Thema des Tages

12-09-2018 09:20

Hurrikan FLORENCE: Eine Naturkatastrophe für die US-Ostküste!

Mit einer schwer zu beschreibenden Mischung aus Bangen und
Faszination blicken wir Meteorologen derzeit auf den Atlantik, wo
Hurrikan FLORENCE mit unvorstellbarer Kraft, aus dem Weltraum
betrachtet aber auch mit wahnsinniger Schönheit wirbelt und sich
unaufhaltsam der Ostküste der Vereinigten Staaten nähert.

Die Prognose der Verlagerung und Intensität tropischer Wirbelstürme
ist häufig mit großen Unsicherheiten behaftet, insbesondere dann,
wenn sich ein solcher Sturm einem Kontinent nähert und zwangsläufig
mit den rauen Landmassen interagieren muss. So scheint mittlerweile
klar zu sein, dass FLORENCE Kurs auf die Küsten der US-Bundesstaaten
North und South Carolina nimmt, allerdings nicht, was danach
passiert. FLORENCE befand sich Mittwochmorgen (12.09.18, 6 UTC) als
tropischer Wirbelsturm der vierten und damit zweithöchsten Kategorie
der Saffir-Simpson-Skala noch gut 1000 km vor der Ostküste der USA.
Da sich der Sturm ohne nennenswerte Intensitätsänderungen mit etwa 25
km/h nordwestwärts verlagert, wird er in rund 40 Stunden, also
Donnerstagabend oder in der Nacht zum Freitag (dt. Zeit), als
gefährlicher Kategorie-4-Wirbelsturm unmittelbar vor der Küste North
und South Carolinas erwartet. Nachfolgend sorgt die durch die
Landflächen auf das Sturmsystem wirkende Reibung sowohl für eine
allmähliche Abschwächung, als auch für eine drastische Verringerung
der Verlagerungsgeschwindigkeit. FLORENCE wird also aller Voraussicht
nach längere Zeit ihre Kreise unmittelbar vor oder über der Küste
North und South Carolinas ziehen, bevor sie wohl erst zu Beginn der
kommenden Woche über den Osten der USA nordwestwärts abzieht.

FLORENCE wird insbesondere die "Carolinas" also über einige Tage
beschäftigen und dort, vermutlich aber auch in den angrenzenden
Staaten, ab Donnerstagabend (Ortszeit) mit mannigfaltigen
Wettergefahren aufwarten. Eine Kombination aus Orkanböen,
sintflutartigen Regenfällen, Sturmfluten und einem sehr hohen
Wellengang dürften gewaltige infrastrukturelle Schäden nach sich
ziehen. Wir möchten an dieser Stelle einen kleinen Überblick über
diese Wettergefahren geben.

ORKANBÖEN

Die stärksten Böen treten bei tropischen Wirbelstürmen typischerweise
im Bereich der "eyewall", also dem hochreichenden, relativ schmalen
"Wolkenring" um das eher wolken- und windarme "Auge" des Sturms auf.
Nach derzeitigem Stand sind demnach ab der Nacht zum Freitag bis in
den Samstag hinein zunächst am Küstenabschnitt etwa von Myrtle Beach
(South Carolina) über Wilmington bis zu den Outer Banks (North
Carolina) sowie im angrenzenden Binnenland teils extreme Orkanböen
zwischen 140 und 200 km/h und entsprechende Schäden zu befürchten.
Danach steht und fällt alles mit der weiteren Verlagerung von
FLORENCE, die zurzeit nur schwer abzuschätzen ist. Möglicherweise
könnten die Orkanböen weitere Küstenabschnitte besonders von South
Carolina erfassen.

REGEN

Durch die drastische Verringerung der Verlagerungsgeschwindigkeit
werden die ohnehin schon teilweise sintflutartigen Regenfälle - man
möchte fast sagen unnötig - über einen längeren Zeitraum gestreckt.
Im Osten North Carolinas, im Nordwesten South Carolinas und je nach
Verlagerung von FLORENCE auch in den angrenzenden Staaten Virginia
und Georgia fallen ab Donnerstagabend über das Wochenende hinweg
verbreitet 100 bis 300 l/qm, gebietsweise bis 500 l/qm. In Küstennähe
scheinen gar Mengen um oder über 1000 l/qm im Bereich des Möglichen.
Nur zur Veranschaulichung, wie dramatisch diese Summen sind: In den
betroffenen Regionen könnte binnen weniger Tage so viel Regen fallen,
wie beispielsweise in Berlin typischerweise in einem Jahr (gut 500
l/qm). Die Folge wären großflächige Überflutungen sowie Erdrutsche
und somit vielerorts unpassierbare Straßen, Wege und Schienen.

STURMFLUT und WELLENGANG

Ein tropischer Wirbelsturm drückt typischerweise eine gewaltige Menge
Wasser vom offenen Ozean in Richtung der Küsten. Es handelt sich
dabei allerdings nicht um eine "Wasserwand" oder eine Art Tsunami,
sondern eher um einen Anstieg des Meereswasserspiegels um mehrere
Meter in wenigen Minuten. Ursache dafür ist zum einem der sog.
"Atmosphärische Druckeffekt", bei dem der starke Luftdruckfall vor
dem nahenden Wirbelsturm verantwortlich für das Anheben des
Meeresspiegels ist, zum anderen der starke Wind, der eine
Meeresströmung etwa in Windrichtung forciert. Vor allem dort, wo der
Wind auflandig weht, ist daher mit einer lebensgefährlichen Sturmflut
zu rechnen. Im Falle von FLORENCE steht somit ihre Nordflanke im
Fokus (die Luft rotiert bei einem Wirbelsturm auf der Nordhalbkugel
gegen den Uhrzeigersinn). Folglich dürfte die Küste North Carolinas
bezüglich einer extremen Sturmflut im Fokus stehen, ganz besonders
aber die Mündungsbuchten der beiden Flüsse Pamlico und Neuse, wo das
Wasser vermutlich mehr als 3 Meter über Grund steigen wird. Schon im
Vorfeld des Wirbelsturms kommt es darüber hinaus zu hohem Wellengang.
Das europäische Wettermodell EZMW rechnet mit einer Wellenhöhe von
bis zu 15 Metern.

Sie sehen, die Auswirkungen von FLORENCE sind vielfältig und durchaus
dramatisch. Es bleibt zu betonen, dass insbesondere bezüglich der
Verlagerung des Wirbelsturms und bezüglich des genauen Zeitablaufs
größere Unsicherheiten bestehen. Die zuständigen Kollegen vom
amerikanischen Wetterdienst behalten die Entwicklungen rund um
FLORENCE stets im Auge und geben entsprechend aktuellste
Informationen und Handlungsempfehlungen heraus. Auf
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2018/9/12.html finden
Sie einige Links zu den entsprechenden Onlineangeboten der NOAA.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.09.2018

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