DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-11-2018 18:01
SXEU31 DWAV 171800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 17.11.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Hochrandlage mit frostiger Nacht zum Sonntag. Dann von Nordosten her feuchtere
Ostseeluft, an der Ostsee merklich auffrischender Nordostwind.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... fällt der Luftdruck in Deutschland zwar gebietsweise, gleichwohl
sind wir von Tiefdruckeinfluss noch - im wahrsten Sinne des Wortes - meilenweit
entfernt. Bis auf ein paar zähe Reste hochnebelartiger Bewölkung zwischen Harz
und Thüringer Becken präsentierte sich der Himmel heute Nachmittag über dem
Vorhersagegebiet blitzeblank. Trockene Kaltluft von Osten und leicht auflebender
Ostwind (= gute Durchmischung) entpuppten sich als substanzielle Feinde von
Nebel und Hochnebel, so dass man sich mit Ausnahme der oben genannten Gebiete
(dort am frühen Nachmittag übrigens nur 0°C) über einen sonnigen Novembertag
freuen konnte.
Schön und gut, wird jetzt mancher zu Recht einwerfen, und was hat es nun mit dem
eingangs erwähnten Druckfall auf sich. Ganz einfach, er hängt mit der
Verlagerung des wetterbstimmenden Hochs BURCKHARDT ("CK" in der Mitte UND "DT"
am Ende hat schon was) zusammen, das seinen Schwerpunkt aus der Region
Belorussland/Nordpolen nach Norwegen verschiebt, wo es am Ende des Tages mit
knapp über 1045 hPa über dem Norden des Landes thront. Gestützt wird das Hoch
weiterhin von einer abgeschlossenen Höhenantizyklone, die mittlerweile ihre
Zelte über der Nordsee und der Norwegischen See mit Schwerpunkt über Kap Svinöy
aufgeschlagen hat.
In der Nacht zum Sonntag dauert die Zufuhr trockener Kaltluft von Osten her an,
wobei der Wind nicht zuletzt tagesgangbedingt mit Ausnahme exponierter Hochlagen
etwas nachlässt. Nebel und Hochnebel sind kein großes Thema (allerdings Reste im
Thüringer Becken), einzig im äußersten Süden könnte es davon etwas mehr davon
geben, so zumindest die Lesart der meisten Modelle. In den Fokus rückt auch der
äußerste Nordosten, wo der Wind auf nördliche Richtungen dreht und die
rudimentären "Außenbestandteile" einer maskierten Kaltfront anlanden. Damit
gelangt etwas feuchtere Ostseeluft mit tiefer Bewölkung in den küstennahen
Bereich, wo die Temperatur ähnlich wie auf den Nordseeinseln im leicht positiven
Bereich bleibt. Ansonsten geht es bergab auf dem Thermometer in Richtung Frost
bis zu -5°C, in einigen windgeschützten Lagen sowie gebietsweise im Osten sogar
in den mäßigen Frostbereich bis -7°C.

Sonntag ... bleibt das Höhenhoch nahezu stationär, während der korrespondierende
BURCKHARDT unter leichtem Substanzverlust seinen Schwerpunkt splittet. Der eine
Teil verbleibt mit etwas über 1040 hPa über Norwegen, der andere wird an die
finnischen Nachbarn im Osten abgegeben. Zur gleichen Zeit schleicht sich auf der
Ostabdachung des umfangreichen Höhenhochs ein Sekundärtrog über das östliche
Mitteleuropa nach Süden, wo er Kontakt zu einem über der nördlichen Adria
herumeiernden Höhentief aufnimmt. Dieses kleine Höhentief fungiert quasi als
"Scharnier" zwischen dem besagten Randtrog und einem weiteren Potenzialminimum,
das sich - gespickt mit mehreren Drehzentren - über das westliche Mittelmeer bis
zur Biscaya respektive zum Seegebiet westlich der Iberischen Halbinsel
erstreckt. Nimmt man jetzt noch den inzwischen abgetropften Trog über dem
mittleren Nordatlantik dazu, dann ist das o.e. Höhenhoch von reichlich
zyklonaler Potenzialprominenz umzingelt, was dem Hoch aber offensichtlich
schmeichelt und es keinesfalls zu etwaigen Rückzugsgefechten oder irgendwelcher
Duckmäuserei animiert.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich ein Großteil des Landes
auch morgen über reichlich Sonnenschein freuen kann. Allerding lässt es sich
nicht verhindern, dass die tiefen Wolken aus dem Ostseeküstenbereich
kontinuierlich Boden nach Süden bzw. Südwesten hin gut macht, sie dürfte bis zum
Abend etwa eine Linie Münsterland-Thüringer Wald-Erzgebirge erreichen. Da
ST-/SC-Bewölkung nicht besonders hoch reicht (etwa 900 hPa oder geringfügig
darüber) und zudem jedweder dynamischer Hebungsantrieb fehlt, bleibt es unter
der Wolkendecke abgesehen von vereinzelt etwas Nieselregen meist trocken.
Etwas gedämpft könnte es sonnentechnisch auch im (äußersten) Süden zugehen, wo
sich zum einen ein paar zähe Hochnebelfelder halten können (so sie sich in der
Nacht bilden) und zum anderen im Tagesverlauf von Osten her einige hohe und
mittelhohe Wolken auflaufen. So oder so, im Zuge andauernder KLA (die
850-hPa-Werte sinken von -1 bis +4°C am Morgen auf -5 bis +2°C am Abend, wobei
es im Osten und Süden am kältesten wird) erreicht die Temperatur nur noch
Höchstwerte von 1 bis 8°C, einzig in Grönemeyers "tiefen Westen" könnte es neben
der einen oder anderen Frittenbude (die besten gibt es übrigens in Moers) für
knapp 10°C reichen.
Ach ja, fast vergessen, der Wind. Aus Nord bis Nordost kommend nimmt er im Laufe
des Tages im Zuge eines sukzessive aufweichenden Gradienten gegen den Tagesgang
eher ab, zumindest aber nicht nennenswert zu. Einzige Ausnahme ist die Ostsee,
wo der Wind auf der unmittelbaren Südostflanke des Hochs an Mobilität zulegt und
an der vorpommerschen Küste bereits am Vormittag, an den restlichen
Küstenabschnitten im Laufe des Nachmitttags und Abends in Böen Stärke 7 Bft,
später exponiert (z.B. Rügen, Darß) 8 Bft erreicht.

In der Nacht zum Montag dauert die Zufuhr kalter und feuchter Luftmassen weiter
an, bis zum frühen Morgen sinkt die 850-hPa-Temperatur auf Werte zwischen -1°C
an der Grenze zu unseren belgischen und niederländischen Nachbarn und bis zu
-8°C in Brandenburg. Die tiefe Bewölkung aus dem Nordosten überquert die
zentrale Mittelgebirgsschwelle trotz limitierter vertikaler Mächtigkeit
südwärts, nur in Teilen Bayerns und BWs bleibt es noch gering bewölkt oder klar.
Vor allem dort, aber zuvor auch schon in Teilen der Mitte kühlt es bis in den
leichten, an den Alpen sowie im Schwarzwald und im Bayerischen Wald punktuell in
den mäßigen Frostbereich ab.
Zwar sind immer noch keine nennenswerten dynamischen Hebungsimpulse aus den
Potenzialfeldern ableitbar, tendenziell wird die nordöstliche Höhenströmung aber
immer zyklonaler, was das mögliche Durchschleusen sehr flacher Sekundär- und
Tertiärtröge nach Südwesten wahrscheinlicher macht. Hinzu kommt die Tatsache,
dass die feuchte Luftmasse an den orografischen Hindernissen namens
Mittelgebirge physisch gezwungen wird aufzusteigen. So verwundert es nicht, dass
die Wolkenobergrenze auf etwa 800 bis 750 hPa ansteigt. Auch damit lässt sich
noch nicht das ganz große Niederschlagsfeuerwerk abbrennen, es reicht aber,
etwas Regen, vor allem aber Nieselregen zu generieren. Im Harz, in den zentralen
und den fränkischen Mittelgebirgen sowie später auch an den Alpen fällt oberhalb
400 bis 600 m etwas Schnee oder Schneegriesel, entsprechende Glätte(warnungen)
inclusive. Nicht ganz auszuschließen, dass in der Mitte vereinzelt und
kurzzeitig auch mal geringfügig gefrierender Nieselregen (die feuchte
Grundschicht kühlt nicht weiter als -10°C ab => supercooled droplets möglich)
auftritt. Allerdings ist der Boden nicht tief gefroren, außerdem sorgt
Gegenstrahlung für eine allmähliche Erwärmung, so dass von einer substanziellen
Glättesituation nicht auszugehen ist. Darüber hinaus sollte man sich nicht
wundern, wenn sich ein paar Schneeflocken unter die anvisierte 400m-Marke
verirren, auch wenn die dafür erforderliche Intensivierung der Niederschläge
nicht zu erwarten ist.
Abgesehen von einigen exponierten Hochlagen bleibt der Nordostwind an der
Ostsee, mit gewissen Abstrichen auch an der Nordsee flott unterwegs mit Böen 7
Bft, an der Ostsee lokal 8 Bft.

Montag ... löst sich aus dem Trogkomplex süd-südöstlich von uns ein
eigenständiges Höhentief, das sich bis Tagesende über der Westschweiz etabliert.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass man auf der Bodenwetterkarte vergebens
nach einem korrespondierenden Tief sucht, kann man bei diesem Höhentief guten
Gewissens von einem Kaltlufttropfen sprechen. Im Gegenzug verlagert sich das
Höhenhoch weg von der norwegischen Küste in Richtung Island, wodurch die
großräumige Potenzialverteilung ein "High-over-Low-Muster" annimmt. Über
Deutschland resultiert daraus eine ost-nordöstliche Höhenströmung, die durch die
Annäherung des Höhentiefs zunehmend zyklonal deformiert wird. Dabei greift im
Tagesverlauf von Osten her ein KW-Trog über, dessen vorderseitige PVA mit
hebungsdämpfender KLA konkurriert. Wie das Duell letztlich ausgehen wird, kann
aktuell zwar nicht konkret beziffert werden, alle Modelle deuten letztlich aber
leichte Hebungsprozesse an, die wiederum zu unorganisierten, nicht allzu
intensiv ausfallenden Niederschlägen führen.
Diese fallen in der sich weiter abkühlenden Luftmasse (T850 -5 bis -9°C)
oberhalb 200 bis 400 m als Schnee, darunter teils als Regen, teils als Schnee,
der dort tagsüber aber keine großartigen Glätteerscheinungen hervorruft. Dagegen
können insbesondere im Stau von Harz, Erzgebirge und Thüringer Wald ein paar
Zentimeter Neuschnee fallen, die für eine dünne Schneedecke sorgen. Die
Null-Grad-Grenze sinkt auf 700 bis 500 m, darunter stehen auch nur noch Maxima
von 1 bis 7°C auf der Karte. Etwaige Auflockerungen dürften am ehesten in den
westlichen Landesteilen zu bewundern sein.
Noch zum Wind, der am Südrand des inzwischen weite Teile des Nordmeers und
Fennoskandien überdeckenden Hochs weiterhin aus Nordost bis Ost bläst. Am
nachhaltigsten tut er das an der See sowie auf einigen ausgewählten Kämmen und
Kuppen der Mittelgebirge mit Spitzen 7-8 Bft, exponiert 9 Bft.

In der Nacht zum Dienstag verbleibt Deutschland am Rande des weiter nach
Zentralfrankreich ziehenden Höhentiefs, während am Boden die östliche
Grundströmung andauert. Es kommt besonders in den mittleren Landesteilen zu
weiteren schauerartigen Niederschlägen, die bei 850-hPa-Temperaturen von -6 bis
-10°C! bis ganz nach unten als Schnee fallen. Richtung Küste allerdings dürften
die Schauer aufgrund der besseren Durchmischung (frischer Ostwind mit Böen 7-8
Bft) und dem Einfluss des "warmen" Nord- und Ostseewassers meist in flüssiger
Form fallen.
Bei unterschiedlichen Bewölkungsverhältnissen sinkt die Temperatur mit Ausnahme
des äußersten Nordens in die Nähe des Gefrierpunktes oder in den leichten, im
Bergland z.T. sogar in den mäßigen Frostbereich. Entsprechend besteht dort, wo
Straßen und Wege nicht abgetrocknet sind, die Gefahr von gefrierender Nässe und
dort, wo es schneit, Glättegefahr durch Schnee oder Schneematsch.

Dienstag ... ziehen das Höhentief respektive der Kaltlufttropfen zwar pomadig,
aber doch erkennbar in Richtung Westfrankreich. Fast lehrbuchmäßig setzt auf der
Rückseite WLA ein, die sich auf eine gesamttroposphärische Rechtdrehung des
Windes (von Nordost unten über Südost bis fast Süd ganz oben) begründet. Zwar
steigt dabei auch die Temperatur in 850 hPa allmählich an, sie bleibt vor allem
nach Lesart von ICON in Verbindung mit der weiterhin von Nordosten einfließenden
bodennahen Luftmasse so kalt, dass die im Tagesverlauf von Tschechien auf
Franken, Thüringen und Sachsen übergreifenden und sich am Abend und in der Nacht
zum Mittwoch auf weite Teile der Nordhälfte ausbreitenden Niederschläge
überwiegend als Schnee fallen. Sollte dieses absolut winterliche Szenario
tatsächlich eintreten, würde sich verbreitet bis in tiefe Lagen eine dünne
(Nass)Schneedecke bilden und das klassische Verkehrschaos im
mittwochmorgendlichen Berufsverkehr wäre perfekt.
Dass der Verfasser hier noch im Konjunktiv formuliert, liegt darin begründet,
dass andere Modelle dieses Spielchen nur teilweise (GFS mit ähnlicher
Niederschlagsverteilung, aber etwas wärmer) oder überhaupt nicht (IFS von 00 UTC
mit deutlich weniger Niederschlag und deutlich höheren Temperaturen) mitspielen.
Es bleibt spannend.
Zurück noch mal zum Tage, der reichlich Bewölkung und anfangs noch gebietsweise
etwas Schnee, an der See Regenschauer bringt. Dazu weht ein mäßiger bis frischer
Nordostwind mit Böen 7-8 Bft an der Küste und im höheren Bergland, exponiert 9
Bft, auf den Klassikern (Brocken, Fichtelberg) 10 Bft. Auch in tieferen, für
diese Windrichtung anfälligen Lagen kann es die eine oder andere 7er-Böe geben.
Thermisch kann man sich langsam über lange Unterhose und Stricksocken Gedanken
machen angesichts 0 bis +5°C (durch Windchill kälter gefühlt) und ab mittleren
Berglagen leichtem Dauerfrost.


Modellvergleich und -einschätzung
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Anfangs simulieren die Modelle sehr ähnlich, zum Ende hin divergieren sie, was
ausführlich erwähnt wurde.
Es sei noch erwähnt, dass die vom Verfasser sehr geschätzten Modelle EURO4 und
UM bei der Prognose tiefe Bewölkung von gestern zu heute (bis einschließlich dem
06-UTC-Lauf von heute früh) eine schlechte Performance bei der Prognose tiefer
Bewölkung an den Tag gelegt haben (zu viel, zu resistent). Die soeben
erschienenen 12-UTC-Läufe haben sich jetzt aber eingependelt und weitgehend
angepasst.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann