DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-09-2018 19:30
SXEU31 DWAV 191800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 19.09.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Morgen nochmal verbreitet sommerlich warm und vielerorts sonnig, im Südosten
vereinzelte, auch kräftige Gewitter. Freitag erste herbstliche Sturmlage und
beginnender Temperaturrückgang.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges
in 500 hPa, dessen Geopotentialminimum über dem Nordatlantik zwischen Island,
Schottland und Nordwegen liegt. Die Trogvorderseite, auf der auch Mitteleuropa
liegt, ist nur über Skandinavien leicht diffluent konturiert, über dem Atlantik
und über Westeuropa zeigt sich die Höhenströmung dagegen recht gleichförmig
gekrümmt, eine eine klar hervortretende Trogachse ist in dieser Konfiguration
nicht auszumachen. Man könnte versucht sein, eine solche Achse über den
Britischen Inseln auszumachen, da dort die Höhenströmung nach Osten hin etwas
aufsteilt, aber wenn, dann sollte man allenfalls von einem Kurzwellenanteil
sprechen, der in der Nacht über die Nordsee hinweg zum Kattegat geführt wird. Da
auf der Rückseite des Langwellentroges Kaltluft einfließt (T500 unter -30 Grad)
wird der Trog regeneriert, es bildet sich sogar ein zweites Geopotentialminimum
über dem zentralen Nordatlantik aus, und im Zuge dieser Prozesse kann dann auch
von einer klar erkennbaren (neuen) Hauptachse gesprochen werden, die sich von
Seegebiet südlich Islands nach Süden in Richtung Azoren erstreckt.

Auf der Vorderseite der neuen Hauptachse liegt entwicklungsgünstig der wellende
Abschnitt einer Kaltfront, die zu einem mit dem Langwellentrog
korrespondierenden Sturmtief gehört. Es liegt aktuell nord-nordöstlich von
Schottland, verlagert sich in der Nacht vor der norwegischen Küste nach Norden
und erreicht ausgangs der Nacht das Nordmeer. Dort bildet es zu diesem Zeitpunkt
den Kern eines großräumigen Tiefdruckkomplexes, der in Nord-Süd-Richtung
orientiert ist und im Süden bis zur o. e. Welle bzw. dem zugehörigen Wellentief
reicht, das dann noch in der Frühphase seiner Sturmtiefentwicklung steckt.

Der weiter nördlich gelegene Teil der Kaltfront wird mit dem nordwärtigen
Vorankommen des Norwegentiefs und auf der Vorderseite des o. e. kurzwelligen
Troganteils über Teile Südskandinaviens hinweg nach Osten verfrachtet und
erreicht zum Morgen Südostschweden und den Bottnischen Meerbusen. Die Front wird
dabei über dem Kattegat und Dänemark sehr rasch nach Westen zurückgebogen und
damit in der an der Südwestflanke des Tiefkomplexes vorherrschenden
südwestlichen Strömung erst schleifend, später sogar als Warmfront vor dem
Wellentief rückläufig. Vorderseitig der Front kann es in Nord- und Ostfriesland
etwas Regen geben, die Mengen sind aber laut aller Modelle gering, außerdem
zieht der Gradient und damit auch der Wind an. Die Modelle sehen in der Folge
insbesondere zwischen Nord- und Ostfriesland hohe sehr Wahrscheinlichkeiten für
steife Böen Bft 7 (PEPS, COSMO-LEPS, EZMWF-EPS und ICON-EU-EPS bringen es auf
100% Wahrscheinlichkeit), und insbesondere in Nordfriesland scheinen mit dem
großen Fetch auch stürmische Böen Bft 8 (Wahrscheinlichkeit EZMWF-EPS bis 40%,
ICON-EU-EPS bis 20%) aus Südwest bis West zu erwarten zu sein. In der zweiten
Nachthälfte, mit der Verringerung und der zunehmend nordwärts gerichteten
Verlagerung der Front fächert der Gradient etwas auf, eventuelle schwache
Niederschläge werden noch schwächer, vor allem aber bekommt die Bodenströmung
eine antizyklonale Kontur, so dass die Durchmischung unterdrückt wird und der
Wind etwas nachlässt. In diese Richtung deuten die Hauptläufe einiger Modelle
(z. B. ICON, EZMWF, GFS), nach denen in der zweiten Nachthälfte keine
warnwürdigen Böen mehr zu erwarten sein sollten. Die EPSe von EZMWF und ICON-EU
liefern aber immer noch Wahrscheinlichkeiten bis 70% für zumindest steife Böen
in Nordfriesland.

Entgegen der beschriebenen, vielleicht nicht turbulenten, aber doch
abwechslungsreichen Situation im Norden bleibt die Wettersituation in der Mitte
und im Süden vergleichsweise ruhig, ist dort doch eine Hochdruckzone
wetterbestimmend, die vom der Iberischen Halbinsel bis zur Ukraine reicht. Dort
liegt feucht-warme und potentiell instabil geschichtete Luft (PPWs bis 28 mm,
Lapse-Rates unter -0,65 K/100m, CAPE ML bis 1000 J/kg, Werte aus ICON-EU, andere
Modelle ähnlich), in denen es lokal schon zu kräftigen Gewittern gekommen ist,
auch wenn im Geopotentialfeld in der Region ein schwach ausgeprägter Rücken zu
finden ist. Letztendlich betreffen die Gewitter wieder nur sehr eng begrenzte
Regionen, markanter und allgemein von Bedeutung sind da schon die Temperaturen,
die in 850 hPa bei 11 bis 15 Grad liegen (Küste um 10 Grad). Dies bedeutet
Tiefstwerte von 12 bis 17 Grad, also Werte, die bei anderer synoptischer
Konstellation um diese Jahreszeit auch als Tageshöchstwerte auftreten könnten.
Da ausgangs der Nacht trotz der milden Temperaturen in der feuchten Luft die
Spreads im Süden und Westen teils nur bei 1 bis 2 Grad liegen und es zudem
windschwach bleibt, ist Nebel, zumindest lokal, wieder ein Thema.

Donnerstag ... schreitet westlich der Britischen Inseln die angesprochene
Austrogung voran. Die Trogachse verlagert sich dabei unter Amplifizierung und
Verkürzung der Wellenlänge des Troges nach Osten und erreicht abends die Irische
Westküste. Vorderseitig werden vorrangig aufgrund von PVA, aber auch durch WLA -
kräftige Hebungsprozesse in Gang gesetzt. Diese sorgt vorübergehend über der
nördlichen Nordsee für die Ausbildung eines sehr flachen Höhenrückens und in
Verbindung mit der deutlicheren Austrogung auf dem Atlantik für ein Aufsteilen
der Höhenströmung. Dadurch steigt dort der Druck kurzzeitig etwas an, in der
Deutschen Bucht kommt es aber schon im Verlauf des frühen Vormittages zu
Druckfall auf der Vorderseite des sich zunehmend intensivierenden Wellentiefs,
was dann auch niedertroposphärisch für eine mehr auf Süd-Südwest drehende
Strömung sorgt. Dieses bewegt sich im Tagesverlauf in Richtung Irischer See,
laut ICON soll der Kern mit einem Druck etwas unter 995 hPa am Abend südlich von
Irland liegen. Dem gegenüber simuliert GFS den Tiefkern bei ähnlichem Druck
schon über der Nordwestspitze von Wales. Man erkennt, dass die Modellvarianz zu
diesem Zeitpunkt schon deutlich zunimmt, was z.B. Arpege unterstreicht, welches
(Lauf 06 UTC) den Kern mit einem deutlich niedrigeren Druck von knapp unter 990
hPa über der Südküste Irlands vorhersagt.

Wie auch immer, klar ist, dass der anziehende Gradient mit der besseren
Durchmischung für ein höheres Böen-Potential sorgt. Ab dem späten Vormittag soll
die Nordseeküste wieder von Böen Bft 7 betroffen sein (PEPS, COSMO-LEPS, und
ICON-EU-EPS bringen es auf 100% Wahrscheinlichkeit), später soll es an der Küste
auch die eine oder andere stürmische Böe oder vielleicht sogar Sturmböe geben
(Bft 8 bis 9, Wahrscheinlichkeiten von 80-1000% in den genannten Ensembles) und
steife Böen bis zur Ostseeküste und ins niedersächsischen Binnenland hinein.
EZMWF (00 UTC) ist, auch mit seinem EPS, zeitlich etwas hintendran, aber
letztendlich in der Ausprägung ähnlich gestrickt wie ICON oder beispielsweise
GFS.

Da die Warmfront des Wellentiefs über der südlichen Nordsee nach Norden geführt
wird, hört in Ost-, später auch im Nordfriesland der geringe Regen wohl
endgültig auf, vor allem aber bleibt Deutschland komplett im weit geöffneten
Warmsektor des Tiefs. Damit kann sich niedertroposphärisch die Advektion sehr
warmer Luftmassen subtropischen Ursprungs von Südwesten her ins Vorhersagegebiet
noch einmal verstärken, die Temperatur in 850 hPa verharrt in Frontnähe an der
Nordseeküste bei etwa 10 Grad, während sie im Süden auf etwa 17 Grad steigt und
damit noch mal ein Schippe zulegt.

Das Näherrücken des Troges sorgt auch dafür, dass der flache Rücken, der am
Vortag noch den Süden beeinflusst hat, nunmehr nach Südosten abgedrängt wird,
seine Achse liegt lauf ICON-Hauptlauf etwa über dem Bayerischen Wald, womit
praktisch der gesamte Süden rückseitig des Rückens liegt. Damit wird die
dynamische Deckelung bzw. Stabilisierung aufgehoben bzw. reduziert, was nicht
bedeutet, dass dynamisch massiv Hebungsvorgänge getriggert werden. Zudem ist in
der im Südosten des Landes weiterhin vorhandenen potenziell instabilen
Luftmasse ein leichtes Zurückgehen der Labilitätswerte zu beobachten. So liegen
die CAPE-Werte nur noch maximal um 500 J/kg, die PPW-Werte kratzen die 25 mm nur
noch an, allenfalls die Lapse-Rates stimmen mit den Werten des Vortages etwa
überein. In der Summe sind erneut vereinzelte, wohl mit orographischer
Unterstützung ausgelöste Gewitter möglich, am ehesten wohl in Süd- und
Ostbayern. Starkregen steht aufgrund der geringen Zuggeschwindigkeit nach wie
vor im Fokus der Begleiterscheinungen.

Ansonsten steht noch einmal ein sehr warmer, gebietsweise sogar heißer Tag ins
Haus, wobei es im Norden in Frontnähe bewölkt bleibt und ansonsten meist die
Sonne scheint. Die Temperaturen erreichen Höchstwerte zwischen 20 und 24 Grad im
äußersten Norden, ansonsten zwischen 25 und 32 Grad, mit den höchsten Werten vom
Oberrhein bis zur Lausitz.

In der Nacht zum Freitag verlagert sich der kräftige Höhentrog nach Schottland,
das auf der Vorderseite gelegene Bodentief kann sich deutlich verstärken und
schlägt morgens mit einem Kerndruck nahe 975 hPa (ICON-EU, aber auch LFPW) über
der westlichen Nordsee auf. GFS simuliert zu diesem Zeitpunkt einen Kerndruck
von etwa 980 hPa, insbesondere aber verlagert GFS das Tief schneller nach
Nordwesten, es soll dann schon vor der Südküste Nordwegens liegen. Die Kaltfront
erreicht mit schauerartigen Regenfällen in den Frühstunden Benelux, im
Vorhersagegebiet bleibt es somit bis 06 UTC noch überwiegend trocken. Mit der
markanten Gradientzunahme nimmt der Wind allerdings im Laufe der Nacht im
Westen/Nordwesten sowie auf den Bergen deutlich zu und dreht auf Süd. Die damit
verbundene Windentwicklung wird jetzt scheinbar sicherer, GFS simuliert um 06
UTC am Freitagmorgen Böen Bft 7 im Binnenland, Bft 8-9 an der Nordsee. ICON ist
etwas verhaltener mit Bft 7 im Küstenumfeld und Bft 8 in exponierten
Küstenlagen. In den vom Wind nicht betroffenen Gebieten verläuft die Nacht aber
wettertechnisch noch ruhig und bevorzugt im Süden bildet sich örtlich wieder
Nebel.

Freitag ... greift der Höhentrog auf die Nordsee bzw. Benelux und in weiterer
Folge auch auf Nordwestdeutschland über und leitet einen markanten
Wetterumschwung ein. Abends erreicht dessen Drehzentrum Südnorwegen. Das
korrespondierende Sturmtief kann sich zunächst noch vertiefen und zieht bis zum
Abend ebenfalls nach Südnorwegen. Nach Lesart von ICON-EU erreicht es einen
Kerndruck von etwa 973 hPa, GFS simuliert in ähnlicher Größenordnung, aber ein
wenig weiter nördlich. Klar scheint: Die Kaltfront greift morgens auf den
Nordwesten des Landes über und kommt rasch südostwärts voran. Abends erreicht
sie den Süden Bayerns und hat die Neiße schon überquert, zumindest, wenn man den
Bodentrog als Frontendefinition heranzieht. Im Thermischen Feld (T850) oder
Theta liegt sie etwas weiter zurück, abends etwa auf einer Linie Lausitz -
Bodensee. Präfrontal scheint nochmals häufig die Sonne, an den Alpen und am
Erzgebirgsnordrand wird es föhnig und die Temperaturen steigen auf 26 bis 32
Grad. Zwar ist die Luftmasse dort noch recht labil geschichtet (Lapse-Rates
teils unter -0,7 K/100m), trocknet aber durch die föhnige Überströmung von Alpen
und Erzgebirge aber zusehends ab, so dass meist 500 J/kg ML-Cape nur noch im
Bayerischen Wald simuliert werden. Kurze Gewitter sind nicht ausgeschlossen,
allerdings geben die Modelle deterministisch so gut wie keine Hinweise darauf.
In den MOS-Wahrscheinlichkeiten ist ICON mit Gewitterwahrscheinlichkeiten bis
40% führend, dort werden Gewitter auch von Brandenburg bis nach
Baden-Württemberg für möglich gehalten, was für Gewitter auch mit Frontpassage
sprechen könnte (Wahrscheinlichkeit um 10%). Wenn sie denn auftreten, dürfte als
Begleiterscheinung am ehesten der Wind (Sturmböen) im Fokus stehen.

Im Fokus der Warntätigkeit steht somit eindeutig der Wind: ICON-EU simuliert mit
Kaltfrontpassage auch in den Niederungen bzw. im Binnenland verbreitet
stürmische Böen, nach Norden zu auch Sturmböen (Bft 8 bis 9) aus Südwest bis
West. GFS hat dagegen etwa ein bis zwei Bft weniger auf der Karte. Nach
Kaltfrontpassage schwächt sich der Wind kurzzeitig deutlich ab ("postfrontale
Subsidenz"), um mit Annäherung des Bodentroges von Nordwesten wieder deutlich
zuzulegen. Im Norden und Westen werden dann wieder recht verbreitet Bft 7 bis 8
simuliert, Richtung Küsten auch Bft 9. Über der Nordsee hat ICON-EU sogar recht
verbreitet Bft 10 bis 12 auf der Karte, und die Bft 11 ist in Nordfriesland auch
im Küstenbereich denkbar. Diese Unterschiede lassen eine genaue Prognose noch
nicht zu, hier werden weitere Modelläufe Klarheit bringen. Mit Sturm- und
schweren Sturmböen ist selbstverständlich auch auf exponierten Gipfeln zu
rechnen.

Postfrontal gelangt ein Schwall polarer Meeresluft nach Deutschland, die einen
markanten Temperaturrückgang einleitet. In 850 hPa sinkt die Temperatur bis zum
Abend im Nordwesten auf etwa 2 Grad, während sie im Berchtesgadener Land dann
noch 16 Grad beträgt. Im Nordwesten werden somit keine 20 Grad mehr erreicht und
mittags/nachmittags wird es eher noch etwas kühler. Im Trogbereich gelangt in
den Nordwesten auch zunehmend höhenkalte Luft, die Temperatur in 500 hPa sinkt
auf etwa -26 Grad. Vor allem über der Nordsee dürfte das am Nachmittag/Abend für
einzelne Schauer und Graupelgewitter reichen.

In der Nacht zum Samstag erreicht die Kaltfront die Alpen, wo es längere Zeit
regnen kann, Warnschwellen für Dauerregen aber wohl nicht erreicht werden. Die
Schneefallgrenze sinkt dort morgens auf etwa 100 m, vielleicht auch schon
darunter. Postfrontal schiebt sich ein Bodenkeil nach Süddeutschland, der für
Wetterberuhigung sorgt. Lediglich im Nordseeumfeld und über der Ostsee gibt es
noch einzelne Schauer und kurze Gewitter, ansonsten lockern die Wolken
vielerorts auf. Der Wind nimmt nach und nach ab, lediglich an den Küsten und auf
den Bergen gibt es noch stürmische Böen oder Sturmböen aus West.

Samstag ... setzt sich nördlich eines Höhenhochs über der Iberischen Halbinsel
eine relativ glatte westliche Höhenströmung über Mittel- und Westeuropa durch.
Dabei setzt im Westen und Süden nach anfänglichem schwachem Hochdruckeinfluss
Warmluftadvektion ein und so greift in der Nacht zum Sonntag von Westen her die
Warmfront eines nach Großbritannien ziehenden Sturmtiefs mit Regen allmählich
auf den Westen Deutschlands über.


Modellvergleich und -einschätzung
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Schon ab dem Donnerstagabend und damit recht zeitig zeigen die Modelle deutliche
Unterschiede, beispielsweise in der Lage der sich zum Sturmtief entwickelnden
Welle. Die Unterschiede bezüglich des Warnmanagements für Deutschland
beschränken sich aber auf Variationen der Windvorhersage im erweiterten
Nordseeumfeld, und dies im Bereich der unteren Warnkategorien (siehe Text).

Für die weitere Entwicklung werden zukünftige Läufe (hoffentlich) ein
einheitliches Bild zeichnen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas