Thema des Tages

20-08-2025 13:20


Wissenschaft kompakt

Akklimatisierung - der Schlüssel beim Höhenbergsteigen


Vor genau 45 Jahren bestieg Reinhold Messner den Mount Everest als
erster Mensch im Alleingang und ohne Sauerstoffgerät. Warum selbst
solchen "Pferdelungen" in diesen Höhen irgendwann die Luft ausgehen
würde, lesen Sie im heutigen Thema des Tages.


Am heutigen Mittwoch ist es genau 45 Jahre her, als Reinhold Messner
auf 8848 m Höhe den Gipfel des Mount Everest erreichte und das im
Alleingang und im reinen Alpinstil. Das gab es bis dahin noch nie!
Alpinstil bedeutet, dass zum Beispiel die Route im Vorfeld nicht
vorbereitet, also präpariert, die komplette Verpflegung und
Ausrüstung selbst getragen und auf Flaschensauerstoff verzichtet
wird. Letzteres heißt also schlicht und ergreifend, man muss mit der
Luft auskommen, die einen umgibt und das ist in dieser Höhe nicht
sonderlich viel.

Denn Luft ist bekanntlich ein Gasgemisch und besteht zu etwa 21 % aus
dem für uns lebenswichtigen Sauerstoff. Auf die Luftmoleküle wirkt -
genauso wie auf uns Menschen - die Schwerkraft. Daher sind in den
bodennahen Luftschichten die meisten Luftmoleküle zu finden. Je
weiter man in die Höhe steigt, desto weniger Moleküle sind in der
Luft vorhanden und dementsprechend geringer ist auch der Luftdruck.
Die prozentuale Zusammensetzung der Luft ist zwar in der Höhe nahezu
unverändert, die Anzahl ihrer Moleküle (und damit auch der
Sauerstoffgehalt) aber geringer.

Der Sauerstoffmangel wirkt sich ab etwa 2500 m (Angaben stets ü. NN.)
spürbar auf den menschlichen Körper aus. In dieser Höhe kann vor
allem bei nicht genügend akklimatisierten Personen bereits die
sogenannte akute Höhenkrankheit auftreten. Diese äußert sich
beispielsweise durch Kopfweh, Übelkeit und/oder Schwindelgefühle.
Oberhalb von etwa 3000 m kann es dann ohne vernünftige
Akklimatisierung schon richtig gefährlich werden. Die
Wahrscheinlichkeit an der Höhenkrankheit zu erkranken steigt rapide
an. Auch die Bildung von Ödemen in Lunge oder Gehirn sind möglich,
was im allerschlimmsten Fall sogar tödlich ausgehen kann. Dabei ist
die körpereigene Fitness übrigens nicht ausschlaggebend. Entscheidend
sind Aufstiegsgeschwindigkeit (je langsamer, desto besser), erreichte
Höhe (v.a. die Übernachtungshöhe) und die eigene Empfindlichkeit.

In diesen Höhen ist es also immens wichtig, seinem Körper die nötige
Zeit zu geben, sich der dünneren Luft anzupassen. Für die
kurzfristige Anpassung beschleunigt der Körper zunächst nur die
Atmung, um dem eigenen Sauerstoffbedarf gerecht zu werden. Erst bei
mehrtägigem Aufenthalt in großen Höhen beginnt er mit der Produktion
roter Blutkörperchen, um mehr Sauerstoff pro Zeit in den Blutbahnen
transportieren zu können.

Oberhalb von etwa 7000 m nützt dann aber selbst die beste
Akklimatisierung nichts mehr, denn ab dieser Höhe kann der Körper den
eigenen Sauerstoffbedarf auf Dauer nicht mehr decken, sodass er
unweigerlich abbaut. Das hätte letztendlich für die meisten Menschen
den sicheren Tod zur Folge, weshalb man in diesem Höhenbereich auch
von der sogenannten Todeszone spricht. Mit letzterer werden manchmal
auch erst Höhenbereiche ab 8000 m bezeichnet. Denn dort gilt ein
Aufenthalt von mehr als 48 Stunden als quasi nicht überlebbar.
Demnach ist es als wahres Wunder anzusehen, als sich im Mai 2012 am
Mount Everest ein italienischer Bergsteiger ganze vier Tage auf rund
8300 m aufhielt, ehe er mit starker Erschöpfung und Erfrierungen von
chinesischen Kletterern gerettet wurde.

Neben dem Sauerstoffmangel lauern natürlich noch andere Gefahren, die
einen erfolgreichen Aufstieg auf den Everest letztlich nicht gerade
sehr wahrscheinlich machen: Steinschläge, Lawinen und natürlich auch
das Wetter. Trotzdem hat der Tourismus am höchsten Berg der Welt in
den vergangenen Jahrzehnten rapide zugenommen. Teilweise stehen die
Expeditionsteilnehmer beim Aufstieg regelrecht im Stau. Davon kann
man natürlich halten, was man will. Reinhold Messner positioniert
sich klar und sagt dazu: "Der Everest ist zu einem Zirkus geworden.
Es geht nur noch darum, zahlende Kunden auf den Gipfel zu bringen,
ohne Rücksicht auf die Umwelt oder die Kultur der Sherpas."

Dipl.-Met. Tobias Reinartz

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Offenbach, den 20.08.2025

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