DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-06-2016 21:00
SXEU31 DWAV 111800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 11.06.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Weitere Gewitter und Starkregenfälle, lokal mit Unwettergefahr.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... präsentiert sich die Höhenströmung über Mitteleuropa ziemlich
aufgefächert, ergo die Höhenwinde vergleichsweise schwach. Zwar zieht von
Frankreich und Benelux her ein flacher Trog in den Vorhersageraum, allzu viel
Hebungsantrieb ist davon aber nicht zu erwarten. Ganz im Norden allerdings kommt
auf der Südflanke eines kleinen Höhentiefs über dem Skagerrak und dem Kattegat
WLA in Gang, so dass sich die dichten Wolken über der Nordsee weiter
ost-südostwärts ausbreiten und dabei gebietsweise sogar für etwas Regen oder
Nieselregen sorgen (Nordseeküste bis Westmecklenburg, evtl. nördliches
Sachsen-Anhalt). Noch weiter nordöstlich - quasi auf der kalten Seite der
diagonal von NW nach SO verlaufenden Luftmassengrenze - sorgt leichter
Hochdruckeinfluss für eine gering bewölkte oder klare Nacht, in der die
Temperatur in der extrem trockenen Luftmasse (Td lokal um 0°C) in den unteren
einstelligen Bereich zurückgeht und über sandigen Böden sogar vereinzelt
leichter Frost in Erdbodennähe nicht fern ist.
In der Südhälfte kommt es bei schwachen Luftdruckgegensätzen in der feuchten und
indifferent bis leicht labil geschichteten Luftmasse zu weiteren, vielfach
schauerartigen und teils gewittrigen Regenfällen mit der Gefahr von Starkregen
(der nicht zwingend an Gewitter gebunden sein muss). Durch Verclusterung haben
sich zudem kleine mesoskalige Regengebiete gebildet, die gebietsweise auch für
einige Stunden am Stück für Regen sorgen können. Auch in einigen Staulagen ist
das möglich, wobei eine Quantifizierung, wie viel Regen unter dem Strich fällt,
schwierig ist.

Sonntag ... verbleibt Deutschland unter einer schwachen und indifferenten
westlichen Höhenströmung ohne klare Konturen. Die Hauptfrontalzone verläuft
südlich von uns, was in der klassischen Großwetterlagenklassifikation in etwa
dem Muster Ws (südliche Westlage) entspricht. Im Bodendruckfeld befindet sich
der Vorhersageraum im südöstlichen Teil einer langgestreckten Tiefdruckrinne,
die sich ausgehend von einem Tief südlich Kap Farvels über UK/Irland bis hinüber
zum nördlichen Balkan erstreckt. An ihrem N- bzw. NO-Rand befindet sich
weiterhin die oben bereits angesprochene Luftmassengrenze, die trockene und
stabile Luft im Nordosten von feuchter und potenziell instabil geschichteter
Luft in den übrigen Regionen trennt. Diese Regionen nehmen gegenüber heute eine
größere Fläche ein, sprich, sie dehnen sich von Süden her über die Mitte bis in
den Nordwesten aus. Mit PPWs von 25 bis 30 mm erweist sich die Luftmasse als
ziemlich feucht, die Labilität hält sich angesichts avisierter ML-CAPE-Werte
meist unter 500 J/kg aber in Grenzen. Gleichwohl kommt es auch am Sonntag in
dieser Luft wieder zu Gewittern (Auslöse bei rund 20°C, dazu Orografie und
konfluente Bodenwindmuster) und schauartigen Regenfällen, die abermals zu
kleinräumigen Regengebieten zusammenwachsen und besonders in Staulagen auch mal
länger andauern können. Ansonsten weisen die Gewitter mangels Scherung und
fehlender synoptischer Strukturen (z.B. Höhentrog oder Front) überwiegend
Einzelzellen-, maximal Multizellencharakter auf. Dabei stehen Starkregen (15-25
mm/h) und kleinkörniger Hagel als Begleitparameter ganz oben auf dem Zettel,
während stärkerer Wind oder gar Sturm eher die Ausnahme bilden. Lokal können die
Gewitter unwetterartig ausfallen mit Regenmengen von mehr als 25 mm innert
kurzer Zeit. Ähnlich wie heute ist auch wieder nicht-gewittriger Starkregen ins
Kalkül zu ziehen mit Mengen von 15 bis 25 mm/h oder 20 bis 35 mm innert mehrerer
Stunden. Das Problem dabei: aufgrund der vergleichsweise unaufgeräumten Struktur
des gesamten Niederschlagsbildes sowie der Schwierigkeit der Numerik, genau
dieses in den Griff zu bekommen, können entsprechende Warnungen nur sehr
kurzfristig ausgesprochen werden. Hinzu kommt freilich das Phänomen, dass
besagte Wettererscheinungen in den genannten Gebieten zwar auftreten können, bei
weitem aber nicht alle davon erwischt werden. Und noch etwas sollte nicht
unerwähnt bleiben. Einige Modelle wie COSMO-EU oder auch GFS zeigen für den
äußersten Süden (quasi am Südrand der Rinne) mit westlichen Winden die Zufuhr
etwas stabilerer Luft, die die Gewitterneigung erheblich dämpfen könnte.
Bliebe noch zu berichten, dass nach Nordosten hin die Gewitter- und Regenneigung
deutlich nach unten geht. Einzig Richtung MV kann es hier und da etwas regnen
oder nieseln, was noch immer dem nächtlichen WLA-Gebiet geschuldet ist. Die
Tageshöchstwerte liegen meist zwischen 17 und 23°C, bei auflandigem Wind und
längerem regen auch etwas darunter.

In der Nacht zum Montag ändert sich nicht viel an der synoptischen
Gesamtkonstellation, so dass es weiterhin verbreitet zu vielfach schauerartigen
und teils gewittrigen Regenfällen kommt, wobei die Gewitterneigung
tagesgangbedingt abnimmt, wohl aber nicht komplett zum Erliegen kommt. Wo die
Gewitter auftreten oder ggf. auch warnwürdiger Starkregen auftritt, muss erneut
kurzfristig entschieden werden.

Montag ... Neue Woche, neues Glück, möchte man meinen, doch der Blick auf
sämtliche Prognosekarten von A wie Andorra bis Z wie Zypern spricht nur eine
Sprache - Pustekuchen!
So liegen wir auch am Montag nördlich der weit südlich verlaufenden Frontalzone
unter einer flachen Trogkonfiguration, in der die Höhenströmung ziemlich schwach
ist. Und auch bodennah respektive in der unteren Troposphäre tut sich nicht
allzu viel. Es kommt weder zu einem Luftmassenwechsel noch kommen wir aus der
nach wie über tausende von Kilometern reichenden Tiefdruckrinne heraus. Diese
vertieft sich im Laufe des Tages sogar noch etwas auf knapp unter 1000 hPa im
Norden und in der Mitte. Als Folge davon frischt der Wind am Nord- und am
Südrand mitunter böig auf, an der Küste (Ostsee eher als Nordsee) und im
äußersten Süden bis hin zu einzelnen Böen 7 Bft - im S aus SW, im N um O.
Ansonsten geht die ganze Laier der Vortage von neuem los, sprich, es kommt in
weiten Teilen des Landes zu Gewittern und schauerartigen Regenfällen bis hin zu
Starkregen ähnlicher Qualität und Quantität. Dabei sind auch wieder lokale
Unwetter durch Starkregen möglich, während der Hagel im kleinkörnigen Bereich
verbleiben sollte.
Es fällt auf, dass an den jeweiligen Rändern der Rinne stabilere Luftmassen in
Teile des Nordens und Nordostens (von Osten her) sowie des Südwestens (von
Südwesten her) einströmen, was dort die Wahrscheinlichkeit konvektiver
Umlagerungen erheblich dämpft. Trotzdem simuliert C-EU für den Schwarzwald
größere Regenmengen mit Spitzen bis 30 mm binnen 12 h, die offensichtlich auf
Staueffekte zurückzuführen sind. Hier wird man abwarten müssen, ob es dazu
tatsächlich kommt.
Tatsache ist, dass sich die Sonne ziemlich rarmacht bei Tageshöchsttemperaturen
von 16 bis 22°C.

In der Nacht zum Dienstag tut sich nicht allzu viel, es kommt weiterhin zu
Regenfällen bei abnehmender Gewittergefahr. Wo wie viel Regen fällt, lässt sich
aufgrund der divergierenden Prognosen derzeit nicht belastbar vorhersagen.


Dienstag ... ändert sich an der Großwetterlage so wenig, dass der Verfasser
keine große Lust mehr verspürt, diesen Tag differenziert zu durchleuchten. Die
Rinne sowie die feuchteste und labilste Luftmasse verschieben sich etwas nach
Norden, ergo auch die Zone mit den potenziell aktivsten konvektiven
Umlagerungen. Da die Labilität auch am Dienstag nicht exorbitant hoch, die
Strömungsgeschwindigkeit aber weiterhin gering ist, bleibt der Starkregen das am
meisten zu beachtende Element. Ob es an den Rändern der Rinne noch zu
gradient-getriggerten Böen reicht wie am Vortag, ist angesichts eines etwas
aufweichenden Gradienten fraglich.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Großwetterlage der nächsten Tage wird von den üblicherweise betrachteten
Modellen sehr ähnlich simuliert. Die Hauptschwierigkeit liegt in der
detaillierten Prognose der Niederschläge (Raum und Intensität), was durch die
Strukturlosigkeit und die schlappe Grundströmung noch forciert wird. Hinweise
auf gebietsweise auftretenden Starkregen sind definitiv vorhanden.
Die im Vorfeld schon mehrfach ins Spiel gebrachte Idee, die bevorstehenden,
überwiegend mit Unterbrechungen versehenen Regenfälle in eine längerfristige
Dauerregenwarnung zu verpacken, ist schwer umsetzbar, was im Wesentlichen an den
heterogenen und nicht immer konsistenten numerischen Prognosen liegt. Oder
anders ausgedrückt, es bieten sich derzeit keine wirklich herausragenden Gebiete
an, die man ohne Wenn und Aber mit einer solchen Warnung versehen könnte.
Vielmehr müsste man ein vergleichsweise großes Areal bewarnen, was dem berühmten
"Ausschütten des Farbeimers" entsprechen würde und vielleicht unverhältnismäßig
wäre. Von daher wird zunächst mal mit der kurzfristigen Warnstrategie über
Gewitter und Starkregen weitergearbeitet. Gleichwohl sollte man in den Berichten
und Bulletins, wo die Vorhersagen über die Prosa laufen, die Gelegenheit nutzen,
auf wiederholte und somit in einem längeren Zeitraum akkumuliert hohe
Regenmengen hinzuweisen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann