DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

05-06-2020 17:01
SXEU31 DWAV 051800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 05.06.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Wechselhaft und kühl mit Schauern und Gewittern, teils markant mit kleinem Hagel
und Böen Bft 8 bis 9. Im Schwarzwald gebietsweise Dauerregen. Windig, auf den
Berggipfeln kommende Nacht und am Samstag Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... sorgt ein umfangreiches Höhentief über der mittleren Nordsee für
reichlich Abwechslung, das Wettergeschehen im Vorhersagegebiet betreffend. So
viel sei vorweggenommen: Das Höhentief wird uns auch über den gesamten
Kurzfristzeitraum hinweg beschäftigen, dabei kann von stabilem Sommerwetter
selbsterklärend keine Rede sein.
Am späten Nachmittag bzw. am frühen Abend hat ein vom Höhentief südostwärts
gerichteter kurzwelliger Randtrog auf den Nordwesten Deutschlands übergegriffen
und kommt im Laufe der Nacht rasch nordostwärts voran. Bereits Samstagfrüh
erreicht er Dänemark bzw. die südwestliche Ostsee, wobei sich dort ein
eigenständiges Drehzentrum etabliert und das Höhentief so zum Dipol wird, mit
dem westlichen Drehzentrum vor der südschottischen Nordseeküste.
Entwicklungstechnisch günstig auf der Trogvorderseite und zudem noch am linken
Ausgang eines Jets (in 300 hPa) gelegen, konnte sich ein Komma-Bodentief heute
Nachmittag vertiefen, erreicht aktuell die Deutsche Bucht und kommt bis morgen
Früh ohne großartige Intensitätsänderung bis nach Jütland voran. Dessen
teilokkludierte Kaltfront überquert bereits im Laufe der ersten nachthälfte den
Norden und die Mitte Deutschlands rasch ostsüdostwärts, gerät aber über
Süddeutschland ins Schleifen. Vor allem in den Abendstunden kann es mit
Frontdurchgang in den westlichen und mittleren Landesteilen noch kräftige
Schauer und Gewitter geben; hochreichende und Low Level Scherung sind markant
ausgeprägt, so dass durchaus organisierte Strukturen auftreten können. Als
markante Begleiterscheinung der teilweise in Form bogenförmiger Strukturen
auftretenden Schauer und Gewitter kommt somit in erster Linie der Wind in Frage;
Böen zwischen 70 und 90 km/h können somit zumindest noch in den Abendstunden
nicht ausgeschlossen werden. ML-Cape konnte mangels Einstrahlung nicht viel
generiert werden, was maximal kleinkörnigen Hagel zulässt und auch Starkregen
spielt bei PPW-Werten zwischen 15 und 20 mm sowie hoher Zuggeschwindigkeit eher
keine Rolle.
Die Überlappung Dynamik/Front/Scherung passt am besten noch in den Abendstunden,
danach aber zunehmend schlechter, so dass die rasch nach Osten ziehenden Schauer
und Gewitter bereits im Laufe der ersten nachthälfte an Intensität verlieren.
Postfrontal setzt rasche Wetterberuhigung ein und die Wolken lockern im Norden
und in der Mitte auf. Schauer gibt es dann am ehesten noch im Küstenumfeld. Erst
mit Annäherung eines weiteren kurzwelligen Randtroges, der morgens BeNeLux
erreicht, lebt die Schauertätigkeit im Westen wieder etwas auf.
In der Südhälfte tut sich wettertechnisch zunächst nur wenig. Mit der in den
Frühstunden in etwa die Donau erreichenden Kaltfront setzen von Frankreich her
Regenfälle ein, die sich über Baden-Württemberg nach Franken ausweiten. Im
Schwarzwald fallen in Staulagen bis Samstagfrüh stellenweise bereits mehr als 20
mm. Dort dauern die Niederschläge auch bis in die Folgenacht an, so dass
gebietsweise warnrelevante Mengen (30 bis 45 mm in 24 Stunden) zusammenkommen.
Anzusprechen bleibt noch der Wind: Der nimmt postfrontal vor allem in den
Niederungen rasch ab. An den Küsten bleibt es windig mit Böen Bft 7 bis 8 aus
Südwest, in den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und vielleicht auch auf
exponierten Alpengipfeln gibt es stürmische Böen bzw. Sturmböen (Bft 8 bis 9).
Vor allem in den westlichen und zentralen Mittelgebirgen fällt die Nacht bei
teils gering bewölktem Himmel, in einigen Tälern einschlafendem Wind und im
Einflussbereich der maritimen Polarluft (T850 hPa um 0 Grad) mit Tiefstwerten um
3 bis 5 Grad sehr frisch aus, während es im Südosten präfrontal mit 10 bis 13
Grad noch verhältnismäßig mild bleibt.

Samstag ... hat sich an der Südflanke des Höhentief-Dipols eine kräftige, aber
glatte westsüdwestliche Höhenströmung vor allem über dem Süden und der Mitte des
Vorhersagegebietes eingestellt. Der östliche Dipol verlagert sich allmählich zur
mittleren Ostsee während der westliche zur südwestlichen Nordsee vorankommt.
Somit steilt die Höhenströmung etwas auf. Die schleifende Kaltfront kommt
entsprechend über Süddeutschland zunächst nicht weiter nach Südosten voran und
verwellt, wobei sich der Regen auf der "kalten" Seite (die Front weist
Anafrontcharakter auf) vorübergehend bis knapp nördlich des Mains sowie bis zum
Erzgebirge ausweitet. Mangels dynamischen Hebungsantriebs innerhalb der glatten
südwestlichen Höhenströmung fallen die Niederschläge allerdings nur leicht aus.
Lediglich in den Staulagen des Schwarzwaldes regnet es weiterhin gebietsweise
länger anhaltend (15 bis nahe 25 mm/12 h nach ICON-EU).
Präfrontal werden in den Südosten Bayerns vorübergehend nochmals wärmere
Luftmassen eingesteuert (T850 hPa 8 bis 11 Grad am Nachmittag). Mit etwas
Einstrahlung könnte die Luftmasse dort labilisiert werden, wobei allerdings
modellseitig lediglich direkt an den Alpen auch etwas Cape (bis 500 J/kg)
generiert werden kann. Bei noch recht hohen PPW-Werten (um, teils über 25 mm)
und mäßiger Scherung sind dort kräftigere konvektive Entwicklungen mit Hagel,
Starkregen und Sturmböen denkbar (Unwetter nicht ausgeschlossen), SuperHD hat
diese auch direkt am Bayerischen Alpenrand bzw. im angrenzenden Vorland auch auf
der Agenda.
Ein weiter, bereits weiter oben angesprochener kurzwelliger Randtrog über
BeNeLux greift im Vormittagsverlauf auf den Westen Deutschlands über und kommt
unter Konturverlust rasch nordostwärts voran. Mit ihm lebt die Schauertätigkeit
in der Mitte und im Norden am Vormittag vorübergehend auf. Bei etwa 100 bis 200
J/kg Cape und innerhalb der (anfangs bis 500 hPa) labil geschichteten, aber
trockenen Polarluft niedrigen PPW-Werten (10 bis 15 mm) fallen die Schauer wohl
meist nur unergiebig aus, vereinzelt können aber dennoch kurze Gewitter mit
Graupel dabei sein. Bei markanter hochreichender Scherung und mäßig starken
Höhenwinden (30 bis 40 kn in 850 hPa) muss auch mit einzelnen stürmischen Böen
gerechnet werden, Sturmböen in kräftigeren Entwicklungen nicht ausgeschlossen.
Mit Abzug des Kurzwellentroges kommt es aber zu einer raschen Stabilisierung und
von Westen her klingen die Schauer bereits am Mittag und Nachmittag wieder ab.
Anzusprechen bleibt noch der Wind. In der Mitte und im Norden frischt er im
Tagesverlauf bei guter turbulenter Durchmischung wieder auf und es gibt recht
verbreitet Böen Bft 6 bis 7. In Schauernähe bzw. an den Küsten kann es auch
einzelne stürmische Böen (Bft 8) aus Südwest geben. In den Kamm- und Gipfellagen
der Mittelgebirge muss häufiger mit stürmischen Böen, exponiert auch mit
Sturmböen (Bft 9) gerechnet werden.
Die Höchsttemperaturen erreichen innerhalb der frischen Meeresluft (T850 hPa
zwischen 1 Grad im Nordwesten und 5 Grad am Main) meist Höchstwerte zwischen 13
und 18 Grad. Lediglich im Alpenvorland können mit etwas Sonne nochmals 19 bis 24
Grad erreicht werden.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich der südliche Höhentiefdipol zur
Deutschen Bucht, während der nördliche nach Mittel- bzw. Nordschweden
vorankommt. Der ganze Höhentief-Dipol nimmt also eine zunehmend meridionale
Ausrichtung ein, womit die Höhenströmung mehr und mehr auf Südsüdwest dreht.
Die Kaltfront über dem Südosten des Landes kommt nach wie vor kaum nach Südosten
voran, allerdings klingen die Regenfälle im Schwarzwald im Laufe der Nacht
allmählich ab. Die höchsten Mengen werden dann mit knapp über 10 mm in 12
Stunden eher Richtung Bodensee/Oberschwaben/Allgäu simuliert, wobei
diesbezüglich noch Unsicherheiten bestehen (IFS von 00 UTC ähnlich, GFS mit den
höchsten Mengen weiter südöstlich). Auch, ob sich die Regenfälle weiterhin bis
zum Erzgebirge bzw. gar bis zur Oberlausitz ausweiten, ist noch unklar. Wohl
ziemlich sicher ist aber wohl die Tatsache, dass keine warnrelevanten Mengen
mehr zu erwarten sind.
Im Rest des Landes klingen eventuelle Schauer rasch ab und auch der Wind lässt
mit Auffächerung des Gradienten sowohl in den Niederungen als auch auf den
Bergen deutlich nach. Gebietsweise ist es gering bewölkt.
Das mit dem Höhentief korrespondierende Bodentief zieht bis Sonntagfrüh zur
südlichen Nordsee, eventuell auch schon zur Deutschen Bucht. Der Druckgradient
an dessen Südflanke ist scharf ausgeprägt, so dass der Wind - abhängig von der
genauen Zugbahn - im Nordwesten in den Frühstunden eventuell schon wieder
deutlich auffrischt mit Böen Bft 7, Richtung Küste auch Bft 8 aus Südwest bis
Süd. Im Umfeld des Tiefs kann es im Laufe der zweiten Nachthälfte auch wieder
erste Schauer und kurze Gewitter geben. Im Bereich des Höhentiefs labilisiert
die Luftmasse jedenfalls zunehmend (-26 Grad in 500 hPa, +2 Grad in 850 hPa).
Die Tiefsttemperaturen erreichen Werte zwischen 4 Grad bei gering bewölktem
Himmel in den zentralen Mittelgebirgen und 13 Grad im noch immer präfrontalen
Bereich im Südosten.

Sonntag ... verlagert sich das Höhentief von der Deutschen Bucht weiter Richtung
Südnorwegen, wobei ein Höhentrog über die südliche Nordsee und BeNeLux bis nach
Südfrankreich gerichtet bleibt. Die südwestliche Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet fächert dabei auf. Die noch immer darin eingebettete,
verwellende Kaltfront kommt nach wie vor zögernd ostsüdostwärts voran, hat nun
aber endlich auch den äußersten Südosten des Vorhersagegebietes überquert. Dabei
hat sich dort eine schwache Gegenstromlage eingestellt (Nord am Boden, Südwest
in der Höhe), so dass die postfrontalen Niederschläge im Südosten weiter
anhalten. Erneut werden die höchsten Mengen ganz im Süden simuliert (je nach
Modell eher im Bereich Oberschwaben/Bodensee (ICON) oder weiter östlich am
Alpenrand (IFS)), weisen aber wohl keine Warnrelevanz auf; allerhöchstens in
Staulagen fallen innerhalb von 24 Stunden gebietsweise mehr als 30 mm.
Das Bodentief über der südlichen Nordsee zieht nach Nordosten ab und füllt sich
allmählich auf. Ein weiteres flaches Bodentief greift abends von Nordnordwest
her auf die Deutsche Bucht über. Auch, wenn der Gradient insgesamt auffächert,
kann es mit der im Tagesverlauf verstärkten turbulenten Durchmischung vor allem
im Nordwesten des Landes weiterhin steife, Richtung Küsten auch stürmische Böen
aus Südwest geben, erst am Nachmittag und Abend flaut der Wind allmählich ab.
Innerhalb der höhenkältesten Luftmasse im Nordwesten (T500 hPa bis -24 Grad,
T850 hPa 3 bis 5 Grad) entwickeln sich erneut Schauer und auch kurze Gewitter,
bei PPW-Werten unter 20 mm und kaum mehr als 100 J/kg ML-Cape kommt als markante
Begleiterscheinung wohl nur der Wind (Bft 8) in Frage. Zwischen den Schauern im
Nordwesten und dem Regen im Südosten bleibt es in einem breiten Streifen wohl
überwiegend trocken und vor allem von der Pfalz bis zur Ostsee scheint auch
häufiger mal die Sonne. Die Zufuhr kühler Meeresluft wird allmählich gekappt,
die Temperatur in 850 hPa steigt bis zum Abend meist auf Werte zwischen 3 und 6
Grad. Somit steigen die Temperaturen etwas an und erreichen Höchstwerte zwischen
14 Grad bei Dauerregen im Süden (Alpenrand, Bodensee) und 22 Grad bei längerem
Sonnenschein in Brandenburg.

In der Nacht zum Montag kommt der von Skandinavien nach Südwesteuropa gerichtete
Höhentrog vor allem mit seinem Südteil etwas nach Osten voran, wodurch die
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet auf Südsüdwest dreht. Ausgangs der Nacht
kommt erneut ein Abtropfprozess über BeNeLux und Frankreich in Gang.
Das flache Bodentief überd er südlichen Nordsee füllt sich zögernd weiter auf,
übrig bleibt ein breit angelegter, schwachgradientiger, von Skandinavien bis
nach Frankreich reichender Bodentrog. Nach wie vor zeigt die Kaltfront kaum
Verlagerungstendenzen, so dass es im Südosten des Landes weiterhin regnet, wobei
sich der Regen - mit leichten Unterschieden von Modell(lauf) zu Modell(lauf)
behaftet - tendenziell etwas nach Südosten zurückzieht und weniger wird.
Einzelne Schauer, eventuell auch ein kurzes Gewitter gibt es auch im Nordwesten,
bevorzugt im Nordseeumfeld, im Einflussbereich der am labilsten geschichteten
Luftmasse innerhalb der Tiefdruckrinne. Ansonsten verläuft die Nacht aber
wettertechnisch ruhig und gebietsweise auch gering bewölkt. Stellenweise kann
sich Nebel bilden und die Tiefstwerte liegen meist zwischen 10 Grad an den
Küsten und 3 bis 4 Grad in einigen Mittelgebirgstälern.

Montag ... vollzieht sich der Cut-Off-Prozess. Übrig bleibt ein flaches
Höhentief mit Drehzentren über den Niederlanden und über Nordostfrankreich und
einen bis ins westliche Mittelmeer gerichteten Höhentrog. Über die Britischen
Inseln wölbt sich ein Höhenrücken Richtung Nordmeer auf und auch im Bodenfeld
setzt dort bzw. auch über der Nordsee Druckanstieg ein. Die flache
Tiefdruckrinne füllt sich somit weiter auf. Eingebettet in dieses
gradientschwache Druckfeld kommt auch die Kaltfront über dem östlichen
Mitteleuropa und dem Südalpenraum kaum weiter voran und die Regenfälle im
Südosten Deutschlands dauern an. Nach Lesart des ICON-EU weiten sie sich sogar
noch ein wenig nach Norden, Richtung Ostthüringen/Sachsen aus, während der 00
UTC-Lauf des IFS sie dagegen nur noch auf den Alpenrand beschränkt.
Im Westen und Nordwesten entwickeln sich nahe am über den Niederlanden
austropfenden Höhentief im Tagesverlauf Schauer und auch kurze Gewitter. Die
Luftmasse erwärmt sich allmählich etwas (T850 hPa zwischen 4 und 7 Grad) und
bleibt vor allem dort labil geschichtet (um -23 Grad in 500 hPa), mit der
Erwärmung steigen auch die PPW-Werte und die Cape etwas an.
Im breiten Streifen zwischen den Schauern im Nordwesten und dem Regen im
Südosten bleibt es meist trocken (kurze Schauer sind auch dort nicht
ausgeschlossen) und zeitweise scheint die Sonne. Gegenüber dem Vortag steigen
die Temperaturen um vielleicht 1 bis 2 Grad an (Höchstwerte je nach Sonne
zwischen 16 und 22 Grad). Der Wind spielt warntechnisch keine Rolle mehr.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumigen synoptischen Strukturen werden von allen vorliegenden Modellen
im Kurzfristzeitraum sehr ähnlich simuliert. Unterschiede ergeben sich aber im
Detail, in erster Linie, was die über dem Südosten Deutschlands bzw. im weiteren
Verlauf weiter östlich schleifende Kaltfront angeht. Warnrelevante Mengen für
die Staulagen des Schwarzwaldes bis Samstagabend hat eigentlich nur das ICON-EU
auf der Agenda.
Unsicher ist auch, ob es am morgigen Nachmittag im präfrontalen Bereich am
bayerischen Alpenrand eventuell noch für kräftigere Gewitter reicht. Signale
dafür haben vor allem SuperHD und AROME auf der Agenda.
Am Montag entwickelt sich nach Lesart des GFS - ähnlich wie im Vorlauf - entlang
der Kaltfront über Polen ein kräftigeres Wellentief, wodurch von Polen her
bereits in der Nacht zum Montag auf die Lausitz übergreifen und am Vormittag
nordwärts abziehen. Im Südosten Bayerns werden dagegen im Zuge dieser
Entwicklung keine nennenswerten Niederschläge mehr simuliert.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff