DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

04-07-2016 11:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 04.07.2016 um 10.30 UTC



Insgesamt wechselhaft, ab dem Wochenende wärmer bzw. heißer, Andauer dieser
Phase noch sehr unsicher.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 11.07.2016


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Donnerstag verläuft
die Frontalzone nach W-NW-Lagenmuster vom mittleren Nordatlantik kommend bis zum
europäischen Kontinent. Ein eingelagerter flacher Rücken überquert Deutschland
von Westen her relativ zügig, wodurch der nach Süddeutschland gerichtete
Bodenkeil des Azorenhochs kurzzeitig gestützt wird. Dabei kann sich die tags
zuvor eingeflossene, im Süden allerdings nur bedingt ankommende maritime
Polarluft etwas erwärmen. Auf der Nordflanke des Keils bleibt das Wetter in
Norddeutschland allerdings leicht zyklonal geprägt, was u.a. einer im
Tagesverlauf durchschwenkenden Warmfront eines Tiefs unweit von Schottland
geschuldet ist.
Am Freitag folgt dem flachen Rücken schon der nächste Höhentrog, der Deutschland
unter Intensivierung ost-südostwärts passiert. Korrespondierend dazu überquert
uns die zur Wellenbildung neigende Kaltfront des erwähnten Tiefs von NW nach SO,
was weiten Teilen des Landes schauerartig verstärke und teils gewittrige
Regenfälle bringt. Inwieweit es im Süden präfrontal zur Ausbildung kräftigerer
Gewitter kommt, ist zur Zeit noch unsicher. Fakt ist, dass die postfrontal
einfließende subpolare Meeresluft nicht so kühl ist wie die am Mittwoch
einströmende Luftmasse; die 850-hPa-Temperatur bleibt oberhalb der 5°C-Marke.
Zum Wochenende hin nimmt der Hochdruckeinfluss von Westen her wieder zu, was
einem heranschwenkenden Höhenrücken geschuldet ist, der im Bodenniveau für
Druckanstieg sorgt. Dabei spaltet sich aus dem Azorenhochkeil eine eigenständige
Hochparzelle ab, die bis Sonntag zum östlichen Mitteleuropa wandert. Auf der
Westflanke nimmt die WLA zu, was vor allem niedertroposhärisch einen merklichen
Temperaturanstieg zur Folge hat. Am Sonntagmittag liegt Deutschland komplett
oberhalb 10°C in 850 hPa, im Süden sogar bei 15°C oder etwas darüber. Bis dahin
hat die Achse des Höhenrückens den Vorhersageraum bereits weitgehend ostwärts
überquert, so dass wir auf die Vorderseite eines breiten Troges über dem nahen
Ostatlantik unter eine relativ glatte südwestliche Höhenströmung gelangen.
Darunter formiert sich noch im Laufe des Sonntags über dem äußersten NW eine
Kaltfront, die am Montag aufgrund ihrer strömungsparallelen Exposition nur
schleppend und unter Schleifen südostwärts vorankommt. Da die Strömung etwas
aufsteilt, wird präfrontal sogar noch etwas wärmere Luft (T850 15 bis 19°C) in
den Süden und Südosten gesteuert (unter Zuhilfenahme von Absinken und
Leeeffekten von den Alpen her).
In der erweiterten Mittelfrist ab Dienstag vergrößert der Höhentrog seine
Amplitude unter gleichzeitiger Verkürzung der Wellenlänge, was die Verlagerung
des Troges nach Osten begünstigt. Vorderseitig steilt die Strömung weiter auf,
so dass die Kaltfront statt einer diagonalen SW-NO-Ausrichtung eine nahezu
komplett meridionale S-N-Exposition annimmt. Präfrontal wird nun noch wärmere
respektive heißere Luft in den Süden und Osten gelenkt (T850 gebietsweise 20°C
oder etwas darüber), bevor dann wahrscheinlich von Mittwoch zu Donnerstag die
endgültige Frontpassage erfolgt - mit Pauken und Trompeten in Form schwerer
Gewitter versteht sich. Die stehen allerdings auch schon am Dienstag, weniger am
Montag, auf dem Zettel, so der eben geschilderte Ablauf tatsächlich kommt. Dass
es daran berechtigte Zweifel gibt, zeigen die nächsten Kapitel.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Diese Zweifel fangen schon bei der reinen Konsistenzbetrachtung an. So zeigt der
heutige 00-UTC-Lauf des ECMF gegenüber gestern ein paar nicht unwichtige
Abweichungen, auch wenn die eingeschlagene grundlegende Entwicklung zunächst mal
weiterhin Bestand hat.
Ein erster, durchaus signifikanter Unterschied tritt schon am kommenden Freitag
auf, der im gestrigen 00-UTC-Lauf noch weitgehend antizyklonal behandelt wurde
(Teile Norddeutschlands ausgenommen), jetzt aber deutlich zyklonaler simuliert
wird. Zum Samstag hin nimmt die Konsistenz zwar wieder zu (zunehmender
Hochdruckeinfluss und Erwärmung), bevor am Sonntag das nächste Problem vor der
Tür steht - die besagte Kaltfront. Diese soll von Nordwesten her auf Deutschland
übergreifen, die Frage ist nur, wann und letztlich auch wie. Bereits gestern
wurde eine Verlangsamung gegenüber älteren Rechnungen beobachtet, nun wird noch
mal auf die Bremse getreten, so dass die endgültige Passage sogar erst in der
Wochenmitte erfolgt. Hier gilt es aber noch einige Fragezeichen zu tilgen.


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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Beim Vergleich mit anderen globalen Vorhersagemodellen fällt zunächst mal auf,
dass sowohl GFS als auch GEM das o.e. zyklonal geprägte Wetter am Freitag
weitgehend unterstützen, während ICON einen überwiegend trockenen,
hochdruckbeeinflussten Ablauf präferiert. Ob die Modelle möglicherweise den
Ausgang des am Abend zuvor stattfindenden Halbfinales zwischen Frankreich und
Deutschland jetzt schon kennen und in ihre Simulationen mit einfließen lassen,
ist dem Verfasser nicht bekannt.
Unstrittig ist, dass die Modelle für Samstag zunehmenden Hochdruckeinfluss bei
gleichzeitiger Erwärmung anbieten, bevor dann die Unsicherheiten hinsichtlich
der Kaltfrontpassage beginnen. Am Sonntag zeigen die Modelle unisono noch eine
sehr schleppende Verlagerung von NW her, bevor dann am Montag ICON aus der
Simulation aussteigt, GFS die Front bis fast an die Alpen vorankommen lässt und
GEM sowie ECMF diese weiter nördlich positionieren.
FAZIT: Die Anzeichen auf einen weitgehend zyklonal geprägten Freitag verdichten
sich. Die Kaltfrontpassage und eine mögliche vorherige kleine Hitzewelle in
Teilen des Landes ab dem Wochenende werfen noch einige dicke Fragezeichen auf.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Hoffnung, dass diese Fragezeichen bei Betrachtung der Ensembleprognosen
nennenswert kleiner werden, hält sich in Grenzen. Das wird einem schnell
bewusst, wenn man sich z.B. die ECMF-EPS Rauchfahnen einiger ausgewählter
deutscher Städte anschaut. Während sich bei Hamburg ein uneinheitliches Bild
ergibt, zeigen die meisten T850-Kurven von Berlin, Offenbach und Stuttgart eine
ein- bis eineinhalb Tage frühere Kaltfrontpassage als der Haupt- und
Kontrolllauf. Ob es tatsächlich so kommt, ist trotzdem unsicher, womit wir beim
EPS von GFS wären. Dort zeigt zwar der Hauptlauf den Frontdurchgang am Montag
an, allerdings sind einige Mitglieder dabei, die die Abkühlung erst am Dienstag
oder Mittwoch sehen. Denkbar nach beiden EPS-Verfahren ist auch - wie oft bei
wellenden Fronten - ein Szenario, bei der die Front erst durchgeht (Abkühlung)
und dann noch mal durchgeht - von der anderen Seite (Erwärmung).
Bei den Clustern jedenfalls liegen für beide Zeiträume (T+120...168h und
T+192...240h) jeweils drei Datensätze vor, die sich nicht wesentlich in der Form
der großräumigen Potenzial- und Druckverteilung unterscheiden, wohl aber im
Timing.
FAZIT: Bis zum Wochenende kommt man noch einigermaßen gut hin mit der Prognose,
danach wird es diffus (wobei über die Einzelheiten wie z.B. wann wo wie starke
Gewitter noch gar nicht gesprochen wurde).
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Während der Donnerstag wahrscheinlich ruhig verläuft, stehen am Freitag vor
allem im Norden und Osten GEWITTER auf der Karte, die maximal aber markant
ausfallen sollten. Auch im äußersten Süden sind lokale GEWITTER möglich, wobei
diese aufgrund des höheren Energiegehalts der dortigen Luftmasse im Extremfall
sogar unwetterartig ausfallen können.
Der Samstag läuft im Großen und Ganzen wahrscheinlich wieder ruhig ab, bevor ab
Sonntag die GEWITTERNEIGUNG wieder zunimmt (zuerst N, NW und äußerster Süden),
ohne aus den oben genannten Gründen auf Details einzugehen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-ECMF mit ECMF-EPS und Modellmix sowie einer Prise Bauchgefühl.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann