DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-10-2018 08:30
SXEU31 DWAV 130800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 13.10.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Viel Sonne, außergewöhnlich warm, lokal windig.

Sa

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... liegt Deutschland auf der Westflanke eines Höhenrückens, der sich vom
Mittelmeer bis nach Lappland und weiter ins Polarmeer erstreckt und der am Tage
und in der kommenden Nacht nur sehr zögerlich nach Osten vorankommt. Das
zugehörige Hoch VIKTOR, dessen Schwerpunkt weitgehend ortsfest über dem Norden
bzw. Nordosten der Ukraine verharrt, sorgt dabei für eine meist südöstliche
bodennahe Strömung über Deutschland. Mit dieser werden sehr warme Luftmassen
herangeführt, was auch zu einem nochmaligen Anstieg der 850er Temperaturen
führt. Diese liegen aktuell zwischen 11 und 14 Grad und steigen bis zum Abend
auf 13 bis 15 Grad, was zu Höchsttemperaturen von bis zu 29 Grad im Westen
reichen sollte. Ob dort lokal auch die 30er Marke geknackt wird ist noch
unsicher, aber nicht gänzlich auszuschließen. Mit Werten um 24 Grad deutlich
kühler (aber immer noch sehr warm für die Jahreszeit) bleibt es im Südosten, wo
sich teils zähe Nebelfelder halten. Da die 850er Temperaturen in der Nacht auf
hohem Niveau verharren, ist auch wieder mit einer gebietsweise sehr milden Nacht
zu rechnen. Im Süden, wo die Temperaturen am Tage nicht so stark gestiegen sind,
kann sich wieder Nebel bilden, dies gilt, mit geringerer Wahrscheinlichkeit,
auch für einige Mittelgebirgslagen.

Bezüglich der warnrelevanten Parameter ist der Wind noch hervorzuheben. Mit der
ageostrophischen Unterstützung ist der Wind vor allem in den Berglagen des
Südostens deutlich spürbar. Mit der Südwestlichen Anströmung des Erzgebirges
simulieren einige Modelle (z.B. EZMW, ICON, COSMO-D2) einen Staukeil im
Böhmischen Becken und mithin eine föhnige Gradientverschärfung. Diese nimmt im
Laufe des Tagen und in der Nacht Stück für Stück zu, so dass in der zweiten
Tageshälfte in den Gipfellagen vielleicht mal eine Bft 7, in der Nacht
vielleicht sogar eine Bft 8 möglich ist, wobei die Probabilistik in die gleiche
Richtung deutet. Damit ist die Chronistenpflicht bezüglich der potentiell
warnwürdigen Ereignisse in Deutschland aber auch schon erfüllt.

Bleibt noch ein kurzer Blick auf die Geschehnisse über Westeuropa und dem nahen
Ostatlantik. Dort liegt ein Langwellentrog, dessen Achse sich von Island und dem
Seegebiet westlich Grönlands nach Süden bis zu den Kanaren erstreckt. In ihrem
südlichen Teil ist eine kleine abgeschlossene Zirkulation zu erkennen, die mit
dem Hurrikan LESLIE korrespondiert, der nördlich von Madeira nach Osten zieht
und bei dem die Transformation zu einem extratropischen Sturm im Gange ist. Die
Trogvorderseite über Westeuropa ist recht gradlinig konturiert und verläuft von
Süd-Südwest nach Nord-Nordost, wobei unter ihr, in etwa gleicher Ausrichtung,
ein Frontensystem zu finden ist. Daraus ergibt sich logisch das Fehlen einer
frontsenkrechten und mithin der Schubkomponente, so dass sich der Frontenzug
kaum nach Osten verlagert. Vielmehr wellt die Front im Bereich eines Tiefs, das
am Tage über Irland hinweg nach Schottland zieht und das in der Nacht unter
Abschwächung das Nordmeer erreicht. Immerhin reicht die Annäherung des
Frontenzuges für ein auffrischen des Windes im Nordwesten Deutschlands, wobei
warntechnisch kein Grund zur Sorge besteht.

Erwähnt seien schon hier beginnende Modellunterschiede, die uns wahrscheinlich
in den kommenden Tagen, insbesondere durch die Ex-Hurrikane LESLIE und MICHAEL,
ins Haus stehen werden. So soll sich morgen früh das Wellentief laut ICON, wie
beschrieben, schon über dem Nordmeer deutlich abgeschwächt haben. Lauf GFS liegt
es noch mit Kerndruck unter 995 hPa zwischen Schottland und Norwegen, laut EZMW
soll es mit Kerndruck von unter 1000 hPa vor der Südküste Norwegens liegen.
Durch den stärkeren Gradienten drückt GFS auf der Südflanke des Tiefs auch den
Frontenzug kräftiger nach Osten, dessen Niederschlagsfelder in der Folge das
Ijsselmeer erreichen sollen, während die Niederschläge bei ICON oder EZMW kaum
auf den Ärmelkanal übergreifen. Als weiterer Modellunterschied lässt sich
beispielhaft schon ausgangs der Nacht zu Sonntag bei GFS der Schwerpunkt von
LESLIE über der Südspitze Portugals ausmachen, während ICON und EZMW diesen über
dem Nordwesten der Iberischen Halbinsel verdrahten, von wo aus EZMW eine
Tiefdruckrinne nach Norden verlaufen lässt, die ICON so nicht simuliert. Für
Spannung ist also gesorgt.

Sonntag... kommt der Langwellentrog von Westen her allmählich ostwärts voran,
seine Achse greift von Westen her auf die Britischen Inseln und Frankreich über,
sie erstreckt sich zum Morgen etwa vom westlichen Ärmelkanal über die Pyrenäen
hinweg nach Süden. Der Trog beginnt dabei abzutropfen, während aber ICON
ausgangs der Nacht eine deutliche Doppelstruktur mit zwei Höhentiefs über
Katalonien und nordwestlich der Nordwestspitze Spaniens simuliert, kommt EZMW in
der Summe nur auf einen Kern, etwa über den Westausläufern der Pyrenäen. Auch im
Bodenfeld zeigen sich zu diesem Zeitpunkt schon deutliche Unterschiede, so
simuliert ICON ein Tief über der Themsemündung, während EZMW ein Hoch über der
Irischen See anbietet. Immerhin lässt sich ableiten, dass der Gradient über dem
Westen Deutschlands etwas schärfer wird, so dass im Westen einzelne Böen Bft 7
möglich sein sollten. Ein Übergreifen von (nicht warnwürdigen) Regenfällen bis
zum Morgen sieht nur GFS, laut ICON oder EZMW sollen auch der Sonntag und die
Nacht zu Montag trocken über die Bühne gehen.

Erhalten bleiben uns auch das Hoch über Osteuropa und der Höhenrücken. Da der
Druck über dem zentralen Mittelmeer etwas ansteigt, lässt sich insbesondere im
Alpenraum eine Gradientzunahme beobachten, so dass sich auch dort eine föhnige
Situation einstellt. Die entsprechenden Böen gehen die Ensembles von ICON-EU
recht locker an, mehr als eine Bft 7 auf der Zugspitze sollten dabei laut dieses
Modells nicht drin sein. EZMW und MOSMIX sind in ihrer Einschätzung aggressiver,
laut ihres Outputs können auch Sturmböen in den Gipfellagen der Alpen nicht
ausgeschlossen werden. Föhnig bleibt die Situation auch am Erzgebirge. Dort
sehen die deterministischen Läufe wie auch die Ensembles von EZMW und ICON-EU
nicht nur Wind-, sondern exponiert auch Sturmböen, deren Schwerpunkt sich etwas
nach Osten verlagert und am Abend bzw. in der Nacht vom Osterzgebirge bis zum
Zittauer Gebirge zu finden sein soll. Bezüglich der Nacht bleibt noch ein Blick
auf den Nebel, der zumindest im Süden, vielleicht auch in der Mitte, wieder
strichweise auftreten könnte.

Bei alldem ist kein Luftmassenwechsel und damit auch keine durchgreifende
Änderung der Temperaturen in Sicht. Allerdings sinken die 850er Temperaturen
etwas, weniger von der Spanne, da die Maxima im Süden bei knapp 15 Grad
verharren, als mehr in der Fläche und im Nordwesten auch absolut, da dort im
Zuge der Frontannäherung etwas kältere Luft einsickert. Damit liegen die
Höchstwerte auch nicht mehr ganz so hoch wie am Vortag, für 20 bis 28 Grad
sollte es aber nochmals reichen, wobei im Westen die Höchsttemperaturen auch
davon abhängig sein werden, wie schnell die frontale Bewölkung hereinzieht.


Montag... setzen sich die Modellunterschiede fort, wobei die grundsätzliche
Konstellation mit einem Langwellentrog über Westeuropa und einem Höhenrücken
über Osteuropa erhalten bleibt. Dabei verlagern sich die Geopotentialsysteme
langsam nach Osten. Innerhalb des Langwellentroges ist bei ICON im Bereich der
Nordsee eine kräftige Austrogung zu erkennen, die bodennah zur Ausbildung eines
kleinräumigen Tiefs führt. Dieses soll in der Nacht in Richtung Oslofjord
ziehen, wobei erst im Westen, später im Nordwesten und besonders an der Küste
entsprechend ein kräftiger Wind (Binnenland Bft 7, Küste Bft 8, exponiert Bft 9)
wehen sollte. Dies sieht EZMW anders, wo der Trog allenfalls eine kurzwellige
Störung ist und sich im Bodendruckfeld über der Nordsee ein Hoch erkennen lässt.
Damit kann der Wind an der Nordseeküste durchaus auch mal auffrischen, aber
nicht so stark und er käme dann aus Nordost, lauf ICON wäre Nordwest angesagt.
Erhalten bleibt auch die Föhnsituation an den Alpen und im Erzgebirge.
Insbesondere EZMW-EPS sind noch geringe Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 8, die
im Tagesverlauf aber nachlässt und in der Nacht zu Dienstag nicht mehr erkennbar
ist.

Mit dem kräftigeren Tief würde bei ICON auch deutlich kühlere Luft in den
Nordwesten gesteuert. Auf etwa 4 Grad taxiert die deutsche Deterministik die
850er Temperaturen im Emsland am Montagabend, ausgangs der Nacht liegen sie dort
lokal unter 2 Grad. Laut EZMW sind es im gesamten Norden zu diesem Zeitpunkt
noch etwa 8 Grad. In diese Unterschiede passt auch die Streuung der
Niederschlagsmuster. So simuliert ICON im Bereich seines Tiefs sehr kräftige
Regenfälle, die abends auf den Westen (Schwerpunkt Westerwald/Bergisches Land)
übergreifen und sich in der Nacht von West nach Ost reichend über die Mitte
legen. Ein west-östlich ausgerichtetes Wolkenband bietet auch EZMW, aber im
Norden und damit etwa 300 km entfernt von der ICON-Lösung. Laut GFS soll es
sogar weitgehend trocken bleiben. So oder so wir der Regen nicht warnwürdig, im
Gegensatz zum Nebel, der sich in der Mitte und im Süden erneut bilden kann.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle zeigen auch im Kurzfristzeitraum bemerkenswerte Unterschiede. Dazu
gehören kleine, aber wesentliche Unterschiede im Geopotentialfeld
(westeuropäischer Langwellentrog Sonntag/Nacht zu Montag) oder Unterschiede im
Bodendruckfeld (Zugbahn LESLIE, Zugbahn und Entwicklung des Wellentiefs über
Westeuropa heute/Nacht zu Sonntag). Diese und weitere Unterschiede wurden im
Text angesprochen.

Die warnrelevanten Parameter Nebel und Wind werden von diesen
Modellunterschieden aber kaum tangiert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas