DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-06-2016 11:00
SXEU31 DWAV 250800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 25.06.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
"Süd zyklonal", morgen Übergang zu "Trog Mitteleuropa"

Im Süden, Osten und Norden heute hohes Unwetterpotenzial durch schwere Gewitter,
mit großem Hagel, heftigem Starkregen und orkanartigen Böen. Morgen
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Aktuell... liegt Deutschland vorderseitig eines Troges, dessen Achse
Westfrankreich erreicht hat, über Großbritannien liegt ein abgeschlossener
Höhentiefkern. In Osteuropa ist ein breiter Höhenrücken wetterwirksam, der auch
ein Bodenhoch stützt. Der tiefste Luftdruck ist derzeit über dem Osten
Deutschlands auszumachen (Konvergenz in der Analyse), wo auch die Grenze zur
wärmsten und vor allem feuchtesten Luftmasse (hohe Taupunkte über 20 Grad)
liegt. Nach Westen zu ist die Luftmasse schon etwas weniger warm, allerdings
feucht und instabil. Über dem Westen Deutschlands sowie über Frankreich sind
dann noch zwei Kaltfronten, auf deren Rückseiten sukzessive kühlere Luftmassen
einfließen. Auf der Vorderseite der ersten (leicht wellenden) Kaltfront liegt am
Vormittag ein Band von Gewittern, das durch leichte Vorticityadvektion auf der
Trogvorderseite (möglicherweise auch durch einen schwer auszumachenden nordwärts
laufenden Kurzwellentrog) am Leben gehalten wird. Tagesgangsbedingt sollte hier
aber die Unwettergefahr zunächst nachlassen und auch die Gewittertätigkeit
insgesamt etwas nachlassen.
Im Osten und Südosten Deutschlands gibt es heute wieder kräftige
Sonneneinstrahlung, dementsprechend sind für diese Regionen auch noch einmal
Warnungen vor Wärmebelastung - nicht zuletzt auch wegen der hohen Taupunkte - in
Kraft. Im Osten werden gefühlte Temperaturen über 38 Grad erwartet. Zudem muss
im Osten mit länger anhaltender Sonneneinstrahlung mit hohen UV-Werten gerechnet
werden, da derzeit die stratosphärische Ozonkonzentration verringert ist. Dank
der Einstrahlung baut sich im Osten und Süden bei mäßigem vertikalen
Temperaturgradienten aber sehr hoher Grenzschichtfeuchte wieder eine
energiegeladene Atmosphäre auf, wobei vor allem im Nordosten CAPE-Werte von über
2000 J/kg simuliert werden. Zudem liegt das niederschlagbare Wasser vielfach bei
35 bis 45 l/qm. Bezüglich der Gewitterauslösung besteht angesichts von
Bodenkonvergenzen, Vorticityadvektion durch den ostwärts rückenden Trog, der
herannahenden Kaltfront, usw. keine Frage. Der Trog ist aber noch weit genug
weg, so dass die Scherung im Osten und Süden nur mäßig ausfällt. Somit ist die
Gefahr von Superzellen dort geringer und es werden eher Multizellencluster
erwartet. Eine Ausnahme bildet die Region westlich des sich verstärkenden
Bodentiefs über Nordostdeutschland (also vor allem Niedersachsen, Holstein), wo
starke Richtungsscherung auch in unteren Schichten vorhanden ist, was bei
niedrigem Kondensationsniveau auch die Gefahr von Tornados verstärkt. Vor allem
Cosmo-EU zeigt teils erhöhte Werte (über 400 m^2/s^2) bei der SRH. Ansonsten
besteht vor allem die Gefahr großen Hagels (5 cm möglich) und dank der hohen
Feuchte auch exorbitanter Niederschlagsmengen im extremen Unwetterbereich.
Aufgrund der feuchten Grenzschicht ist die Gefahr unwetterartiger Fallböen
gedämpft, so dass wir hier wahrscheinlich im Bereich schwerer Sturmböen bleiben,
bei guter Gewitterorganisation sind aber auch orkanartige Böen denkbar. Nach
Westen zu, im Bereich der kaum ostwärts vorankommenden Kaltfront, vom Südwesten
bis zum Norden, bilden sich bei reichlicher Bewölkung keine starken vertikalen
Temperaturgradienten mehr aus, was trotz der immer noch vorhandenen hohen
Grenzschichtfeuchte keine hohen CAPE-Werte mehr zur Folge hat. Allerdings ist
durch den herannahenden Trog Vorticityadvektion gegeben und Scherung ist
vorhanden, so dass auch dort wieder Multizellencluster entstehen können, die
allerdings mangels Energie bezüglich des Hagels und der Böen nur noch
verminderte Gefahr aufweisen werden. Für Starkregen bis in den Unwetterbereich
reicht es aber allemal noch, was auch das Cosmo-DE-EPS simuliert, wo die
Schwerpunkte über Baden-Württemberg und dem Norden gesehen werden. Ganz im
Nordwesten und Westen (von Westniedersachsen bis zur Eifel) ist die Luft
weitgehend raus, dort bleibt es heute mit Höchstwerten um 20 Grad schon recht
frisch und dort werden allenfalls noch markante Gewitter mit Starkregen
erwartet.

Im Laufe der Nacht zum Sonntag erreicht das Höhentief die westliche Nordsee,
über Deutschland kommt es dann generell zu starker PVA und Potenzialverlust. Bis
zur zweiten Nachthälfte überquert die erste Kaltfront Deutschland komplett,
dahinter steigt der Bodendruck deutlich an. Die zweite Kaltfront wird zunehmend
diffuser. Die stärkste Gewitteraktivität wird zunehmend auf den Alpenrand und in
den äußersten Osten und Nordosten gedrängt, wobei im Laufe der Nacht die
höchsten CAPE-Werte in den Osten abgedrängt werden, so dass die Gewitter
schwächer werden. Unwettergefahr besteht in der Nacht zunehmend nur noch durch
Starkregen, hierbei aber vor allem in der ersten Nachthälfte noch bis in den
extremen Bereich, was so von Cosmo-DE-EPS recht eindrucksvoll simuliert wird. Im
Westen lassen die Schauer in der zunehmend trockeneren Luft nach und die Wolken
lockern gebietsweise auf.


Sonntag... verlagert sich das Höhentief in die Deutsche Bucht, die Achse des
Troges erreicht am Abend die Westhälfte des Landes. Ein Keil des Azorenhochs
liegt über dem Süden Deutschlands, so dass landesweit mit mäßigem bis frischem
Wind feuchte und mäßig warme Luft advehiert wird. Dabei sinkt die
850-hPa-Temperatur im Nordwesten bis auf +5 Grad. Da das Höhentief mit Kaltluft
angefüllt ist, labilisiert sich die Luftmasse im Westen wieder. Die
Vorticityadvektion an der Vorderseite wird voraussichtlich durch KLA
überkompensiert, so dass eher etwas Absinken als Hebung resultiert. Somit kann
es bei wechselnd wolkigem Himmel teils auch länger sonnig werden, wobei sich ein
Temperaturniveau zwischen 20 und 24 Grad einstellt. Im Süden kann es an der
Grenze zur vielleicht noch nicht komplett ausgeräumten Warmluft noch etwas
regnen (hier überwiegt PVA gegenüber KLA), in den Alpen kann es vor allem Nach
EURO4 noch gewittern. Im Westen soll es im Tagesverlauf in der Höhenkaltluft
ebenso zu Gewittern kommen, diese sollten aber angesichts der Luftmasse und
Windverhältnisse allenfalls bezüglich des Starkregens noch markant werden, wobei
hier EURO4 wohl wieder maßlos übertreibt.
In der Nacht zum Montag wird das Höhentief in einen Kurzwellentrog eines
Trogkomplexes über dem Nordatlantik umgewandelt und rasch über Deutschland
hinweg ostwärts gesteuert. Dabei wird die Höhenkaltluft zunehmend abgebaut. Auf
der Vorderseite des Kurzwellentroges soll sich durch PVA ein Niederschlagsgebiet
bilden, das den Südosten Deutschlands beeinflussen dürfte. Im Nordwesten sorgt
kräftige WLA auf der Rückseite des Troges für mehrschichtige Bewölkung und etwas
Regen. Dazwischen dürfte die Nacht ruhig und gering bewölkt verlaufen. Da der
Wind vor allem Richtung Süden recht schwach ausfällt, ist in der feuchte Luft
Nebel durchaus ein Thema - trotz der kurzen Ausstrahlungszeit.


Montag... liegt Deutschland zwischen hohem Potenzial im Südwesten Europas und
niedrigem über dem Nordatlantik in einer westlichen Höhenströmung. Im Bodenfeld
bleibt uns der Azorenhochkeil erhalten, über dem Nordmeer vor Norwegen sowie
über Island liegen Tiefs. Die Okklusion des letzteren überquert im Verlauf des
Tages und der Nacht zum Dienstag Deutschland südostwärts, wobei sie sich wohl
über dem Süden (zunehmend mit Kaltfrontcharakter) auflöst. Tagsüber fließt in
den Süden und Osten vorderseitig der Okklusion wieder etwas wärmere Luft, dort
stellt sich freundlich-warmes Sommerwetter ein. In der Nacht ziehen dort dann
Wolken mit etwas Regen auf. Im Norden und Westen ist es tagsüber dagegen bewölkt
und kühler mit etwas Regen, in der Nacht gibt es dort dann mehr
Wolkenauflockerungen, rückseitig der Okklusion in leicht labil simulierter Luft
noch einzelne Schauer.

Modellvergleich und -einschätzung
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Auf der synoptischen Skala unterscheiden sich die vorliegenden Modelle nur
wenig. Somit ist eine ungefähre Abgrenzung der stärksten Gewitteraktivität
durchaus gut möglich. Im Detail unterscheiden sich sowohl die hochaufgelösten
als auch die Globalmodelle mitunter, hier werden wir im Nowcasting zu
Erkenntnissen kommen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Peter Hartmann