DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-07-2016 21:00
SXEU31 DWAV 231800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 23.07.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Weiterhin Gewitter, besonders in der Mitte und im Süden. Unwettergefahr durch
(extremen) Starkregen, teils auch durch Hagel.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland unter einem gradientschwachen
Potenzialfeld, an dem sich bis Sonntagfrüh nicht allzu viel ändert. Nicht
wesentlich anders sieht es im Bodendruckfeld aus, wo man die Isobaren bei uns
ebenfalls mit der Lupe suchen muss. Dabei hält sich in weiten Teilen des Landes
nach wie vor feuchte (Tds 16 bis 21°C) und vor allem in der Südhälfte potenziell
instabil geschichtete Warmluft mit den höchsten CAPE-Werten von z.T. über 1000
J/kg in großen Teilen Bayerns. Im NO lagert hingegen weiterhin die aus dem
fennoskandischen Hoch ausgeflossene trockene und stabile Luft (Tds teils unter
10°C) - ursprünglich handelt es sich um kontinentale Luft subpolaren Ursprungs,
die durch Einstrahlung und Absinken mittlerweile aber zu einer kontinentalen
Warmluft mutiert ist, die sich über Norddeutschland etwas nach Westen hin
ausgebreitet hat.
So verwundert es nicht, dass sich die Gewitteraktivität aktuell auf den Süden
und Teile der Mitte beschränkt, wo sich am Nachmittag die meisten Zellen aus dem
Bergland heraus entwickelten. Bei PPWs über 30 mm, z.T. um 40 mm, und geringer
bis keiner Zuggeschwindigkeit der Gewitter stand und steht (lokal extremer)
Starkregen ganz oben auf der Agenda der begleitenden Parameter, gefolgt von
Hagel um 2-3 cm (vor allem im S und SO) bzw. Hagelansammlungen und zuletzt -
aber nicht ausgeschlossen (siehe gestern) - Sturm. Insgesamt muss man aber
konstatieren, dass sich die Gewitterei bezogen auf die flächige Ausdehnung in
Grenzen gehalten, örtlich freilich aber ordentlich zugeschlagen hat.
In der Nacht zum Samstag besteht die Hoffnung auf eine allmähliche Abschwächung
der Gewitteraktivität, wenn nämlich die gewitterungünstige Tageszeit ins Spiel
kommt. Ganz zum Erliegen wird sie wohl aber nicht kommen bzw. gebietsweise
bleibt schauerartig verstärkter aber nicht unbedingt gewittriger und
warnwürdiger Regen übrig.
Zwei Regionen gilt es allerdings besonders auf dem Beobachtungsschirm zu
behalten. Da ist zum einen der mehrkernige Gewittercluster südlich der Donau,
dem durchaus noch eine längere Lebensdauer zuzutrauen ist, was u.a. von EURO4
und COSMO-EU auch so gesehen wird. Danach zieht das ganze System nord-
nordostwärts, wobei nach wie vor die Gefahr von (extremen) Starkregen, anfangs
teils auch durch Hagel besteht.
Aufmerksam verfolgen sollte man auch die Entwicklung im und um das Erzgebirge
herum bis hoch zur Lausitz, wo die Numerik ebenfalls noch stärkere nächtliche
Aktivitäten simuliert und ja auch aktuell (teils auf tschechischer Seite) einige
Gewitter unterwegs sind.
Randbemerkung: Bei längerem Aufklaren bildet sich das eine oder andere
Nebelfeld.

Sonntag ... ändert sich an der flauen Strömungskonfiguration nur wenig. Aus der
Höhe heraus sind weiterhin keine großen dynamischen Sprünge zu erwarten und auch
im Bodenniveau tut sich frontenmäßig kaum etwas. Bei der Luftmassenverteilung
verhält sich die Angelegenheit weiterhin so, dass die trockenste Luft im NO zu
finden ist, insgesamt gesehen aber das komplette nördliche Drittel (wenn man
Deutschland in drei Querscheiben zerteilen würde) recht stabil geschichtet ist.
Eine geringe Schauer-, weniger Gewitterneigung liegt im westlichen Niedersachsen
sowie im Bereich des Harzes vor.
Zur Mitte, vor allem aber nach Süden hin wird die Luftmasse feuchter und
instabiler mit den höchsten ML-CAPE-Werten im S und O Bayerns (gebietsweise um
oder etwas über 1000 J/kg). Auch die PPWs bleiben hoch, so dass sich nach einem
eher gemächlichen Beginn (gebietsweise Regen aus der Nacht heraus mit
vereinzelten Gewittern) zunächst mit Hilfe der Orografie, später auch diabatisch
örtliche Gewitterzellen entwickeln. Dabei besteht nach wie vor Unwettergefahr
durch (extremen) Starkregen, teils auch durch Hagel(-ansammlungen). Zudem können
einzelne Sturmböen im Spiel sein.
Die Tageshöchsttemperatur liegt zwischen 24 und 30°C, im Norden lokal auch etwas
darüber.

In der Nacht zum Montag nimmt die Gewitterneigung ab, besonders im Süden,
abgeschwächt auch in der Mitte fällt aber noch teils schauerartig verstärkter
Regen. Ob dieser Regen irgendwo warnwürdig sein wird (Starkregen), lässt sich
jetzt noch nicht abschließend beantworten. Wenn ja, dann wohl am ehesten in
Richtung Alpen.

Montag ... kommt ein wenig mehr Bewegung in die Wetterlage, ohne dass jetzt
gleich die ganz große Dynamik ausbricht. Immerhin schiebt sich ein mit mäßiger
Amplitude ausgestatteter Höhentrog von UK/Irland her bis zur Nordsee vor, so
dass der Norden und Westen vorderseitig unter eine etwas auffrischende
südwestliche Höhenströmung gelangen.
Dem Trog vorgeschaltet ist eine schwache Kaltfront, die zu einem vom Seegebiet
zwischen Island und Schottland zur Norwegische See ziehenden flachen Tief
gehört. Die Kaltfront greift im Tagesverlauf auf den NW des Landes über, von wo
aus sie in ihrem Nordteil leidlich nach Osten vorankommt, während sie nach Süden
zurückhängt. Dahinter strömt, oder besser sickert erwärmte Meeresluft subpolaren
Ursprungs ein, in der die Schauer- und Gewitterneigung eher gering ist.
Entscheidender ist allerdings, was präfrontal im nach wie vor gradientschwachen
Druckumfeld passiert. Zwar kristallisiert sich für den Nordosten eine schmale
Tiefdruckrinne heraus, was eigentlich gute Voraussetzungen für mögliche
konvektive Umlagerungen suggeriert, allerdings reagieren die Modelle
diesbezüglich eher verhalten. Der Grund dürfte darin liegen, dass die Luftmasse
dort immer noch zu trocken bzw. zu stabil geschichtet ist, auch wenn z.B.
COSMO-EU etwas CAPE simuliert. So sollte dort auch zu Wochenbeginn die Hoffnung
auf durchaus benötigten Regen nicht überbordend ausfallen, auch wenn freilich
noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.
Wahrscheinlicher jedenfalls sind Schauer und Gewitter in den übrigen Regionen,
insbesondere im Süden und Südosten sowie in Teilen der Mitte, auch wenn die
CAPE-Werte gegenüber dem Wochenende abnehmen. Das liegt u.a. daran, dass schon
recht früh Bewölkung im Spiel ist, die eine größere Energiezufuhr durch
Einstrahlung verhindern bzw. dämpfen. Feucht genug ist die Luftmasse aber
allemal noch mit über 30 mm PPW, so dass sich im Tagesverlauf wieder vermehrt
Gewitter bilden mit Unwettergefahr durch Starkregen, weniger vielleicht durch
Hagel und Hagelansammlungen. Organisierte Konvektion ist kaum zu erwarten, weil
die Scherungswerte sehr gering bleiben. Die Temperatur steigt auf 24 bis 29°C,
im NO auf 30°C oder etwas darüber.

Dienstag ... kommt die besagte Kaltfront noch etwas ost-südostwärts voran,
allerdings bleibt der größte Teil des Landes im präfrontalen Bereich. Nach ICON
von 12 UTC reicht die Front zum 12-UTC-Termin etwa vom Darß über den Harz bis
hinunter zur Mosel. Dabei wird sie im Norden vom o.e., sich abflachenden
Höhentrog überlaufen. Rückseitig breitet sich die subpolare, stabil geschichtete
Meeresluft in den W und NW aus, wobei die 850-hPa-Temperatur auf unter 10°C
zurückgeht. Leichter Druckanstieg sorgt dabei für weitgehend trockene und heiter
bis wolkige Verhältnisse.
Ansonsten kommt es in der gealterten, noch immer labil geschichteten Warmluft zu
Schauern und Gewittern, bei allerdings abnehmender Unwettergefahr. Die
Temperatur erreicht Höchstwerte von rund 22°C an der Nordsee und punktuell 30°C
im Süden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Wie so oft bei vergleichbaren Wetterlagen wird die großräumige Entwicklung recht
ähnlich simuliert, während es in den Details größere Diskrepanzen gibt. Dieser
Sachverhalt ist den Modellen freilich nur bedingt anzukreiden, nehmen doch die
Schwierigkeiten, die atmosphärischen Vorgänge bei fehlenden synoptischen
Strukturen zu beschreiben respektive vorherzusagen, merklich zu. Dass allerdings
ein mit hohen Ambitionen angetretenes Modell wie COSMO-DE im 12-UTC-Lauf nicht
in der Lage ist, für 15 oder auch 18 UTC die dort aufgetretenen zahlreichen
Gewitter mal so was von gar nicht auf dem Schirm zu haben, ist eigentlich
inakzeptabel.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann