DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-08-2018 17:30
SXEU31 DWAV 241800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 24.08.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Samstag wechselhaft, im N und NW Schauer und Gewitter, dabei teils böiger
Wind um West. Später an den Alpen einsetzender markanter Dauerregen.
Am Sonntag Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... ist die erwartete Umstellung der Großwetterlage schon weit gediehen,
der Luftmassenwechsel weitgehend vollzogen. Mit Ausnahme des äußersten
Südostens, wo nicht nur die 850-hPa-Temperatur über 10°C liegt, sondern auch
noch Taupunkte von 16-18°C beobachtet werden, hat sich überall trockenere und
kühlere Meeresluft polaren Ursprungs durchgesetzt. In Teilen Westdeutschlands
liegen die Taupunkte sogar unter 5°C, was schon eine ordentliche Hausnummer ist.

Die erste von zwei Kaltfronten, die heute tagsüber in den Analysen geführt
worden sind (und die am frühen Nachmittag in die knapp vorlaufende Konvergenz
gesprungen ist), hat den Vorhersageraum vollständig überquert und ist nun dabei,
langsam die Alpen zu überwinden. Die zweite Kaltfront folgt von Nordwesten nach,
wobei es nun immer schwieriger wird, eine Trennung der beiden Luftmassengrenzen
darzustellen, so dass wahrscheinlich schon in der 18-UTC-Analyse nur noch ein
Exemplar geführt wird. Tatsache ist, dass beide Fronten zu einem mehrkernigen
Tiefkomplex über dem Europäischen Nordmeer respektive Skandinavien gehören, von
dem aus sich ein gut ausgeprägter Bodentrog weit nach Südwesten erstreckt, der
sich im Laufe der Nacht von der Nordsee und Benelux her dem Westen und
Nordwesten unseres Landes nähert.
Stichwort Trog, der ist freilich nicht nur am Boden, sondern auch äußerst in der
gesamten Troposphäre prominent vertreten. Seine Hauptachse (Referenz 500 hPa)
erreicht am frühen Morgen den Grenzbereich zu Benelux, wobei vorderseitig im
leicht diffluenten Isohypsenfeld PVA-bedingt dynamische Hebung generiert wird,
die allerdings durch immer noch aktive KLA teilkompensiert wird.
Wie auch immer, mit Annäherung der Tröge (Boden und Höhe) wird wieder
geringfügig feuchtere Luft (leichter Anstieg der spez. Feuchte in der
Grundschicht) in den Westen und Nordwesten gesteuert, wo es in der zweiten
Nachthälfte zu schauerartig verstärkten Regenfällen kommt, die sich langsam
ostwärts ausbreiten. In der Regel sind die Mengen nicht der Rede wert, kann man
doch froh sein, wenn mal 5 mm oder etwas mehr in die Töpfe fallen. Allerdings
ist nicht ausgeschlossen, dass mal ein Gewitter eingelagert ist (das größte
Potenzial dafür ist allerdings über der Nordsee gegeben). Außerdem sind aufgrund
guter Scherung (LLS um 10 m/s, DLS bis 25 m/s) linienartige Segmente vorstellbar
(siehe Pseudo-Reflektivitäten einiger hochauflösender Modelle), so dass bei
Höhenwinden bis 30 Kt in 850 hPa, einem überlagerten Jet und ausreichend
Labilität durchaus Böen bis 8 Bft, im worst case vielleicht sogar 9 Bft denkbar
sind - auch wenn die numerischen Prognosen das nicht direkt zum Ausdruck
bringen.
Eine Sonderstellung nimmt die Nordsee ein, die zusehends in den
gradientschwachen Innenbereich des Boden- und Höhentrogs gelangt. Damit nimmt
dort die Wind- bzw. Sturmgefahr ab, dafür erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für
Starkregen. Latente Wärme ist durch die hohe Wassertemperatur ausreichend
vorhanden, zudem ist das Ausbilden von ein oder zwei Schauerstraßen nicht
ausgeschlossen. Darüber hinaus erhöht sich durch die schwache Scherung das
Potenzial möglicher Wasserhosen (Typ2-Tornados).
Bliebe abschließend noch ein Blick in den äußersten Süden der Republik, wo sich
die anfangs noch gewittrigen Regenfälle mehr und mehr an den Alpenrand
zurückziehen. Dort nehmen sie durch die Stabilisierung des Luftmassenwechsels
zunehmend skaligen Charakter ann. Vor allem am östlichen Alpenrand können dabei
mal 15 bis 20 mm, vereinzelt auch bis 25 mm Niederschlag zusammenkommen, für
eine Warnung reicht das aber (noch) nicht.
Dort, wo es für längere Zeit mal aufklart, sind Tiefstwerte im um oder auch
unter 10°C zu erwarten, vor allem im Mittelgebirgsraum, teils aber auch im
norddeutschen Binnenland.

Samstag ... greift der Höhentrog weiter auf den Vorsageraum über und wird
gleichzeitig retrograd - ein atmosphärisches Paradoxon? - Antwort: nein. Während
sich bereits in den Frühstunden ein kurzwelliger Anteil aus dem Haupttrog löst,
um tagsüber über Norddeutschland in Richtung Ostsee bzw. Südschweden zu
schwenken, läuft gleichzeitig ein anderer KW-Trog über UK in Rückseite des
Haupttrogs, so dass dieser regeneriert und scheinbar retrograd wird. Um 18 UTC
jedenfalls liegt die Hauptachse wieder da, wo sie 12 Stunden vorher am Morgen
schon mal gelegen hat, nämlich an der Grenze zu Benelux. Fakt ist, dass sich ein
Schwall höhenkalter Luft auf weite Teile des Landes ausbreitet (ausgespart
bleiben der Süden und Südosten), wobei die 500-hPa-Temperatur in der
Nordwesthälfte auf -20 bis knapp -25°C zurückgeht.
Während der Höhentrog als so noch sein Schaff hat, sich anständig in Positur zu
bringen, nimmt der korrespondierende Bodentrog den direkten Weg, will heißen, er
schwenkt mehr oder weniger ambitionslos über Deutschland hinweg ostwärts, wobei
er zusehend an Kontur verliert.
Wettermäßig jedenfalls lässt sich der Vorhersageraum mit einer groben
Dreiteilung versehen, die durchaus unterschiedliche Wettercharaktere zutage
bringt.
Fangen wir "oben" an, wo sich die schauerartigen Regenfälle und Gewitter aus der
Nacht heraus noch etwas nordostwärts verlagern, bevor sich im Nordwesten sowie
im Küstenbereich und auf See in der höhenkältesten Luft weitere Schauer und
Gewitter entwickeln. Besonders im unmittelbaren Nordseeumfeld sowie im Westen
SHs besteht örtlich die Gefahr mehrstündigen Starkregens im Falle wiederholt
auftretender Schauer oder Gewitter. Der westliche Wind frischt im Norden, teils
bis in die nördliche Mitte ausgreifend, zeitweise und vornehmlich in Verbindung
mit Konvektion böig auf mit Spitzen 7 Bft, an den Küsten und auf den Inseln
sowie bei kräftigen Schauern/Gewitter vereinzelt 8 Bft.
Süd-südöstlich der eben beschriebenen "Schauerzone" schließt sich ein von
West-Südwest über die Mitte bis in den Osten und Nordosten verlaufender breiter
Streifen an, in dem wettermäßig eher weniger passiert. Zum einen kommt es zu
einem Einschub trockenerer Luft (spez. Feuchte teils unter 5 g/kg, Taupunkte
gebietsweise unter 5°C), zum Teil wirkt kompensatorisches Absinken zwischen der
Konvektion im Nordwesten und neuen Hebungsvorgängen im Süden (siehe gleich). So
bleibt es in diesem Korridor bis auf einige wenige Schauer trocken bei
allerdings einem Überangebot an Wolken, so dass die Sonne über eine
Komparsenrolle nicht hinauskommt.
Abschließend noch der Blick auf den Süden. Zwar lässt der anfänglich an den
Alpen noch auftretende Regen im Laufe des Vormittags nach, doch schon bald
kommen neue Hebungsprozesse in Gang, die zunächst "nur" die vorhandene kompakte
Bewölkung konservieren, ab dem Nachmittag dann aber neue Regenfälle generieren,
die vor allem die Regionen südlich der Donau traktieren dürften. Der Hauptgrund
für den Regen liegt in der Annäherung der südlichen Spitze des sich weiter
amplifizierenden Höhentroges, was per se schon einen Beitrag zum Omega-Forcing
leistet (PVA, greift aber erst in der Nacht zum Sonntag so richtig). Fast noch
wichtiger ist aber der Aufbau einer Gegenstromlage mit markanter vertikaler
Windscherung. So wehen etwa unterhalb von 600 bis 550 hPa überwiegend
west-nordwestliche Winde, während oberhalb dieser mit einer Isothermie
versehenen Schicht ein Rückdrehen auf Süd-Südwest erfolgt. Unter dem Strich
kommt es zu länger anhaltenden Regenfällen, die bis in den Sonntag andauern und
am östlichen Alpenrand am kräftigsten ausfallen. Dort sind nach den neuesten
Läufen von ICON (12 UTC) 30-40 mm innert 24 h zu erwarten, was etwas weniger ist
als in den Vorläufen. Über eine potenziell markante Dauerregenwarnung (wo und
wie viel) sollte final in der morgendlichen Frühkonferenz entschieden werden,
wenn weitere Modell- und EPS-Prognosen vorliegen.
Noch ein Wort zur Temperatur: Bei 850-hPa-Werten von rund 4°C im NW und rund 8°C
im Südosten reicht die Spanne der Tageshöchsttemperatur in der frisch
eingeflossenen, erwärmten maritimen Polarluft nur noch für 16 bis 22°C, wobei es
im Osten noch am mildesten wird.

In der Nacht zum Sonntag greift der Höhentrog unter weiterer Verkürzung seiner
Wellenlänge auf Deutschland über, wobei sich über den Alpen eine Abtropfung
abzeichnet, die spätestens Sonntagvormittag wahrscheinlich über Oberitalien in
die Tat umgesetzt wird. Bereits zuvor setzt im Bereich des Golfs von Genua eine
Zyklogenese ein.
Wie bereits erwähnt, regnet es südlich der Donau munter weiter, in den Alpen
sinkt die Schneefallgrenze auf rund 1800 m, in Verbindung mit kräftiger
Niederschlagsabkühlung sogar bis auf nahe 1500 m. Ansonsten nimmt die konvektive
Aktivität im nord- und Nordwestdeutschen Binnenland im Zuge diabatischer
Abkühlung von unten und damit einhergehender Stabilisierung rasch ab, während
sie über dem warmen Nord- und Ostseewasser andauert. Dort sind auch weitere
Gewitter wahrscheinlich, und auch die Starkregengefahr ist noch nicht gebannt.
In Verbindung mit einem neuen, von Nordwesten südostwärts schwenkenden Bodentrog
sind in der zweiten Nachthälfte besonders auf, aber auch unmittelbar an der
Nordsee einzelne schauerunabhängige Böen 7 Bft ins Kalkül zu ziehen.
Noch mal zurück ins Binnenland, wo es vielerorts aufklart und entsprechend
auskühlt auf einstellige Werte, in den Mittelgebirgen stellenweise sogar auf 5°C
oder etwas darunter.

Sonntag ... beruhigt sich die Wetterlage tendenziell schon wieder. Die o.e.
Abtropfung erfolgt, das Höhentief zieht zur nördlichen Adria, was für unser
Wetter aber nur mittelbare Folgen hat. Bei uns schwenkt das nördliche
Trogresiduum relativ alert über den Nordosten in Richtung südöstliche Ostsee,
gefolgt von einer Stabilisierung, die sich in einem flachen, am Nachmittag von
Westen übergreifenden Höhenrücken widerspiegelt. Dabei steigt die
500-hPa-Temperatur auf z.T. deutlich über -20°C an, während es in der unteren
Troposphäre vergleichsweise frisch bleibt (T850 um 4/5°C). Der Luftdruck steigt
an und es baut sich ein Zwischenhochkeil auf, der von Frankreich her bis hoch in
die küstennahen Gebiete reicht.
Mit Abziehen des nördlichen Trogüberbleibsels verlagert sich die Zone
konvektiver Umlagerungen unter Abschwächung über die Ostsee hinweg nordostwärts,
bevor die Schauer- und Gewitteraktivität von Westen her quasi ganz zum Erliegen
kommt.
Nachlassen tun auch die Niederschläge im äußersten Süden, auch wenn es
insbesondere am östlichen Alpenrand noch bis zum Nachmittag leicht tröpfeln
kann. So stellt sich in weiten Teilen des Landes ein heiter bis wolkiger Sonntag
ein, an dem die längsten sonnigen Abschnitte im Südwesten erwartet werden. Die
Temperatur steigt strahlungsbedingt schon wieder etwas an und landet am Ende bei
17 bis 22°C im Südwesten lokal vielleicht sogar 23°C. Einzig im Südosten
Bayerns, wo man noch die heutige Heimniederlage gegen Hoffenheim verdauen muss
(: und Wolkenauflockerungen eher eine zähe Angelegenheit bleiben, wird es
schwer, das Niveau der übrigen Landesteile zu erreichen.

In der Nacht zum Montag greift starke WLA auf den Norden und Westen über, die
nicht nur die Vorderseite eines flachen, zur Nordsee ziehenden KW-Trog markiert,
sondern auch die Annäherung einer Warmfront ankündigt. Diese ist Mitglied eines
Frontensystems, das wiederum zu einer langgestreckten Tiefdruckzone über dem
Seegebiet west- und südlich Islands gehört. Zwar bleibt die Front zunächst noch
außen vor, es reicht aber, mehrschichtige Bewölkung in den Norden und Westen zu
schicken, aus denen es in den frühen Morgenstunden etwa zwischen Nordsee und
Eifel leicht anfängt zu regnen oder nieseln. Gleichzeitig nimmt der auf südliche
Richtungen rückdrehende Wind bei über der Nordsee und - bei stabiler Schichtung
- in höheren Lagen West- und Norddeutschlands zu mit Böen 7-8 Bft.
Im Süden und Südosten, wo die Wolken nicht ankommen und die Nacht klar wird,
kühlt die Luft gebietsweise auf unter 5°C ab. In klassischen Mulden- und
Senkenlagen der Mittelgebirge sowie am Alpenrand kann durchaus leichter Frost in
Bodennähe auftreten, was man vor ein paar Tagen angesichts 30°C und mehr auch
noch nicht für möglich gehalten hätte.

Montag ... greift das okkludierende Frontensystem auf die Westhälfte über, wo es
aber ausgebremst wird, weil sich der rückseitige Höhentrog über der Nordsee eher
verschärft als nach Osten durchzuschwenken. So fällt im Norden und Nordwesten
noch etwas Regen, während es sonst weitgehend trocken bleibt und vor allem im
Süden sowie im äußersten Osten häufiger die Sonne zum Zuge kommt. Der später auf
westliche Richtungen drehende Wind frischt besonders an der See, aber auch im
nordwestdeutschen Binnenland mitunter auf, wobei Spitzen der Stärke 7 Bft
erreicht werden.
Die Temperatur steigt auf 18 bis 24°C, vereinzelt wird vielleicht sogar ein
Sommertag erreicht (>= 25°C) - naja, hatten wir ja auch lange nicht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es gibt nichts Nennenswertes hinzuzufügen, das Modellplenum zeigt sich im Großen
und Ganzen einig.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann