DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-07-2016 09:00
SXEU31 DWAV 200800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 20.07.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HM (Hoch Mitteleuropa) mit Übergang zu HFz (Hoch Fennoskandien zyklonal)

Heute verbreitet sonnig und sehr warm bis heiß. Ab dem Abend von Westen Gewitter
mit Unwettergefahr! In den nächsten Tagen verbreitet schwülwarm und gewittrig,
dabei weiterhin Gefahr örtlicher Unwetter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... befindet sich Deutschland - zumindest tagsüber noch - unter dem
Einfluss eines Höhenrückens, der sich unter Verkürzung seiner Wellenlänge nur
langsam nach Osten verlagert. Ausgangs des Tages teilt seine Achse den
Vorhersageraum ungefähr in eine West- und Osthälfte. Damit gelangen die
westlichen Landesteile auf die Vorderseite eines recht breit angelegten
Höhentroges, auf der ein kurzwelliger Sekundärtrog via Frankreich auf uns
zusteuert.
Bevor es soweit ist, bekommen wir es heute zunächst noch mal mit einem
antizyklonal geprägten Hochsommertag zu tun, der gleichzeitig den vorläufigen
Höhepunkt des kurzen Hitzeintermezzos (das ja nicht überall aufgetreten ist)
darstellt. Zwar hat bereits jetzt schon Druckfall eingesetzt, so dass sich die
meridional exponierte Hochdruckzone allmählich ostwärts verlagert, gleichwohl
dominiert zunächst noch Absinken das Geschehen vor Ort. Zwischen der dem
abwandernden Bodenhoch und einer sich von Westen nähernden Tiefdruckrinne stellt
sich eine schwache östliche bis südöstliche Bodenströmung ein, mit der sehr
warme bis heiße aber auch noch relativ trockene, kontinental geprägte
Subtropikluft advehiert wird. Sie sorgt dafür, dass die letzten Wolkenfelder im
NO getilgt werden und es landesweit zu reichlich Einstrahlung kommt, wobei die
Temperatur auf Höchstwerte zwischen 25 und 30°C etwa nordöstlich der Elbe (an
Küstenabschnitten mit auflandigem Wind etwas weniger) und 30 bis 36°C in den
übrigen Landesteilen steigt. Am heißesten wird es wohl im Oberrheingraben incl.
Nebenflüssen, wo bei 850-hPa-Temperaturen bis zu 21°C lokal vielleicht sogar die
37°C gerissen wird. Allerdings könnten sich im W und SW später WLA-getriggerte
hohe Wolkenfelder leicht temperaturdämpfend auswirken, die starke Hitzebelastung
freilich verhindern sie nicht.

Interessant aus synoptischer Perspektive wird es eigentlich erst ab den
Abendstunden. Zwar wird die subtropische Luftmasse bereits tagsüber insbesondere
im W und SW stark labilisiert (ML-CAPE lokal bis zu 1500 J/kg), es liegt jedoch
ein derart schwerer Deckel in Form von CIN (vielfach dreistellig) vor, dass
konvektive Umlagerungen vor Passage der Rückenachse kaum vorstellbar sind. Erst
mit Übergreifen der Rinne sowie der damit verbundenen Anfeuchtung der unteren
Luftschichten (die Taupunkte steigen auf bis zu 20°C) sind in den Abendstunden
im W und NW erste Gewitter möglich, die möglicherweise aber auch von Benelux her
mit der auf SW drehenden Höhenströmung hereinlaufen. Dabei sind alle klassischen
Begleiterscheinungen wie Starkregen (PPW steigt auf über 30 mm), Hagel und
Sturmböen möglich, lokale Unwettergefahr inclusive.
Im Laufe der Nacht drohen dann der gesamten Westhälfte Gewitter, wenn sich nicht
nur der o.e. KW-Trog auf uns zubewegt, sondern auch eine in die Rinne
eingelagerte Konvergenz auf Deutschland übergreift. Besonders die am höchsten
aufgelösten Modelle wie COSMO-DE und WRF zeigen dabei die Ausbildung einer
Gewitterlinie/Squallline, die bis zum frühen Morgen bis in die mittleren
Landesteile vorankommt. Dabei besteht weiterhin lokale Unwettergefahr,
insbesondere hinsichtlich des Starkregens, da die PPW-Werte noch weiter zunehmen
(laut C-EU teils deutlich über 40 mm).

Donnerstag... läuft der KW-Trog in die Rückseite des weiter nach Osten
abwandernden Höhenrückens, wobei er zunehmend an Kontur verliert. Dabei fächert
der Potenzialgradient auf, so dass die ohnehin nicht gerade lebhafte
Höhenströmung weiter abnimmt. Entsprechend limitiert sind auch etwaige
dynamische Prozesse, was aber mitnichten heißt, dass wir es mit einem
ereignisarmen Donnerstag zu tun bekommen.
Zunächst mal läuft die Konvergenzlinie im Laufe des Vormittags weiter nach Osten
durch, wobei es zu weiteren Gewittern kommt mit lokaler Unwettergefahr. Es gibt
aber (synoptisch nachvollziehbare) Andeutungen, dass diese Gewitterlinie in die
klassische "vormittägliche Depression" hineinläuft, in der es zu einer
Abschwächung der Gewitteraktivität kommt. Die detaillierte Entwicklung hängt
nicht zuletzt auch vom genauen Verhalten des o.e. KW-Troges ab und wird wohl
erst ziemlich kurzfristig abschätzbar sein.
Fakt ist, dass große Teile Deutschlands um 12 UTC im Bereich der Tiefdruckrinne
liegen, deren westlicher Rand von einer wellenden Kaltfront markiert wird. Diese
Front tut sich schwer, nach Osten voranzukommen, wird sie doch von tiefem
Luftdruck über der Iberischen Halbinsel und dem westlichen Mittelmeer
zurückgehalten. Trotz fehlender Frontpassage hat es zuvor aber schon einen
Luftmassenwechsel in weiten Teilen des Landes gegeben. So wurde mit Durchgang
der Konvergenz die heiße, aber vielfach trockene Subtropikluft durch weniger
heiße, aber immer noch sehr warme und vor allem feuchte Subtropikluft ersetzt.
Einzig in den Nordosten gelangt mit östlichen Bodenwinden noch immer trockenere
und stabilere Warmluft, so dass dort die Gewitterneigung summa summarum eher
gering ist.
Anders die Situation im großen Rest des Landes, wo nach dem vermeintlich
vormittäglichen Minimum (was nicht heißt, dass dort keine Gewitter auftreten)
die konvektiven Umlagerungen wieder zunehmen. Als auslösendes Moment kommen
dabei sowohl die diabatische und orografische Komponente als auch die zum Teil
konfluenten Bodenwindstrukturen in Frage. Bei ML-CAPE von gebietsweise über 1000
J/kg sowie PPW-Werten über 30 mm, teils über 40 mm und gleichzeitig schwachen
Strömungsverhältnissen stehen größerer Hagel bzw. Hagelansammlungen und
Starkregen bis hin zu Unwettern ganz oben auf der Karte begleitender Parameter.

Die Temperatur erreicht meist "nur noch" Höchstwerte von 25 bis 30°C, im Süden
örtlich noch etwas darüber.

In der Nacht zum Freitag nimmt die Tiefdruckrinne eine zunehmend zonale
Ausrichtung an, wobei es in der Rinne zu weiteren Gewittern kommen kann. Der
Nordosten verbleibt in der trockeneren und stabileren Luftmasse, und auch im S
und W deutet sich eine vorübergehende Beruhigung an, weil zum Tagesgang noch ein
von Frankreich übergreifender KW-Rücken für Stabilisierung sorgt.

Freitag... überquert besagter KW-Rücken den Vorhersageraum ost-nordostwärts und
wir gelangen erneut auf die Vorderseite des mittlerweile bis nach Frankreich
vorgepreschten und gegenüber den Vortagen deutlich ausgeprägteren Höhentroges.
Trotz trogvorderseitiger Exposition sind nach wie vor keine nennenswerten
dynamischen Hebungsprozesse zu erwarten, weil die Höhenströmung nur schwach
ausgeprägt ist.
So richtet sich unser Blick auf die untere Troposphäre, wo die Druckverteilung
zunehmend amorphe Strukturen annimmt, weil die Rinne als solche kaum noch
auszumachen ist. Auf der Südflanke eines Hochdruckgebietes über Nordeuropa
gelangt von Osten her mit einer zugegeben äußerst schwachen östlichen
Grundströmung nach wie vor trockenere und stabilere Warmluft insbesondere in den
Nordosten und Norden des Landes, die die in den übrigen Landesteilen präsente
feuchte und instabil geschichtete Warmluft etwas nach Westen zurückdrängt oder
sich mit ihr vermischt.
Tatsache ist, dass sich mit dem Tagesgang in der feuchten Warmluft weitgehend
unorganisiert (kaum Scherung) Gewitter entwickeln, die besonders in puncto
Starkregen, teils aber auch hinsichtlich Hagel respektive Hagelansammlungen bis
in den Unwetterbereich gehen. Die Temperatur steigt erneut auf 25 bis 30°C
abzüglich der Küstenabschnitte mit auflandigem Wind.

Modellvergleich und -einschätzung
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Dass wir sehenden Auges auf eine gewitterlastige Großwetterlage zusteuern, ist
ziemlich unstrittig. Einmal mehr fraglich sind allerdings die dazugehörigen
Details. Das geht schon am Abend und in der kommenden Nacht mit Annäherung der
Rinne bzw. der Konvergenz los. Das oben geschilderte Szenario stellt eine
Möglichkeit auf Basis konzeptioneller und gedanklich nachvollziehbarer Modelle
dar. Ob sich die Natur daran hält, wird man sehen. Die eben herausgegebene
Vorabinformation jedenfalls bildet in etwa die geschilderte Entwicklung ab.
Fragezeichen gibt es auch noch reichlich in Bezug auf den morgigen Tag bzw. die
Nachfolgetage. Gewitter ja, Unwetter ja, aber wo und mit welchem Timing? Hier
gilt es - Zitat aus der Frühkonferenz - von Tag zu Tag zu schauen. Dem ist nix
hinzuzufügen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann