DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-07-2025 17:01
SXEU31 DWAV 021800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 02.07.2025 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Vom Nordwesten bis in die Osthälfte sowie in den mittleren Landesteilen bis in
die Nacht hinein noch kräftige Gewitter, vor allem im Norden anfangs auch
Unwetter aufgrund von Böen Bft 10 bis 12.
Am Donnerstag in der Südhälfte einzelne kräftige Gewitter, nachmittags und
abends etwa ab der Donau südwärts auch Unwetter nicht ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
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Aktuell ... hat sich über dem Vorhersagegebiet zwischen einem umfangreichen
Langwellentrog Nordwest- bzw. Westeuropa und einem kräftigen Höhenrücken, der
sich vom zentralen Mittelmeerraum über Polen bis ins Baltikum bzw. nach
Westrussland erstreckt, eine südwestliche Höhenströmung eingestellt. Diese ist
mit Passage eines markanten Kurzwellentroges, der im Laufe der Nacht über die
Nordsee hinweg Richtung Dänemark/Südskandinavien zieht, vor allem über dem
Norden und der Mitte des Landes vorübergehend deutlich zyklonal konturiert.
Auch, wenn sich der dynamische trogvorderseitige Hebungsantrieb (PVA) in Grenzen
hält, hat sich im Bodenfeld eine meridional ausgerichtete Tiefdruckrinne
etabliert, die bis Donnerstagfrüh fast das gesamte Vorhersagegebiet
ostsüdostwärts überquert.
Die darin eingebettete Luftmasse ist subtropischen Ursprungs inzwischen
hochreichend labil geschichtet und konnte sich unterhalb des Höhenrückens in den
vergangenen Tagen durch Absinken und nahezu ungehinderter Einstrahlung kräftig
erwärmen. In 850 hPa wurden 20 bis 23 Grad erreicht, wobei die Soundings von 12
UTC eine teilweise bis nahe 600 hPa reichende trockene Mischungsschicht zeigen.
Entsprechend stand heute der bisher heißeste Tag des Jahres ins Haus mit
Höchstwerten bis 39 Grad (wärmster Ort: Andernach mit 39,3 Grad).
Vor allem in der Osthälfte zeichnet sich die Luftmasse noch durch niedrige,
teils einstellige Taupunkte aus. Anders im Westen und Süden: Im Bereich mehrerer
Feuchteflusskonvergenzen kam es zu einer deutlichen Feuchteanreicherung mit
Taupunkten bis nahe 20 Grad und PPWs um 30 mm, im Nordwesten sogar um 35 mm.
Dabei konnten gebietsweise mehr als 1000 J/kg Cape generiert werden.
Die Luftmasse war mittags und am Nachmittag nahezu "ungedeckelt", und bei
zunächst nur schwacher Scherung kam es mit Hilfe der Orografie im Bereich der
westlichen Mittelgebirge (Eifel, Venn), im Schwarzwald und an den Alpen zu
ersten kräftigen Gewittern, die sich vor allem im Westen (NRW) rasch zu einem
Multizellencluster organisierten. Starkregen stand als Begleiterscheinung im
Fokus (im Schwarzwald auch Hagel), bis hin zu Unwetter.
Mit Annäherung des Troges verbesserten sich am späten Nachmittag/frühen Abend
die Scherungsbedingungen im Westen und Nordwesten (0 bis 6 km über 20 m/s, 0 bis
2 km ca. 15 m/s, was mit einer zunehmenden linienförmigen Organisation der
Gewitteraktivität dort einherging. Nun traten mehr und mehr die Böen in den
Fokus (bis hin zu Unwetter), zumal die Soundings auch ausgeprägte inverted
V-Profile aufwiesen mit D-Cape von 500 bis nahe 1000 J/kg. Eine
Einzelentwicklung bei Emden wies im relative Velocity Scan deutliche
Rotationssignaturen auf.

Im Laufe der kommenden Stunden kommen die Gewitter über dem Norden und der Mitte
zusammen mit der Tiefdruckrinne rasch ostsüdostwärts voran, wobei vor allem in
der ersten Nachthälfte durchaus noch mit einzelnen Unwettern zu rechnen ist.
Entsprechende Signale für Böen Bft 10/11 haben etwa bis Mitternacht sowohl I-D2
als auch ICON-RUC auf der Agenda. Mit Stabilisierung der Grundschicht nimmt aber
das Potenzial für derartige Böen langsam ab.
Auch im Vorfeld der "Gewitterlinie", vor allem entlang der aus dem System
herauslaufenden Outflow Boundaries im Zusammenspiel mit der Orographie, kommt es
nachts, am ehesten im Bereich der zentralen und östlichen Mittelgebirge,
eventuell noch zu weiteren Neuentwicklungen, wobei I-D2 diesbezüglich defensiver
aufgestellt ist als die aktuellen ICON-RUC Läufe und auch als das SuperHD. Das
Unwetterpotenzial bleibt dabei aber gering.
Mit Passage der Linie geht eine markante Druckwelle einher, so dass es vor allem
im Norden und in der Mitte auch außerhalb der Gewitter steife, anfangs auch
stürmische Böen aus West bis Nordwest gibt, vereinzelt sogar Sturmböen.
Während der Süden und Südosten - nach Abklingen der Gewitter im Schwarzwald und
im Alpenvorland - von dieser Entwicklung noch außen vor bleiben und die Nacht
später dort ruhig verläuft, folgt der Tiefdruckrinne unmittelbar die nur noch
wenig wetteraktive Kaltfront des mit dem Kurzwellentrog korrespondierenden Tiefs
"ENGIN", das sich morgens in etwa über dem Großraum Stockholm befindet. Diese
erreicht in der Früh in etwa eine Linie Saarland-Mecklenburg und rückseitig
strömt ein Schwall maritimer Polarluft nach Nordwestdeutschland. Die 850
hPa-Temperatur sinkt dort auf 8 bis 4 Grad und die Wolken lockern auf, wobei es
dort kaum mehr Schauer gibt. Allerdings beschert der Gradient den Küsten im
Laufe der zweiten Nachthälfte Böen Bft 7 bis 8 aus Nordwest.
Während es postfrontal auf angenehme 17 bis 13 Grad abkühlt, steht präfrontal im
Süden und Südosten erneut eine unangenehm milde bis warme Nacht ins Haus mit
Tiefstwerten zwischen 22 und 17 Grad.

Donnerstag ... zieht der Kurzwellentrog rasch weiter zur Ostsee bzw. zum
Baltikum. Dahinter stellt sich über dem Vorhersagegebiet eine recht glatte
westsüdwestliche Höhenströmung ein, abends erreicht ein weiterer Trog die
westliche Nordsee.
Das Bodentief zieht bis zum Abend nach Südfinnland, die Kaltfront kommt immer
langsamer südostwärts voran und erreicht abends das Alpenvorland. Ihr folgt
kräftiger Druckanstieg und von Westen her schiebt sich ein Keil des kräftigen
Hochs westsüdwestlich der Britischen Inseln nach Westdeutschland. Somit bleibt
im Nordosten noch bis zum Abend ein recht veritabler Gradient aufrecht, in
Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch steife, entlang
der vorpommerschen Küste auch stürmische Böen aus Nordwest.
Die Wetterwirksamkeit entlang der Kaltfront hält sich in Grenzen, zumal sie von
deutlichem Druckanstieg überlaufen wird. Präfrontal gibt es zunächst nur noch
einzelne Schauer, aber kaum Gewitter, während die Wolken postfrontal rasch
auflockern und es allgemein trocken bleibt. Vor allem in den Regionen von
Südbaden bis zum Bayerischen Wald und südöstlich davon befindet sich noch immer
eine potenziell instabile Luftmasse mit PPWs um 35 mm und mit etwas Einstrahlung
können gebietsweise 500 bis 1500 J/kg ML-Cape generiert werden. Das dynamische
Forcing ist zwar kaum mehr vorhanden, allerdings dürfte es mit Hilfe der
Orographie zur Auslöse reichen. In schwach gescherter Umgebung ist von sich zu
Multizellensystemen organisierenden Einzelzellen zu rechnen, wobei im
Anfangsstadium einer solchen Zelle auch mal größerer Hagel auftreten kann,
ansonsten aber der Starkregen im Fokus steht. Vor allem in Oberschwaben und am
Alpenrand hat ICON-D2 relativ hohe Wahrscheinlichkeiten auch für
Unwetter-Starkregen auf der Agenda.
Postfrontal kommt die kühlere Nordseeluft nur noch langsam südwärts voran und
kann sich unterm Hochkeil auch wieder erwärmen. Die 850 hPa-Temperatur schwankt
zum 18 UTC-Termin zwischen 4 Grad über der Nordsee, 8 Grad in der Mitte und 14
Grad unmittelbar präfrontal im Alpenvorland. Somit kann man gegenüber dem sehr
heißen Vortag von einem regelrechten Temperatursturz reden: Im Norden und in der
Mitte werden noch 20 bis 15 Grad erreicht (an den Küsten kaum 20 Grad), in der
Südhälfte wird es mit 25 bis 30 Grad nochmals sommerlich warm.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der nächste Kurzwellentrog über die Nordsee
nach Norddeutschland. Im Bodenfeld erreicht das okkludierte Frontensystem eines
schwachen, zur Norwegischen See ziehenden Tiefs in den Frühstunden die Deutsche
Bucht, wobei es aber zunächst lediglich im Nordseeumfeld für einzelne Schauer,
eventuell auch mal ein kurzes Gewitter reicht.
Weiter südlich weitet sich dagegen der Bodenhochkeil über die mittleren
Landesteile nach Osten aus und verstärkt sich noch etwas, während die Kaltfront
noch immer am Alpenrand schleift. Dort und im Alpenvorland fällt also auch die
Nacht über hinweg weiterhin gebietsweise schauerartiger Regen, vereinzelt sind
auch Gewitter dabei. Mehrstündiger Starkregen ist dabei durchaus möglich.
Während es auch im Nordwesten bzw. ganz im Norden eher bewölkt bleibt, klart der
Himmel im Westen, im Südwesten sowie über der breiten Mitte vielerorts auf.
Während es südlich der Donau mit Minima über 15 Grad noch recht mild bleibt,
kühlt es sonst auf frische 12 bis 7 Grad ab, lediglich an den Küsten bleibt es
etwas milder.

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Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Freitag ... gelten nach wie vor die Ausführungen in der Frühübersicht. Viel
gibt's nicht zu erzählen: Der Kurzwellentrog schwenkt rasch über Norddeutschland
hinweg ostwärts, die Okklusion ebenfalls, wobei es vor allem an den Küsten und
im angrenzenden Binnenland einzelne Schauer, vielleicht auch mal ein kurzes
Gewitter gibt. An den Küsten frischt der Westwind böig auf, eventuell reicht es
mal für eine Bft 7.
Ansonsten dominiert der Einfluss des nach wie vor über die Mitte des Landes bis
nach Polen reichenden Hochkeils. Meist scheint die Sonne oder es ist nur locker
bewölkt. Lediglich der Alpenrand und das Alpenvorland befinden sich noch im
Einflussbereich der wellenden Kaltfront. Dort ist die Luftmasse weiterhin
potenziell instabil geschichtet und es entwickeln sich mit dem Tagesgang Schauer
und auch Gewitter mit Hagel und Starkregen, wobei das Unwetterpotenzial aber nur
sehr gering ist.
Die Luftmasse kann sich auch im Norden und in der Mitte wiede5r etwas erwärmen,
die Maxima liegen meist zwischen 22 Grad im Norden (Küsten um 20 Grad) und knapp
30 Grad zwischen Main und Donau.


Modellvergleich und -einschätzung
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Der grobe Fahrplan steht. Abgesehen von den üblichen Diskrepanzen, die
Konvektion betreffend, simulieren alle Modelle die Wetterentwicklung bis zum
Freitag sehr ähnlich.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff