMWF ähnlich.
Das GFS hatte gestern noch ein deutlich progressiveres Ausräumen der Warmluft
gezeigt. GFS ist zwar immer noch ein wenig progressiver, hat sich dem Rest der
Modellwelt aber deutlich angenähert.
Die Unterschiede die sich beim Umbau der Großwetterlage zu Beginn der neuen
Woche innerhalb des ECMWF Modells ergeben, finden sich auch modellübergreifend
wieder. Das ICON zeigt beispielsweise ein weit nach Süden abtropfendes
Höhentief. Damit kann sich ein Hoch bei Schottland am Montag bis nach
Deutschland ausweiten. Bei GFS tropft das Höhentief gar nicht richtig ab, sodass
der Höhentrog mit Teilzentren ab Dienstag auf Deutschland übergreifen würde.
Nachfolgend könnten uns zum Donnerstag rückseitig eines Höhentiefs bei Dänemark
kalte Luftmassen aus Norden erreichen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Rauchfahnen des ECWMF demonstrieren Einigkeit bis einschließlich Samstag.
Zum Sonntag nimmt der Spread sowohl bei Geopotential, als auch bei der
Temperatur zu und wird zum Montag dann richtig groß. Der Hauptlauf bewegt sich
dabei am Oberrand der Lösungen, während der Median, also die Mehrzahlt der Läufe
eher am Unterrand zu finden sind. Gerade beim Geopotential gibt es mehrere
Bereiche wo sich die verschiedenen Member bündeln. Im Westen und Südwesten
ergibt sich sogar eine Bifurkation, also eine Bündelung der Member im höheren
und im niedrigeren Geopotentialbereich.
Betrachtet man das Clustering so gibt es für den Zeitraum +120 h (So 00 UTC) bis
+168 h (Di 00) fünf verschiedene Lösungen, die die Unsicherheiten zur neuen
Woche wiedergeben. Dort spiegeln sich auch die im Modellvergleich bereits
beschriebenen Lösungsmöglichkeiten wieder. Das betrifft die unterschiedliche
Positionierung des abtropfenden Höhentiefs. Auch findet man die Variante des GFS
mit dem nicht ganz abtropfenden Höhentrog, der auf Deutschland übergreift. Auch
ein neuer blockierender Höhenrücken von Mitteleuropa bis nach Island darf im
Portfolio natürlich nicht fehlen.
Im Zeitraum +192 h (Mi00) bis +240 h (Fr 00) gibt es weiterhin fünf Cluster. Die
Lösungsmöglichkeiten sind teils komplett unterschiedlich, weswegen eine
tiefergehende Diskussion dieser, wenig Sinn ergibt.
Das Ensemble des GFS scheint etwas geeinter, was die Umstellung der
Großwetterlage ab Sonntag betrifft. Dennoch finden sich auch dort einige
Lösungen, die den Temperaturabsturz weniger rasch zeigen und gerade beim
Geopotential ist die Streubreite ähnlich groß, wie beim ECMWF.
FAZIT: Der Hochsommer gibt mit Spitzenwerten teils über 30 Grad von Freitag bis
Sonntag nochmal ein letztes Gastspiel, das die Rekorde der dritten Dekade in
Gefahr bringt. Ab Sonntag wird mit einer starken Amplifizierung des Höhentroges
über Westeuropa die Umstellung der Großwetterlage von Westen her eingeläutet.
Der Trog kann nach der Mehrheit der Lösungen über Westeuropa als eigenständiges
kräftiges Höhentief abtropfen und sorgt je nach Positionierung für reichlich
Spannungspotential. Am Sonntag springt zunächst in der Nordwesthälfte, am Montag
in ganz Deutschland der EFI CAPE-Shear stark an und bietet das Potential für
mehrere Schwergewittertage. Es bestehen aber noch größere Unsicherheiten. Im
Anschluss könnte sich eine zonal orientierte Tiefdruckrinne über Deutschland
legen. Neben Schwergewittern können dann auch größere Niederschlagsmengen
gebietsweise eine Rolle spielen. Die Unsicherheiten in der neuen Woche sind aber
noch sehr hoch, was nicht zuletzt die fünf Lösungsmöglichkeiten des Clustering
vom ECMWF zeigen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Der Beginn der Mittelfrist hält zunächst keine Warnparameter parat. Man erkennt
aber beim EFI mit hohen Werten sehr klar, dass die heißen Luftmassen im Übergang
von der zweiten zur dritten Septemberdekade durchaus außergewöhnlich sind.
Ab Sonntag springt dann der EFI CAPE-Shear deutlich an, zunächst in der
Nordwesthälfte, später dann auch im Rest des Landes. Entsprechend ist das
Potential für Schwergewitterlagen im Zuge des Ausräumens der Sommerluft bis in
die neue Woche hinein gegeben. Es gibt aber im Detail noch größere
Unsicherheiten, wie auch im Haupttext beschrieben wurde.
Das gilt auch für mögliche kräftigere Niederschläge im Zuge der Entwicklung
einer zonalen Tiefdruckrinne über Deutschland zur Wochenmitte. Leicht Signale
lassen sich Niederschlags EFI finden und die Niederschlagrauchfahnen zeigen
Ausschläge, mehr aber noch nicht.
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Basis für Mittelfristvorhersage
ECMWF-EPS, MOS-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Marcus Beyer