DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist
06-07-2025 17:01
SXEU31 DWAV 061800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 06.07.2025 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Aprilwetter im Juli - abwechslungsreicher und nur mäßig warmer bis kühler
Wochenstart.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland unmittelbar auf der Vorderseite eines
ausgewachsenen Potenzialtrogs, der sich aus mehreren Teilen zusammensetzt. Das
ist insofern von Bedeutung, als dass der Trog nicht so einfach mir nichts, dir
nichts von A nach B durchschwenkt. Bedingt durch wiederholt in die Rückseite
einlaufende Kurzwellenanteile (Sekundärtröge, kleine Höhentiefs) wirkt der
Haupttrog extrem lahmarschig, sprich, seine Progression geht sehr langsam, quasi
in Schüben vonstatten, so dass wir einige Tage was davon haben werden. Am Boden
arbeitet der Trog mit FRIEDEMANN zusammen, von Beruf Stoiker und diplomiertes
Tiefdruckgebiet mit diversen Kernen von knapp unter 1000 hPa über
Südskandinavien. FRIEDEMANN gilt als bodenständig, weshalb er seine Drehzentren
nur sehr langsam gen Osten verlagert. Am Südrand des Tiefs wird nun in Staffeln
zunächst erwärmte Meeresluft subpolaren Ursprungs (mPs; T850 11 bis 7°C), am
Dienstag dann sogar maritime Polarluft (mP; T850 um 6°C) nach Deutschland
verfrachtet, welche die heute vor allem im Osten und Süden noch wirksame
Subtropikluft (xSp) verdrängt. Die Labilität der Luftmassen ist nicht
überbordend, aber dicke ausreichend, um uns ein paar abwechslungsreiche Tage auf
thermisch überschaubarem Niveau zu kredenzen.
Zur aktuellen Situation, die bestimmt wird von einem vergleichsweise
unaufgeräumten Radarbild, das teils konvektiv geprägte, teils aber auch
stratiforme Niederschläge signalisiert. In einigen Regionen kommt der Regen aus
der feuchten Mitteltroposphäre unten noch gar nicht an, weil er zuvor in der
trockenen Grundschicht verdunstet. Im Fokus des Geschehens stehen zwei Gebiete
an den äußeren Rändern der Nation. Da wäre zum einen der Nordwesten, wo sich an
einer ausgeprägten Windkonvergenz (Südwest vs. Nordwest; im Grunde die
rinnenartige Verlängerung von FRIEDEMANN, in die auch die schwer detektierbare
Kaltfront des Tiefs eingebettet ist) eine relativ schmale Zone mit
schauerartigem Regen und einzelnen Gewittern gebildet hat. Nur vereinzelt
konnten bisher größere Regenmengen bzw. Starkregen registriert werden, hier war
etwas mehr Aktivität erwartet worden. In den nächsten Stunden kommen
Windkonvergenz respektive Kaltfront etwas landeinwärts voran, wobei beide aber
mehr und mehr an Kontur verlieren. Dadurch nimmt auch das Starkregenpotenzial
ab, das via SH zur Ostsee rausgedrückt wird. Allerdings kommt es im Laufe der
Nacht mit Annäherung des Troges von Westen her zu weiteren Schauern und
Gewittern, die aufgrund ihrer langsamen Verlagerungsgeschwindigkeit durchaus in
der Lage sind, lokalen Starkregen zu produzieren (ggf. auch durch
Mehrfachtreffer). Hagel und/oder Sturm hingegen dürften keine große Rolle
spielen
Fokus-Region #2 befindet sich im äußersten Süden (Alpenrand, Teile des
Vorlands), wo aus dem inneralpinen Bereich etwas Labilität abgezwackt werden
konnte. Schon recht früh am Tag bildeten sich Schauer und einzelne Gewitter, die
jetzt (früher Abend) aber nur noch nicht-elektrisch auftreten. Dort wird es in
den nächsten Stunden mit Annäherung der Trogspitze eine Transformation weg von
konvektiven hin zu stratiformen Regenfällen geben, die sich aus der Ostschweiz,
dem Vorarlberg sowie aus Tirol nordostwärts bis zum Bayerischen Wald ausweiten.
Vor allem am Alpenrand sowie im südlichen Vorland sind durchaus 10 bis 15, lokal
um 20 l/m² Regen innert 12 Stunden möglich.
Ansonsten bliebe nur noch zu konstatieren, dass es in weiten Teilen der Mitte
und des Ostens weitgehend oder sogar ganz trocken bleibt. Und dass die
Nachttemperaturen mit 17 bis 10°C zweistellig bleiben.
Montag ... schwenkt der Trog ost-nordostwärts durch, was aber nur die halbe
Wahrheit ist. Wie eingangs schon erwähnt, DER oder DEN Trog gibt es nicht. Es
ist ein Teil, der durchschwenkt, während aber gleichzeitig ein markanter KW-Trog
von UK rüber nach Frankreich zieht. Dadurch wird der Haupttrog quasi
regeneriert, wenn man so will scheinbar retrograd, so dass wir unter einer
vergleichsweise flauen südwestlichen Höhenströmung verbleiben. Erst zum Abend
hin greift dann auch dieser zweite Trogteil auf den Vorhersageraum über.
Komplettiert und verkompliziert wird das Ganze noch durch zwei kleine
Höhentiefs, von denen das erste quasistationär über der nördlichen Nordsee
(Fisher) liegt. Das zweite verlagert sich von den Färöers zur westlichen Nordsee
(Forties), wo es am Nachmittag, spätestens am Abend mit der #1 fusioniert.
Weniger kompliziert, dafür schön wuselig gestaltet sich der morgige
Wetterablauf, der von hoher Wechselhaftigkeit geprägt ist. Die einfließende
subpolare Meeresluft ist feucht (PPW teils um oder sogar über 25 mm) und labil
genug, um mit Unterstützung des Tagesgangs ´ne gescheite Blubberei zu
initiieren, die durchaus was von "Aprilwetter" hat. So werden sich zahlreiche
Schauer und Gewitter entwickeln, anfangs mehrheitlich in der Westhälfte, im
Laufe des Tages dann aber auch auf den Osten übergreifend. Im Prinzip kann es
jeden Ort des Landes treffen, auch wenn am Ende des Tages sehr unterschiedliche
Zahlen in den Bilanzen auftreten werden. Der meiste Regen in der 12-stündigen
Akkumulation dürfte - so die Schnittmenge verschiedener Modelle - in einem von
RP/Saarland + NRW über Hessen bis nach Südniedersachsen/Nordthüringen reichenden
Areal runterkommen. Gebietsweise werden dort 10 bis 25 l/m² angeboten, lokal
auch noch etwas mehr. Nicht nur die Gewitter, auch die Schauer können hier und
da mit Starkregen einhergehen, sei es ein- oder auch mehrstündig (wiederholte
Treffer). Wenn´s ganz blöd läuft, kann mehrstündig sogar mal das WU-Kriterium
von >35 l/m² innert 6 h gerissen werden, weil das gesamte Verlagerungsgeschehen
der konvektiven Umlagerungen ziemlich undynamisch erfolgt. Der Organisationsgrad
der Zellen wiederum ist nicht gut (zu wenig Scherung) und auch vom Höhenwind
kommt nicht allzu viel, so dass Hagel (wenn, dann klein) und Wind (bestenfalls 7
Bft, worst case 8 Bft) nur eine untergeordnete Rolle spielen. Bereits ab Mittag
setzt mit Winddrehung auf Nordwest von der Nordsee her eine Stabilisierung
respektive Abtrocknung ein, die sich bis zum Abend landeinwärts fortsetzt.
Apropos Wind, der muckt aus westlichen Richtungen kommend mitunter böig auf, vor
allem, aber nicht ausschließlich in Verbindung mit Konvektion. Hier und da
reicht es in der Spitze für Böen 7 Bft, trotzdem wäre eine flächige Windwarnung
ähnlich wie heute oversized. Nur für den Süden (schwerpunktmäßig südliches BaWü,
bayerisches Schwaben, südliches Alpenvorland) ist die numerische Signaldichte
ausreichend hoch, dass man morgen früh über die Ausgabe einer kleinen
Windwarnung ernsthaft nachdenken sollte. Offensichtlich sind hier
Leitplankeneffekte verantwortlich für die erhöhte Böenanfälligkeit. Zum Abend
hin sollte man dann auch Richtung Deutsche Bucht etwas genauer hinschauen, wenn
nämlich mit Annäherung eines Bodentroges der Nordwestwind ein wenig die Zügel
anzieht und mit ersten 7er-Böen aufwartet - wenn auch wahrscheinlich zunächst
nur offshore.
Ach ja, fast vergessen, Temperaturen gibt es zum Wochenstart freilich auch.
Genau eine Woche ist es her, dass in der Südwesthälfte verbreitet die 30°C- und
lokal die 35°C-Marke gerissen wurde. Davon sind wir morgen meilenweit entfernt.
17 bis 23°C lautet die Hauptspanne, nach Osten hin bis zu 25°C. Durchatmen heißt
da die Devise, die nächste Hitzewelle kommt bestimmt.
Allerdings nicht in der Nacht zum Dienstag, in der sich das dipolartige
Höhentief von der Nordsee den Niederlanden sowie der deutschen
Nordseeküstenregion nähert. Außerdem flutscht weiter südlich der o.e. zweite
Troganteil von West nach Ost durch, nicht aber ohne knapp südlich des
Alpenhauptkamms abzutropfen. Wie gesagt, warum einfach, wenn´s auch kompliziert
geht.
Wettertechnisch läuft der Hase in etwa so, dass es ganz im Süden durch das
Abtropfen, aber auch durch zunehmenden Stau zu nicht unerklecklichen,
insbesondere anfangs noch mit Gewittern durchsetzen Regenfällen kommt. Am
Alpenrand sowie im südlichen Vorland können dabei durchaus 10 bis 25, punktuell
vielleicht sogar um 30 l/m² innert 12 Stunden in die Töpfe gespült werden.
Ansonsten bildet sich die unmittelbare Vorderseite des durchschwenkenden Troges
(besser des Trogresiduums) in Form einer durchbrochenen Schauerlinie mit
eingelagerten Gewittern ab, die von West nach Ost durchzieht. Später rücken dann
von den Niederlanden und der Deutschen Bucht neue Schauer nach. An und auf der
Nordsee frischt der Nordwestwind immer mal wieder stark böig auf mit Spitzen der
Stärke 7 Bft. Die Temperatur geht auf 14 bis 8°C zurück.
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Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC
Dienstag ... zieht das Höhentief zu uns rein, wo es sich Richtung Alpen
verlagert. Der ehemals östliche Teil verliert dabei mehr und mehr an Bedeutung,
es übernimmt der westliche Part. Derweil hat sich das Hauptdrehzentrum von
Monseigneur FRIEDEMANN bis nach Karelien geschleppt, so dass der Wind landesweit
auf West bis Nordwest dreht. Damit kann nun auf direkterem Wege maritime
Polarluft bis zu uns vorstoßen, die das Temperaturniveau auf sportliche 16 bis
22°C drückt (höchste Werte im Nordosten). Gedrückt wird auch die
Schneefallgrenze und zwar nach unten. In und an den Alpen, wo vor allem in der
ersten Tageshälfte noch Dauerniederschlag fällt, sinkt die Schneefallgrenze
vorübergehend auf rund 2000 m ab. Ansonsten entwickeln sich einzelne Schauer und
Gewitter, in weiten Teilen der Mitte sowie des Ostens und Nordostens bleibt es
allerdings weitgehend trocken.
Modellvergleich und -einschätzung
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In Bezug auf die Basisfelder performen die Modelle sehr kongruent und lassen
auch in der Konsistenz keine Wünsche offen. Gleichwohl offenbaren sich beim
Niederschlag und bei der Konvektion die üblichen Unschärfen, deren Impact sich
aber in Grenzen hält.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann