Thema des Tages

04-09-2018 08:20

"Dampfbad vor der Haustür"

Der denkwürdige Sommer 2018 ist Geschichte. Er war im bundesweiten
Schnitt außergewöhnlich warm, trocken und sonnig. Nach dem
Rekordsommer 2003 geht er als zweitheißester Sommer seit Beginn
regelmäßiger Wetteraufzeichnungen im Jahre 1881 in die
Geschichtsbücher ein. Regional - insbesondere in Teilen Nord- und
Ostdeutschlands - purzelten die Rekorde. Was hatte das für
Auswirkungen auf die Meeresoberflächentemperaturen von Nord- und
Ostsee und welche Schlüsse lassen sich für den beginnenden Herbst
ziehen?

Durchschnittstemperaturen von beispielsweise 17,7 Grad auf Helgoland
und 19,3 Grad in Rostock: Damit fiel der Sommer 2018 in den
Norddeutschen Bundesländern um 2 bis 3 Grad zu warm aus im Vergleich
zur Referenzperiode 1961 bis 1990. Um sich ein Bild von den aktuellen
Wassertemperaturen von Nord- und Ostsee zu verschaffen, empfiehlt
sich ein Blick auf die im Übrigen neu gestaltete Homepage des
Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (siehe Verlinkung
unterhalb des Artikels). Für die letzte Augustwoche ergaben sich
demnach küstennahe Wassertemperaturen zwischen 18 und 20 Grad in der
Nordsee beziehungsweise 19 bis 21 Grad in der Ostsee. Verglichen mit
dem langjährigen Mittel entspricht das ebenfalls einer positiven
Abweichung von rund 3 Grad.

Logisch? Mitnichten! Denn Luft und Wasser zeigen deutliche
Unterschiede im Verhalten Wärme zu speichern (Stichwort: "spezifische
Wärmekapazität"). Während sich ein gewisses Luftvolumen sehr schnell
erwärmt, aber auch wieder abkühlt, muss man vergleichsweise deutlich
mehr Energie (ca. viermal so viel) aufbringen, um identische
Temperaturänderungen bei Wasser hervorzurufen. Nun erstreckte sich
die Periode überdurchschnittlicher Temperaturen (seit April) über
einen so langen Zeitraum und zudem recht konstant ohne massive
Kaltlufteinbrüche, dass sich das ständig in Umwälzungen befindliche
Meerwasser gleichfalls kontinuierlich erwärmen konnte.

Das freut die Tourismusbranche, die bis weit in den Herbst hinein
noch mit zahlreichen Badeurlaubern rechnen kann. Aufgrund des
beschriebenen Effekts wird es also auch bei kühlerem Wetter (wie es
sich aktuell für das kommende Wochenende abzeichnet) etwas dauern,
bis sich das Wasser wieder auf "Normalniveau" abgekühlt hat. Somit
gilt: Wem es draußen zu frisch wird, der springt einfach ins Wasser
und wärmt sich auf. Allerdings: Die Herbstmonate sind auch
charakterisiert durch ein Niederschlagsmaximum an der Küste. Erfolgt
nämlich ein Kaltluftvorstoß in höheren Luftschichten, so bewirkt der
starke Temperaturkontrast zum warmen Wasser eine aufwärtsgerichtete
Luftbewegung und damit die Bildung von Schauern und Gewittern. Man
kann sich das wie ein Dampfbad in der Therme vorstellen. Zudem
richten sich die Niederschläge häufig mit der Windrichtung aus und
bilden sogenannte Schauerstraßen. So ziehen dichte Wolken mit Regen
wiederholt über ein und dieselbe Region hinweg und können punktuell
zu ergiebigen Niederschlagsmengen führen. Dieser Effekt verstärkt
sich in den Nachtstunden noch durch die größeren
Temperaturunterschiede zwischen Land und See. Mit diesem
Wetterphänomen ist - sofern sich die Wetterlage mit höhenkalter Luft
einstellt - verstärkt zu rechnen.

Wer nun meint, ein frühwinterlicher Einbruch an der Küste (z.B. Ende
November) sei bedingt durch die Vorgeschichte ausgeschlossen, der
sieht sich leider geirrt. Zum einen kann durch eine dauerhaft
unterdurchschnittlich temperierte Witterung die positive
Temperaturabweichung bis dahin abgebaut werden, zum anderen nützt bei
ablandigem Wind auch ein "Dampfbad vor der Haustür" nichts.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.09.2018

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