DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-07-2016 21:00
SXEU31 DWAV 291800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 29.07.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Samstagabend und am Sonntag im Süden Gewitter mit Starkregen, Hagel und
Sturmböen, teils unwetterartig

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland auf der Süd- bzw. Südostflanke eines
Langwellentroges, dessen Zentrum im Seegebiet zwischen Island, Schottland und
der norwegischen Küste auszumachen ist. Dabei wird das Geopotentialfeld von zwei
markanten Trogachsen dominiert, wovon eine über den Skagerak und den Kattegat
nach Polen weist, mithin liegt Deutschland inzwischen vollständig auf ihrer
Rückseite. Die zweite Trogachse weist über Schottland und Irland bzw. die
Irische See nach Südwesten. Zwischen diesen Trogachsen liegt Deutschland unter
einer weitgehend zonalen, nach Osten zu leicht diffluenten Höhenströmung. Das
mit dem Geopotentialminimum korrespondierende Bodentief liegt unter selbigem,
wobei es den Schwerpunkt eines größeren Tiefdruckkomplexes bildet, der im
Bereich der Nordsee einen markanten Bodentrog aufweist, in den eine Front
eingelagert ist. Der Bodentrog sorgt dafür, dass der Druckgradient über
Deutschland einerseits zwar nicht kräftig, andererseits aber auch nicht
vernachlässigbar ausfällt. Die in der Nacht zu erwartenden meist südwestlichen
Böen bleiben, auch im Bereich einer in den Nordwesten und in die Mitte
ziehenden teilokkludierten Front, überwiegend unter der Warnschwelle von 7 Bft,
was in ihren deterministischen Läufen COSMO-EU, COSMO-DE und ICON sowie GFS und
EZMW bestätigen. Gleichwohl liefern PEPS und COSMO-LEPS an der Nordseeküste
leicht erhöhte Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 7, und auch auf höheren
Mittelgebirgsgipfeln sind 7er-, auf dem Brocken auch 8er-Böen, denkbar. Höher
liegen die Windgeschwindigkeiten allenfalls in einzelnen möglichen Gewittern,
die in der ersten Nachthälfte speziell im Osten und im Küstenumfeld noch möglich
sind, wo ICON und COSMO-EU in der Nacht noch "Rest-CAPE" und negative KO-Indizes
simulieren. Im Süden ist es dagegen oft gering bewölkt oder klar, ganz lokal
kann sich dabei Nebel bilden.

Samstag ... bleibt der Langwellentrog für Deutschland wetterbestimmend, das
Geopotentialminimum verlagert sich dabei sehr zögerlich nach Osten in Richtung
der südnorwegischen Küste. Auch die über den Britischen Inseln verlaufende
Trogachse kommt kaum nach Osten voran, allerdings greift der Trog etwas weiter
nach Süden aus. Damit dreht die Höhenströmung auf mehr südwestliche Richtungen,
wobei die Strömung selbst wieder eine mehr zyklonale Krümmung annimmt, was die
durch kurzwellige Troganteile induzierte Hebung begünstigt. Ebenso wie das
Höhentief verlagert sich auch das umfangreiche Bodentief und mit ihm der
Nordseetrog etwas nach Osten, letzterer weist am Abend in abgeschwächter Form in
Richtung Pommern. Die eingelagerte Front verläuft von dort in südwestlicher
Richtung nach Frankreich. Sie trennt mit etwa 9 Grad in 850 hPa recht kühle Luft
im Nordwesten von deutlich wärmerer Luft im Süden, die südlich der Donau noch
Werte über 15 Grad erreicht. Im Norden ist der Temperaturrückgang auch einer
zweiten, nur schwach ausgeprägten Kaltfront geschuldet, demgegenüber liegt im
Süden auch insgesamt die potentiell instabilste Luft. COSMO-EU und ICON
errechnen KO-Indizes von verbreitet unter -5, lokal sogar unter -10 K. Dazu
deuten CAPE-Werte von über 1500 bei ICON und fast 2000 bei COSMO-EU auch das
Potential der Luftmasse an. Dennoch halten sich die deutschen Modelle in den
Pseudosynops deutlich zurück, mehr als ein paar schüchterne Schauersymbole sind
südlich der Donau nicht zu erkennen. Da geht GFS schon etwas aggressiver zu
Werke, und dies ist auch durchaus plausibel, werden doch auch nach den deutschen
Modellen die Auslösetemperaturen erreicht, was eine Gewitterentwicklung schon
aus der überhitzten Luftmasse heraus wahrscheinlich erscheinen lässt. Bezüglich
der Stärke der Gewitter muss man wohl wieder das Unwort Unwetter in den Mund
nehmen, denn neben den schon erwähnten CAPE-Werten sind auch die PPWs mit
gebietsweise über 30 kg/m2 wieder üppig dimensioniert, was Starkregen
wahrscheinlich und heftigen Starkregen möglich macht. Dabei ist auch Hagel und
sind auch Sturmböen möglich, die doch recht trockene Grundschicht sowie die
Scherung begünstigen auch das Auftreten schwerer Sturmböen.

Im Verlauf der Nacht greift der Trog auf die Bretagne und damit auf das
Europäische Festland über, womit er sich nicht nur nähert, sondern auch die
Strömung noch weiter auf Südwest dreht. Damit kommt auch die Südverlagerung der
Front praktisch zum Erliegen, sie beginnt stattdessen leicht zu wellen, ebenso
wird feuchtere Luft eingesteuert, bis zum Morgen reagiert CSOMO-EU mit
PPW-Werten im Süden von über 60 kg/m2. Die anderen Modelle sehen den Anstieg der
Feuchte (wenn sie ihn überhaupt sehen) nicht so deutlich, allerdings simulieren
alle deutschen Modelle wie auch GFS und EZMW eine Zunahme der Vertikalbewegung
von Südwesten her. Somit kommt es spätestens in der Nacht, dann wohl aus den
Alpen und der Schweiz heraus, zu teils schweren Gewittern im Süden, wenn es
nicht schon am Tage zur Auslösung gekommen sein sollt (s. o.). Die von den
deterministischen Läufen simulierten 12-stündigen Regenmengen von knapp unter
(GFS, EZMW) oder knapp über (ICON) 10 mm dürften mit den zu erwartenden
konvektiven Spitzen wohl wenig zu tun haben. Interessant ist auch, dass die
deterministischen Läufe die Niederschlagsschwerpunkte leicht von den Alpen
abgesetzt sehen, die Ensembles jedoch (EZMW 00 UTC, COSMO-LEPS 00 UTC) bei den
Wahrscheinlichkeiten für mehr als 25 mm in 12 Stunden direkt an den die höchsten
Wahrscheinlichkeiten sehen. Während im Süden die Entwicklung also eine gewisse
Spannung bietet, ist es ansonsten sehr sicher wechselnd bis stark bewölkt,
ausgangs der Nacht im Westen auch gering bewölkt, mit - auch schauerartigen -
Regenfällen, bei denen Gewitter insgesamt unwahrscheinlich sind. Im Westen sind
zum Morgen ein paar Nebelfelder möglich.

Sonntag ... kommt der westeuropäische Trog weiter nach Osten voran, er erreicht
den Westen Deutschlands, bis zum Abend liegt seine Achse etwa auf einer Linie
Kiel - Klingenthal, bis zum Montagmorgen hat sie Deutschland komplett überquert.
Die Front über Süddeutschland kommt rückseitig der kleinen Welle weiter nach
Südosten voran und liegt um die Mittagszeit etwa auf der Linie Bodensee -
Lausitz, am Abend bzw. in der Nacht zu Montag soll sie dann die Alpen erreicht
haben. Dabei läuft die Verlagerung laut COSMO-EU schneller ab als laut ICON,
wobei letzteres Modell wieder gut mit dem (alten) EZMW-Lauf übereinstimmt. Die
Front trennt dabei weiterhin die kühlere Luft im Norden von der potentiell
instabilen warmen Luft im Süden. Südlich der Front muss schon am Morgen, wohl
aus der Nacht heraus, mit kräftigen Starkregen-Schauern und Gewittern gerechnet
werden. Auch wenn die deutschen Modelle recht einheitlich die höchsten, über
1000 J/kg liegenden CAPE-Werte jetzt östlich von Deutschland simulieren, so
reicht es doch noch für starke, vereinzelt auch für schwere Gewitter. Hierauf
deuten die weiterhin sehr hohen PPW-Werte hin, die laut COSMO-EU auch am Mittag
im Süden noch verbreitet über 30 kg/m2 liegen. Weiterhin kann es im Zusammenhang
mit den Gewittern aufgrund des kräftigen Oberwindes auch stürmische Böen oder
Sturmböen geben. Im Norden kommt die nachfolgende Kaltluft am Tage bis in den
Nordwesten, in der Nacht bis in die Mitte voran, in ihrem Bereich deutet die
hohe relative Feuchte noch viele Wolken und auch Schauer und einzelne Gewitter
an, die aber von einem deutlich lausigere Kaliber sein werden als diejenigen im
Süden und kein Unwetterpotential besitzen. Das liegt auch daran, dass die
einfließende Luft deutlich kälter ist als die ursprüngliche Luftmasse, zum
Morgen des Montags liegen die 850er Temperaturen an der Ems nur noch um etwa 5
Grad, und auch im Süden kann man 2stellige Werte nur noch unmittelbar an den
Alpen finden.

Montag ... bleibt Deutschland im Einflussbereich des nordatlantischen
Langwellentroges, dessen Kern weiterhin fast ortsfest ist. Während sich im
Geopotentialfeld, vor allem in der Nacht zu Dienstag, eine neue Austrogung über
Deutschland andeutet, so dass zum Dienstagmorgen eine Trogachse vom Stettiner
Haff in Richtung Böhmisches Becken weist. Im Bodendruckfeld sind ebenfalls keine
durchgreifenden Änderungen zu erwarten, das Azorenhoch richtet einen Keil zu den
Alpen, auf dessen Nordflanke Deutschland unter schwachen Luftdruckgegensätzen
liegt. Unterhalb des Troges und auf der Nordostflanke des Rückens gelangt von
Westen weiterhin erwärmte Meeresluft subpolaren Ursprungs zu uns, was auch
bedeutet, dass uns das moderate bzw. maue Temperaturniveau des Vortages erhalten
bleibt. Erneut ist mit Schauern und vorzugweise schwachen bis mäßigen Gewittern
zu rechnen, deren genaue Lage sich heute kaum abschätzen lässt. Allenfalls die
Feuchtefelder deuten an, dass es am Tage in der Mitte und Richtung Osten
freundlich, in der Nacht dann im Nordwesten klar werden könnte.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren bis in den morgigen Nachmittag hinein recht einheitlich,
dann laufen sie speziell bezüglich der Gewitter im Süden Deutschlands recht
deutlich auseinander, was natürlich auch Prognoseschwierigkeiten für die
Folgetage nach sich zieht. Die Unterschiede wurden dabei im Text angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas