Thema des Tages
21-06-2025 13:20
Wetter aktuell
Sonnengruß zum Sommeranfang
Heute ist nicht nur der längste Tag des Jahres, sondern auch
Welt-Yoga-Tag. Passend zum kalendarischen Sommeranfang wird es so
heiß, dass Hot Yoga wohl auch unfreiwillig zum Thema werden kann.
Während in der Meteorologie schon seit drei Wochen von Sommer
gesprochen wird, hat nun auch der kalendarische Sommer begonnen. Und
zwar exakt heute, am 21. Juni 2025 um 04:42 Uhr Mitteleuropäischer
Sommerzeit (MESZ) ? mit der Sommersonnenwende, jenem Moment, an dem
die Sonne senkrecht über dem nördlichen Wendekreis (23° 26?
nördlicher Breite) steht. Für Hatha-Yogis könnte man sagen: Mutter
Erde hat heute früh ihre Wirbelsäule exakt in Tadasana über dem
Wendekreis aufgerichtet ? ruhig, zentriert und im Gleichgewicht
zwischen Licht und Schwerkraft.
In Schweden wird dieser astronomische Höhepunkt traditionell mit
Blumenkränzen, Volkstänzen und jeder Menge Hering gefeiert ? in
Deutschland neigen wir wohl eher zum Genuss von Grillwürstchen bei
den sommerlich heißen Temperaturen heute. Egal wie: Es ist der Moment
im Jahr, an dem unsere nördliche Halbkugel maximal der Sonne
zugewandt ist. Und auch wenn sich der genaue Zeitpunkt der
Sonnenwende in den verschiedenen Zeitzonen unterscheidet ? in Los
Angeles war sie beispielsweise schon am 20. Juni um 19:42 Uhr
Ortszeit ? findet das Ereignis physikalisch betrachtet überall
gleichzeitig statt. Zeitzonen sind menschengemacht, die Sonne kennt
nur das Jetzt. Und das ist sehr yogisch.
Dass sich Yogis besonders frühmorgens auf die Matte begeben, ist kein
Zufall. In der Stille der Dämmerung, wenn die Luft noch kühl ist und
die Welt langsam erwacht, lässt sich die Verbindung zur Natur
besonders intensiv spüren. Doch ausgerechnet zur Sommersonnenwende,
dem längsten Tag des Jahres, ist der Sonnenaufgang nicht am
frühesten. In München beispielsweise ging die Sonne am 15. Juni um
05:12 Uhr auf ? heute, am 21. Juni, war sie erst um 05:13 Uhr über
dem Horizont. Nur wer mit einer sehr präzisen inneren Uhr
praktiziert, bemerkt diese astronomischen Nuancen. Für alle anderen
gilt: Die Sonne ist da, also los ? der Sonnengruß ruft.
Und auch beim Sonnenuntergang wird's paradox: Trotz maximaler
Tageslänge verabschiedet sich die Sonne erst einige Tage nach der
Sonnenwende am spätesten. In Hamburg-Mitte zum Beispiel erreicht der
Sonnenuntergang am 24. Juni 2025 um 21:54:12 Uhr seinen spätesten
Zeitpunkt. Ursache dafür sind zwei himmlische Tatsachen: die Neigung
der Erdachse und die leicht elliptische Umlaufbahn der Erde um die
Sonne. Diese sorgen dafür, dass sich die tägliche Sonnenlaufbahn
nicht exakt gleichmäßig verändert ? ein kosmisches Spiel aus Tempo
und Winkel. Wenn das mal kein Anlass für eine achtsame Gehmeditation
ist. Auf jeden Fall ist der Energiefluss heute enorm, was zumindest
bei den Photovoltaikanlagen ablesbar ist. Der längste Tag
überschneidet sich dieses Jahr mit einem ganztags nahezu wolkenfreien
Himmel.
Übrigens: Wer meint, im Sommer sei die Erde der Sonne besonders nah,
liegt falsch. Tatsächlich ist unser Planet im Juni etwa fünf
Millionen Kilometer weiter von der Sonne entfernt als im
sonnenschwachen Dezember. Die Jahreszeiten verdanken wir nicht der
Distanz, sondern dem Kipp der Erdachse ? einem 23,5°-Neigungswinkel,
der unser Klima rhythmisiert. Ein bisschen wie die Balancehaltung im
Yoga: Nur durch bewusstes Aus-dem-Gleichgewicht-Kommen entsteht
Bewegung und Wachstum.
Wer glaubt, der längste Tag sei auch automatisch der heißeste, irrt
gewaltig. Ähnlich wie beim Yoga, wo die Wirkung mancher Asanas erst
in der Ruhe danach spürbar wird, hinkt die Atmosphäre dem
Sonnenmaximum hinterher. Zwar erhalten wir zur Sommersonnenwende die
meiste Sonnenenergie pro Tag, aber die Lufttemperatur folgt mit
Verzögerung. Warum? Weil die Erde ? insbesondere die Ozeane ? Zeit
brauchen, um sich aufzuheizen. Es wird tagsüber noch eine ganze Weile
mehr Energie aufgenommen als nachts wieder abgestrahlt wird. Deshalb
liegt das Hitze-Maximum oft erst im Juli.
Auch das aktuelle Wetter zeigt sich ganz im yogischen Sinne von
?Tapas?, der Entfachung eines inneren Feuers: Schon heute knackten
viele Orte im Westen Deutschlands die 30-Grad-Marke. Am morgigen
Sonntag erwarten uns landesweit Temperaturen zwischen 30 und 37 Grad
(siehe Thema des Tages 20.06.2025). Da wird selbst der
?herabschauende Hund? zur schweißtreibenden Prüfung ? besonders auf
aufgeheizten Stadtbalkonen oder in der überfüllten Wiese im Park.
?Hot Yoga? wird dann für viele zur unfreiwilligen Variante.
Doch genau hier kommt der wahre Yoga-Geist zum Tragen: Akzeptanz.
Wenn der Asphalt flimmert und der Schweiß neue Wege über den Körper
findet, hilft kein Widerstand. Nur Hingabe. Ob im ?Fisch?, im ?Kamel?
oder schlicht in der Bauchlage ? wer atmen kann, kann praktizieren.
Auch wenn?s klebt.
Also: Namasté. Mögen eure Asanas stabil stehen, eure Sonnencreme
halten ? und euer Herz offenbleiben, egal wie hoch das Thermometer
klettert.
MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.06.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst