DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-06-2016 09:00
SXEU31 DWAV 270800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 27.06.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Überwiegend WW (Winkel West)

Wechselhaftes, aber nicht durchweg unfreundliches Wetter mit
Front-/Trogpassagen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... steht Deutschland kurz davor... (nein, nicht ins Halbfinale einzuziehen,
das dauert noch ein paar Tage), unter eine zonal konturierte Höhenströmung zu
gelangen. Zuvor muss aber erst noch der momentan über dem Vorhersageraum
befindlich Höhentrog nach Osten abziehen, was im Laufe des frühen Nachmittags
weitgehend erledigt sein sollte. Im Schlepptau des Troges befindet sich ein sehr
flacher Rücken, der gerade dabei ist, auf die westlichen Landesteile
überzugreifen, sich im weiteren Verlauf aber nicht weiterentwickelt, da die ihn
stützende respektive fördernde WLA in den nächsten Stunden zum Erliegen kommt.
Gleichwohl nimmt die Bewölkung von der Nordsee und Benelux weiter zu, was der
Annäherung eines okkludierenden Frontensystems geschuldet ist, das zu einem
Tiefkomplex über Nordwesteuropa mit Schwerpunkt bei Island gehört. Die Okklusion
greift am Nachmittag auf den NW über, von wo aus sie nachfolgend ziemlich rasch
über die nördlichen Landesteile ostwärts schwenkt, während sie nach Süden hin
zurückhängt. Präfrontal setzt noch im Laufe des Vormittags im westlichen
Niedersachsen, etwas später auch am Niederrhein Regen, der bis heute Abend etwa
eine Linie Mecklenburger Bucht - Ostwestfalen - Saarland erreicht. Warnschwellen
werden dabei nicht erreicht, allerdings ist die rückseitig der Front
einfließende erwärmte Meeresluft etwas labiler geschichtet als die Luft davor,
so dass vereinzelte Gewitter oder auch nur ein paar wenige Blitze - vielleicht
auch schon an der Front - nicht ganz ausgeschlossen sind. Darüber hinaus frischt
der vorübergehend auf S-SW rückdrehende Wind an der Nordsee und im unmittelbar
angrenzenden Binnenland sowie später auch im Bereich der westlichen Ostsee auf
mit Böen bis 7 Bft, bevor mit postfrontaler Drehung auf West bereits wieder die
Abnahme erfolgt.
Im Südosten lassen die Regenfälle mit Abzug des Troges noch im Laufe des
Vormittags nach bzw. hören ganz auf. Übrig bleibt eine ziemlich feuchte und
leicht labil geschichtete Luftmasse, in der sich vom Alpenrand über Niederbayern
und die Oberpfalz bis hoch zur Lausitz mit Hilfe der Einstrahlung Schauer
entwickeln. Bei günstiger Interaktion mit dem scheidenden Höhentrog ist auch ein
Gewitter nicht ausgeschlossen, was von einigen Modellen zumindest angedeutet
wird. Wenn es soweit kommt, sollte Starkregen (um 15 mm/h) das primäre
Begleitelement sein, möglicherweise kommt man aber auch mit einer "gelben"
Warnung aus.
Zwischen den beiden genannten wetteraktiven Zonen gilt es noch kurz einen
diagonal von SW nach NO (von BW bis hoch nach MV) verlaufenden Streifen zu
erwähnen, in dem leichter Zwischenhocheinfluss in Form eines Azorenhochkeils mit
heiter bis wolkigem und meist trockenem Wetter wirksam ist. Die Temperatur
steigt auf 20 bis 25°C, im höheren Bergland sowie im äußersten NW etwas
darunter.

In der Nacht zu Dienstag schwenkt die Okklusion mit Kaltfrontcharakter rasch
über die Nordhälfte ostwärts, während sie nach Süden hin zurückhängt und sich
schwertut, die Mittelgebirgsschwelle südwärts zu passieren. Im Frontbereich
sowie mit Unterstützung eines in der westlichen Höhenströmung nach Osten
ablaufenden flachen Sekundärtroges auch etwas dahinter kommt es zu weiteren,
teils schauerartigen Regenfällen überwiegend geringer Intensität. Vor allem nach
Norden hin besteht dabei nach wie vor eine leichte Gewitterneigung.
Im Süden verläuft die Nacht im Bereich des etwas schwächelnden Azorenhochkeils
ruhig mit nur wenigen Nebelfeldern.

Dienstag... kommt es über UK/Irland und der Biscaya zu einer Austrogung, was bei
uns ein leichtes Rückdrehen der Höhenströmung auf SW zur Folge hat. Dabei
überquert ein flacher Kurzwellenrücken den Vorhersageraum nordostwärts, der
nicht nur die letzten Schauer aus dem O und NO aus dem Land treibt, sondern auch
sonst für leichten Zwischenhocheinfluss sorgt. In den mittleren Landesteilen
lassen sich in zonaler Exposition aber noch Reste der o.e. Luftmassengrenze
finden, die die frisch in die nördlichen Landesteile eingeflossene erwärmte
Meeresluft (T850 um 5°C) von der gealterten Mischluft (T850 um 10°C) im Süden
trennt.
Wettertechnisch lässt sich Deutschland in drei Zonen aufteilen: einem wechselnd
bewölkten Nordbereich mit wenigen Schauern und Maximumtemperaturen um, im
Binnenland auch etwas über 20°C. Über der Mitte schließt sich ein bis nach
Süddeutschland reichender Streifen mit stärkerer Bewölkung (aber auch einigen
Lücken) an, aus denen hier und da auch noch ein paar Tropfen fallen können bei
komfortablen Tmax von 19 bis 25°C. Ausgelöst durch am Nachmittag von Westen
einsetzende WLA - hier kündigt sich das nächste Frontensystem an - nimmt die
Bewölkung später allgemein zu. Bliebe noch ein (präfrontaler) Streifen zu
erwähnen, der etwa südlich der Donau anzusiedeln ist, in dem sich häufig die
Sonne zeigt und die Temperatur auf 23 bis 26°C, lokal vielleicht bis zu 27°C
steigt.

In der Nacht zum Mittwoch zieht ein kleines Randtief, das am Mittag noch dicht
bei Irland gelegen hat, zur Doggerbank (westliche Nordsee), während der
korrespondierende KW-Trog in der Höhe via Nordsee auf Norddeutschland zusteuert.
Auch das zugehörige, o.e. Frontensystem nähert sich dem Vorhersageraum und
dürfte in den frühen Morgenstunden auf die westlichen Landesteile übergreifen
bzw. Teile des Nordwestens vielleicht schon überquert haben. Rasch nach NO
abziehende WLA in Verbindung mit trogvorderseitiger PVA (ausgeprägter
diffluenter Ausgang) sorgen für ausreichend Hebung, die im Norden sowie in
Teilen der Mitte in stratiforme, später aber zunehmend konvektiv durchsetzte
Niederschläge münden. Zwar deuten sich nach jetzigem Stand in der Fläche keine
signifikanten oder etwa warnwürdigen Regenmengen an, gleichwohl sind in
schauerartigen Verstärkungen oder Gewittern lokale Starkregenereignisse (PPWs
bis
30 mm, teils darüber) möglich.
Apropros Gewitter, zwar hält sich die Labilität der gehobenen Luftmasse in
Grenzen, auf der anderen Seite liegen aber günstige Scherungsbedingungen vor
(hohe Geschwindigkeitsscherung, unten starke Richtungsscherung von SO auf SW),
die die Wahrscheinlichkeit organisierter Konvektion deutlich ansteigen lässt.
Evtl. bildet sich im NW eine Squallline aus, in der bei 850-hPa-Winden von bis
zu 40 Kt und einem überlagerten Jet dann auch Sturmböen auftreten können. Bei
zunehmend sinkendem HKN und den genannten Scherungsbedingungen wären sogar die
Bedingungen für einen Tornado gegeben, ohne an dieser Stelle den Teufel an die
Wand malen zu wollen. Unabhängig davon frischt der vorübergehend auf SO-S
rückdrehende, später wieder auf SW drehende Wind an der Nordsee sowie in einigen
Hochlagen (Westen, Norden) böig auf mit Spitzen 7 Bft, exponierte Höhenlagen
auch darüber.
Die südlichen Landesteile bleiben von den geschilderten Prozessen unbeleckt,
dort steht eine ruhige Nacht auf der Karte.

Mittwoch... zieht der KW-Trog über den NO in Richtung Ostsee ab und es stellt
sich eine relativ flotte und glatt konturierte west-südwestliche Höhenströmung
ein. Das erwähnte Randtief zieht in Richtung südnorwegische Küste, wodurch die
Okklusion bzw. Kaltfront über Norddeutschland rasch ostwärts schwenkt. Vor allem
am Vormittag kommt es im Norden und Nordosten, partiell auch noch in der Mitte
zu teils schauerartigen Regenfällen und Gewittern, die aber mehr und mehr
nordostwärts abziehen. Besonders im NO sind dabei anfangs auch noch organisierte
Strukturen (linienartig) möglich (Sturmböen, aber auch Starkregen), bevor die
Wahrscheinlichkeit dafür - bei allgemein abnehmender Gewitterneigung - immer
geringer wird. Abgesetzt von der Konvektion weht mit Ausnahme des Südostens ein
mäßiger bis frischer SW-Wind mit Böen 7 Bft, in exponierten Kamm- und
Gipfellagen 8 Bft.
Im Süden und Südosten sorgt leichter Hochdruckeinfluss für reichlich
Sonnenschein, der die mittlerweile auch niedertroposphärisch wieder wärmere Luft
(südlich der Donau bis zu 15°C in 850 hPa nach ICON) auf 25 bis 28°C, lokal
vielleicht nahe 30°C erwärmt. Ob es aus Alpen heraus schon für einzelne Gewitter
reicht, wie von einigen Modellen vorsichtig angedeutet wird, ist derzeit noch
fraglich.


Modellvergleich und -einschätzung
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Wie so oft werden die großräumigen Basisfelder von den diversen Modellen sehr
ähnlich simuliert. Abweichungen ergeben sich eher im Detail, vor allem bei
konvektiven Prozessen. Ob es heute Mittag/Nachmittag im äußersten Osten und
Südosten für ein Gewitter reicht, hängt am seidenen Faden.
Interessant wird die Entwicklung in der Nacht zum Mittwoch sowie am
Mittwochvormittag, vor allem von der dynamischen Seite her. Wenn auch noch
einige Fragezeichen über der ganzen Angelegenheit schweben, lässt sich doch
allgemein konstatieren, dass die "ungünstige" Tageszeit sowie die Qualität der
beteiligten Luftmasse (limitierte Labilität) mögliche stärkere konvektive
Prozesse verhindern nach dem Motto "starker Motor, schwacher Treibstoff". We
will see...

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann