Thema des Tages

16-08-2016 14:40

Dünne schmale Wolken

Der Sommer präsentiert sich aktuell ja in ganz ordentlicher Form,
zumindest im Süden und Westen. Mehr Wolken waren am gestrigen Montag
dagegen vor allem im Norden unterwegs, teilweise in Form klassischer
Quellwolken, teils zogen dort aber auch hohe Wolken (Cirren), die aus
Eiskristallen bestehen, durch.

Letztere werden in den Wetterberichten gerne als "dünne" Wolken
bezeichnet. Die Idee dahinter ist klar: Es soll ausgedrückt werden,
dass es einerseits nicht wolkenlos ist, die Wolken auf der anderen
Seite aber den schönen Wettercharakter nicht oder nur wenig trüben.
Etwas fachmännischer kommt diese Aussage natürlich daher, wenn man
von der geringen optischen Dicke der Cirruswolken spricht. Die
optische Dicke ist, ganz allgemein gesagt, ein Maß dafür, wie gut
oder schlecht elektromagnetische Strahlung (also auch das
Sonnenlicht) durch ein optisches Medium hindurch geht. Letztendlich
drückt man für die Cirren mit der Formulierung "dünn" also aus, dass
die Sonnenstrahlung durch sie kaum abgeschwächt wird.

Klar, werden jetzt viele denken, ist doch logisch! Durch dünne Wolken
sieht man die Sonne. Dass diese Assoziation so naheliegend ist,
finden wir Meteorologen natürlich super, denn dann ist die Vorhersage
klar verständlich, was leider nicht immer der Fall ist und nicht für
jede Formulierung in unseren Texten gilt. Andererseits ist die
Assoziation grundfalsch, denn im Winter kann schon eine dünne Nebel-
oder Hochnebeldecke von weniger als 100 Meter vertikaler Ausdehnung
den Tag zu einem deprimierenden Einheitsgrau machen.

Aber das kann uns heute natürlich egal sein, wir bleiben doch lieber
bei unseren sonnigen Sommercirren. Das Sonnenlicht wird durch sie
zwar nur wenig abgeschwächt, aber es wird abgeschwächt, das werden
Betreiber einer Photovoltaikanlage sicher bestätigen können. Die
"Sonnenausbeute" am Boden - und das ist jetzt wirklich logisch und
offensichtlich - wird natürlich umso größer, je kleiner die Fläche
ist, die sie überdecken. Also wenn schon dünne Wolken, dann doch
bitte nicht nur dünn, sondern auch schmal.

Dünne schmale Wolken, genau solche waren heute Morgen über großen
Teilen der Mitte Deutschlands zu sehen, wie die beigefügte Grafik
zeigt. Dargestellt ist ein hochaufgelöstes Satellitenbild des
europäischen Wettersatelliten METEOSAT von 7:15 MESZ. Von Benelux
über den Westen und Teile der Mitte Deutschlands bis nach Sachsen und
Nordbayern (innerhalb des roten Kastens) sind die besagten schmalen
dünnen Wolkenstreifen zu erkennen. Diese beeinflussen den
Wettercharakter tatsächlich nur wenig, nachdenklich machen sie aber
auf Grund ihrer großen Zahl trotzdem, handelt es sich dabei doch um
Kondensstreifen, die sich am morgendlichen Himmel präsentieren. Diese
werden zwar wolkenklassifikatorisch zu den Cirren gerechnet und
passen somit in unsere Überlegungen, aber sie sind, als gefrorener
Wasserdampf von Flugzeugtriebwerken, natürlich "unnatürlich".

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.08.2016