Thema des Tages

24-08-2016 14:40

Monsundepression über Bengalen

Monsune sind großräumige, mit beständigen Winden einher gehende
Luftströmungen in den Tropen und niederen Subtropen mit
halbjährlichem Richtungswechsel. Ihre Ursache sind die
unterschiedliche Erwärmung von Meer und Land sowie die damit
zusammenhängende, jahreszeitliche Verlagerung der innertropischen
Konvergenzzone (ITCZ), einem durch Erwärmung der bodennahen
Luftschichten und Konvektion verursachten, weltumspannenden
Tiefdruckgürtel.

In Süd- und Südostasien, aber auch in Westafrika, findet man
klimaprägende regionale Monsune, unter denen der "indische Monsun"
der gewaltigste ist. Im Gegensatz zu den anderen Monsunsystemen, die
man vor allem als großräumige Land- und Seewind-Zirkulation auffassen
kann, spielen beim indischen Monsun auch dynamische Prozesse in der
mittleren und höheren Troposphäre eine wichtige Rolle, deren Ursache
die besondere Lage des indischen Subkontinents und seine nordöstliche
Begrenzung durch den Himalaya und das sich anschließende Hochland von
Tibet sind.

Im Frühjahr wandert mit zunehmendem Sonnenstand auf der
Nordhemisphäre die innertropische Konvergenzzone (ITCZ) nach Norden
und auch das Festland Südasiens erwärmt sich stark. Über dem Tiefland
des indischen Subkontinents bildet sich ein ausgedehntes thermisches
Tiefdruckgebiet ("Hitzetief"). Die umgebenden Meere sind dagegen
etwas kühler, dort herrscht im Bodenniveau höherer Luftdruck.

Diese bodennahen Druckunterschiede treiben eine großflächige
Luftströmung in Richtung des südasiatischen Hitzetiefs an - den
indischen Sommermonsun, der etwa von Ende Mai/Anfang Juni bis Ende
September/Anfang Oktober dauert. Infolge der Coriolis-Kraft werden
großräumige Horizontalbewegungen auf der Nordhalbkugel nach rechts,
auf der Südhalbkugel nach links abgelenkt. Dementsprechend wird der
Sommermonsun nach der Passage des Äquators zum Südwestmonsun.

Außerdem kann der indische Südwestmonsun durch das im Frühjahr
entstehende Hitzetief über Südasien ("Monsuntief") eine markante
Ostwindkomponente entwickeln. Dadurch erklärt sich auch das
Fortschreiten des in seiner Intensität raum-zeitlich stark
variierenden Monsunregengebietes ("Monsunfront") in nordwestlicher
Richtung, vom Golf von Bengalen bis zum Aravalli-Gebirge (Rajasthan,
Nordwestindien) oder sogar bis zum Indus (Punjab, Pakistan) im
Verlaufe der ersten Hälfte des nordhemisphärischen Sommers.

Da der (in der Vertikalen etwa 3000 m mächtige) indische Sommermonsun
über weite und relativ warme Meeresflächen weht, kann sich die Luft
mit Wasser anreichern. Der Sommermonsun ist also feuchtwarm und
bringt dem indischen Subkontinent ergiebige Regenfälle
("Monsunregen"), die durch Staueffekte an den Gebirgen (z.B.
Westghats, Assam-Himalaya) ausgelöst oder verstärkt werden. Jedoch
bestehen die Niederschläge des indischen Sommermonsuns keinesfalls
nur aus orographisch bedingtem "Steigungsregen".

Betrachtet man nämlich die Vorgänge in höheren Atmosphärenschichten,
so übt das mit einer durchschnittlichen Höhe von ca. 4500 m über dem
Meeresspiegel gern als "Dach der Welt" bezeichnete Hochland von Tibet
einen besonderen Einfluss auf den indischen Monsun aus. Seine
Höhenzüge und Hochebenen fungieren im Sommer, bei hohem Sonnenstand
und durch Schneeschmelze verringertem Reflexionsvermögen, quasi als
"Heizfläche", so dass dort in der mittleren und höheren Troposphäre
das Geopotential steigt und ein "thermisches Hochdruckgebiet"
entsteht.

Zwischen diesem tibetanischen Hochdruckrücken und der weiter südlich
bzw. südwestlich über dem Tiefland des indischen Subkontinents
entstandenen, oftmals hoch reichenden "Monsundepression" stellt sich
in der mittleren und höheren Troposphäre eine östliche Strömung ein.
Die Drehung des Windes mit der Höhe von südwestlichen auf östliche
Richtungen geht mit einer "Kaltluftadvektion" in höheren Schichten
der Troposphäre und damit einer Labilisierung der vergleichsweise
flachen südwestlichen Monsunströmung einher.

So entstehen "kurzwellige" tropische Störungen, die mit vertikal und
horizontal mächtigen Gewitterkomplexen verbunden sind und
gebietsweise zu einer extremem Intensivierung des Monsunregens
beitragen. Dabei spielt natürlich der Tagesgang der Konvektion eine
Rolle, d.h. vor allem in der zweiten Tageshälfte und bis in die erste
Nachthälfte hinein ist der Regen oft schauerartig verstärkt bzw.
gewittrig.

Am vergangenen Sonntag verursachte ein Monsuntief in der Region
Bengalen einmal mehr sintflutartige Regenfälle. Spitzenreiter in der
bengalischen Monsunstatistik ist die Station Patuakhali (Bangladesch,
22°21'N, 90°19'E, 2 m Höhe) mit 270,8 mm innerhalb von vierundzwanzig
Stunden bis Montag, den 22.08.2016, 03:00 Uhr UTC. Auf den Plätzen
folgen Khulna (22°49'N, 89°31'E, 3 m Höhe) mit 260,4 mm, Jessore
(23°13'N, 89°10'E, 6 m Höhe) mit 191,9 mm, Barisal (22°46'N, 90°22'E,
3 m Höhe) mit 176,4 mm und nicht zuletzt Bankura (Westbengalen,
23°24'N, 87°04'E, 100 m Höhe) mit 173,0 mm.

Die unten stehende Karte zeigt u.a. die Gebiete des indischen
Bundesstaates Westbengalen und der Volksrepublik Bangladesch.
Eingetragen sind die im selben Zeitraum registrierten
Niederschlagsmengen in ganzen Litern pro Quadratmeter (Maßeinheiten:
[L/m²] = [mm]).

Außerdem finden Sie in der Karte die vom montäglichen 00:00-UTC-Lauf
des Vorhersagemodells ICON des Deutschen Wetterdienstes berechneten
Prognosen der geopotentiellen Höhe der 500-hPa-Hauptdruckfläche,
welche die mittlere Troposphäre repräsentiert. Gemessen wird diese
Größe in geopotentiellen Dekametern, einer Maßeinheit für die
spezifische potentielle Energie der Luftmasse (Einheitenzeichen
[gpdam]).

Weiterhin sind die vom selben Modelllauf an den Gitterpunkten
kalkulierten Windvektoren, mit dem Betrag der Windgeschwindigkeit in
Knoten (Einheitenzeichen [kn], lange Fieder = 10 kn, kurze Fieder = 5
kn, 1 kn = 1,852 km/h) sowie der Windrichtung, auf der bodennahen
975-hPa- Hauptdruckfläche dargestellt.

Das Zentrum des vom Boden (siehe zyklonal orientierte Windpfeile) bis
hoch in die mittlere Troposphäre (siehe geschlossene Isohypse bei 584
gpdam) reichenden Monsuntiefs liegt über Westbengalen. An seiner
Ostflanke wird feuchte Luft aus dem Golf von Bengalen in die
Zirkulation einbezogen, was vor allem im Süden von Bangladesch
verbreitet zu den extremen Niederschlagsmengen führte.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.08.2016

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