DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-09-2016 21:00
SXEU31 DWAV 021800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 02.09.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zunächst ruhiges Geschäft, ab Sonntag mit Kaltfront- und Trogpassage mehr
Schmackes in der Atmosphäre (Regen Gewitter, Wind/Sturm).

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich der größte Teil Deutschlands unter Hochdruckeinfluss.
Prägende Elemente sind die vom Azorenhoch ausgehende, sich bis zur Ukraine
erstreckende zonale Bodenhochdruckzone sowie ein flacher Höhenrücken, der uns im
Laufe der Nacht allerdings langsam in Richtung Osten verlässt. Das ändert aber
nichts an der Tatsache, dass auch die kommende Nacht ruhig und weitgehend
antizyklonal verläuft mit einigen Nebelfeldern insbesondere in den südlichen
Landesteilen.
Gesondert herausgreifen muss man Teile Nord- und Westdeutschlands, die von der
Okklusion eines Tiefs südlich Islands traktiert werden. An der Front hat sich
westlich von Südnorwegen ein Teiltief gebildet, das bis Samstagfrüh auf zonaler
Spur zum norwegisch-schwedischen Grenzgebiet zieht. Dadurch kommt die Okklusion
bei uns etwas landeinwärts voran, wobei sie nicht nur für dichte Bewölkung,
sondern auch für etwas Regen oder Nieselregen sorgt. Die anfänglich an der
nordfriesischen Küste noch auftretenden steifen Böen 7 Bft aus SW lassen in den
nächsten Stunden nach, so dass dort die Windwarnung auslaufen kann.

Samstag ... verbleibt Deutschland am südlichen Rand der relativ glatt
konturierten Frontalzone unter einer westlichen Höhenströmung. Darin eingelagert
sind extrem flache Trog-Keil-Strukturen, die ostwärts ablaufen, mit dem bloßen
Auge im Potenzialfeld (z.B. 500 und 300 hPa) kaum oder gar nicht auszumachen
sind. COSMO-EU zeigte im 06-UTC-Lauf ein kleines IPV-Maximum (und mithin den
Hinweis auf einen flachen KW-Trog), das im Laufe des Vormittags von Belgien und
Luxemburg her Teile von NRW und RP erreichen sollte, um bis zum Abend bis nach
Sachsen bzw. ins nördliche Bayern zu ziehen. Im jüngsten 12-UTC-Lauf ist diese
Entwicklung deutlich schwächer und auch später gerechnet, was die Einschätzung
nicht gerade erleichtert. Auffallend ist, dass die bisher von ICON für die
mittleren Landesteile simulierten Niederschläge (z.T. um 5mm/6h !!), die mit
diesem Trog in Verbindung gebracht hätten werden können, im 12-UTC-Lauf völlig
verschwunden sind, was einer Anpassung an die externen Modelle und COSMO-EU
gleichkommt. Einzig COSMO-DE hält fast schon penetrant an diesem Regen fest.
Wie auch immer, Fakt ist, dass die Okklusion bzw. Kaltfront in ihrem Nordteil
nach Osten abzieht, während sie zur nördlichen Mitte hin unter zunehmender
Auflösungstendenz zurückhängt. An der Front gibt es noch dichtere Wolken und ein
paar Tropfen Regen, während es in der postfrontal einfließenden erwärmten
Meeresluft subpolaren Ursprungs teilweise auflockert und die Schauerneigung
gering bleibt.
Nach Süden hin schwächt sich die zonale Hochdruckzone zwar etwas ab, bleibt aber
in ihrer Grundstruktur erhalten. Dort scheint verbreitet die Sonne, flankiert
von einigen Quellwolken, zur Mitte hin teils auch durch hohe und mittelhohe
Wolkenfelder mitunter etwas getrübt. Ob es in SO-Bayern in der dort lagernden
etwas feuchteren und indifferent bis leicht labil geschichteten Luftmasse zur
Auslöse einzelner Schauer oder gar einem Gewitter kommt, ist mehr als fraglich.
Einzig GFS - schon von Haus aus nicht gerade ein Kostverächter konvektiver
Prozesse - signalisiert etwas nachhaltiger, dass da was gehen könnte.
Die Temperatur bleibt auf spätsommerlichem, ja vielfach sogar hochsommerlichem
Niveau mit 20 bis 24°C im N und NW und 24 bis 29°C, im Oberrheingraben örtlich
30°C, in den übrigen Regionen.

In der Nacht zum Sonntag überquert ein gut ausgeprägter KW-Trog Irland und UK in
Richtung Nordsee. Dadurch gelangt Deutschland auf die diffluente Vorderseite,
wobei die Höhenströmung etwas auf SW rückdreht. Vor allem im W und N des
Vorhersageraums verstärken sich die Hebungsprozesse, da zur PVA dort auch noch
WLA hinzukommt. Außerdem schwenkt die Warmfront des zum Trog korrespondieren
Bodentiefs (um 00 UTC mit Kern von etwas unter 1000 hPa über Nordengland) über
den NW hinweg, so dass dort mit einsetzenden und sich sukzessive
intensivierenden Regenfällen zu rechnen ist (1-10mm innert 12h, zur Nordsee hin
mit Unterstützung möglicher konvektiver Einlagerungen (Gewitter?) sogar noch
darüber. Die Vorderkante des Regengebiets reicht am frühen Morgen etwa von der
Eifel bis nach Vorpommern, plusminus der üblichen Modellschwankungen.
Bei weitgehend stabiler Schichtung frischt der südliche bis südwestliche
insbesondere in exponierten Hochlagen auf mit Böen 7-8 Bft, auf dem Brocken
vereinzelt 9 Bft.
Nach S und O hin verläuft die Nacht ruhig und trocken bei insgesamt
überschaubarer Nebelneigung.

Sonntag ... greift der Höhentrog unter Intensivierung auf den Vorhersageraum
über, wobei es wahrscheinlich über der Nordsee zu einem Abtropfprozess kommt.
Das korrespondierende Tief zieht von England über die mittlere Nordsee hinweg
Richtung Jütland bzw. dänische Inseln. Dabei überquert uns die zugehörige
Kaltfront von NW nach SO, wodurch die in weiten Teilen des Landes befindliche
gealterte Warmluft durch frische, aber nicht wirklich kalte subpolare Meeresluft
ersetzt wird. Bis Tagesende sinkt die 850-hPa-Temperatur auf +7/8°C, im Süden
auf 9/10°C.
Mit der Kaltfrontpassage kommt es nicht nur zu schauerartigen und mit Gewittern
durchsetzen Regenfällen (CAPE im Frontbereich 200 bis 500 J/kg, lokal etwas
darüber, was aufgrund fehlenden Energieinputs allerdings fraglich ist), auch der
Wind südwestliche Wind frischt stark böig auf mit Spitzen 7 bis 8 Bft, im
höheren Bergland bis 9 Bft, exponiert vielleicht 10 Bft. Angesichts gut
ausgeprägter Scherung sowohl in der unteren (0-1 km) als auch bis zur mittleren
(0-6 km) Troposphäre sowie einer möglicherweise "günstigen" Lage zum Höhentrog
ist es aus heutiger Sicht sehr gut vorstellbar, dass sich an der Front eine gut
definierte und organsierte Linie entwickelt, an der dann auch im Flachland noch
etwas stärkere Böen (9 Bft, vereinzelt vielleicht sogar 10 Bft), möglich wären.
Die Höhenwinde jedenfalls ließen mit Geschwindigkeiten bis zu 45 Kt in 850 hPa
und bis zu 50 Kt in 700 hPa eine solche Entwicklung durchaus zu. Starkregen und
kleinkörniger Hagel sind in den Gewittern zwar auch möglich, allerdings sollte
die Zuggeschwindigkeit der Zellen ausreichen, keine allzu großen Regenmengen
auftreten zu lassen.
Der S und SO verbleiben zunächst noch für einige Zeit im präfrontalen Bereich,
wobei zeitweise noch die Sonne scheint. Allerdings scheinen die Einstrahlung und
damit der Energieeintrag nicht ausreichend für eine substanzielle Labilisierung
der Luftmasse zu sein, so zumindest die Lesart der numerischen Produkte. Ergo,
die Entwicklung möglicher präfrontaler Gewitter scheint erheblich gedämpft zu
sein und beschränkt sich - wenn überhaupt - auf den östlichen Alpenrand.
Ansonsten gilt es noch zu konstatieren, dass hinter der Kaltfront die
Wolkendecke auflockert und sich vorübergehend eine eher wetterinaktive Phase
einstellt. Erst wenn der Höhentrog richtig übergreift und dabei auch etwas
höhenkalte Luft ins Spiel bringt (viel kälter als -18/19°C in 500 hPa wird es
allerdings nicht), kommen insbesondere im NW konvektive Prozesse in Gang, die
sich in Form von Schauern und kurzen Kaltluftgewittern äußern. Dabei sind Böen 7
bis 8 Bft als begleitendes Element möglich, aber auch außerhalb der Konvektion
sind rein vom Gradienten induziert Böen bis 7 Bft nicht ausgeschlossen, was
nicht zuletzt aber von der genauen Position des Bodentiefs abhängen wird.
Die Temperatur steigt präfrontal im S und SO noch mal auf 23 bis 27°C (höchste
Werte in Niederbayern und dem östlichen Oberbayern), sonst auf 19 bis 23°C, im
westlichen Mittelgebirgsraum bei Regen auch etwas darunter.

In der Nacht zum Montag zieht das abgetropfte Höhentief über N- und
NO-Deutschland hinweg in Richtung Polen. Dabei kommt es in der Nordhälfte zu
weiteren schauerartigen Regenfällen und einzelnen Gewittern. Das Bodentief
verlagert sich allmählich über Jütland hinweg nach Osten, es bleibt aber
möglicherweise noch eine bis zur Nordsee gerichtete Rinne übrig, die nach ICON
sogar einen eigenen Kern ausbildet. Bei COSMO-EU hingegen bleiben diese
Strukturen aus, weswegen der Wind an der Nordsee auf nördliche Richtungen dreht.
Hier gilt es also noch ein paar Fragezeichen zu tilgen, allerdings deutet sich
an, dass der Wind so oder so nicht mehr warnwürdig sein wird.
Bliebe noch der Blick auf den Süden, wo die Kaltfront mit den zugehörigen
Regenfällen und anfänglichen Gewittern die Alpen erreicht. Ob sich dort vor dem
Hintergrund auch am Montag noch fallender Niederschläge eine warnwürdige
Dauerregenlage aufbaut, ist derzeit angesichts divergierender Modellaussagen
noch unsicher. Einige simulieren durchaus mehr als 30 mm innert 24 h bis
Montagabend, und auch ECMF-EPS sowie COSMO-LEPS sehen erhöhte
Wahrscheinlichkeiten für ein markantes Dauerregenereignis (30-50 mm innert 12
h).
Warntechnisch ist im Süden freilich auch noch der Wind von Bedeutung (Böen 7-9
Bft, Annäherung der Kaltfront mit Leitplankeneffekt), der mit Ausnahme höherer
Lagen erst in der zweiten Nachthälfte abnimmt.

Montag ... zieht das Höhentief langsam über Polen hinweg Richtung Tschechien
bzw. Ostalpen. Deutschland verbleibt aber in seinem Wirkungsradius und mithin
zyklonal geprägt, was sich in Form vieler Wolken mit schauerartigen Regenfällen
und einzelnen Gewittern widerspiegelt. An den Alpen sowie in Staulagen der
östlichen Mittelgebirge regnet es zum Teil längere Zeit am Stück, wobei sich
eine Warnrelevanz (siehe oben) aber wohl nur an den Alpen ergibt.
Der auf westliche bis nördliche Richtungen drehende Wind spielt warntechnisch
keine große Rolle mehr. Lediglich in einigen Hochlagen treten noch Böen 7 Bft,
auf Alpengipfeln auch 8-9 Bft auf.
Etwas weniger schauerabfällig, vielleicht sogar weitgehend trocken könnte die
neue Woche im äußersten W und NW starten. Ursache ist eine sich über England und
der Nordsee aufbauende Hochdruckbrücke zwischen dem bis nach Frankreich
reichenden Azorenhoch und einem Hoch über dem Europäischen Nordmeer. Sie wird
gestützt von einem sich aufwölbenden Höhenrücken, der das Ergebnis kräftiger WLA
vorderseitig eines ins Seegebiet südlich von Island ziehenden Orkantiefs
darstellt. Etwas beteiligt an diesem Prozess ist auch der ehemalige Hurrikan
GASTON, der nördlich der Azoren in das Zirkulationssystem des angesprochenen
Sturmtiefs als kleiner Trog einbezogen wird. Eine klassische Umwandlung in ein
extratropisches Tief der mittleren Breiten findet aufgrund fehlender Interaktion
mit der zu weit nördlich positionierten Frontalzone nicht statt.
Zurück noch mal nach Deutschland, wo es mit Tageshöchstwerten von 16 bis 23°C -
vorrübergehend!! - etwas frischer wird.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es ist alles gesagt.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann