DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-08-2018 17:30
SXEU31 DWAV 061800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 06.08.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Weiterhin heiß, ab Mittwoch nur zögerlicher Temperaturrückgang von Westen her.
Allmählich zunehmende Gewitterneigung, meist aber noch trocken und dürr.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland unter leichtem Hochdruckeinfluss, bei der
verbreitet trockene, sehr warme bis heiße Luft das Wettergeschehen bestimmt.
Lediglich im äußersten Süden, wo etwas mehr Feuchte und potenzielle Instabilität
vorhanden ist, hat es für ein paar isolierte Gewitter gereicht, die auch aktuell
noch aktiv sind. Letztlich wird ihnen aber durch den sinkenden Sonnenstand und
die einbrechende Nacht mehr und mehr der Strick um den virtuellen Hals gelegt.
Ansonsten gilt es zu berichten, dass mit Ausnahme großer Teile Nord- und
Ostdeutschlands zum gefühlt tausendsten Mal in diesem Jahr (Genaueres dazu im
heutigen Thema des Tages unter www.dwd.de) die 30°C-Marke überschritten wurde.
Auffallend sind die sehr niedrigen Taupunkte (häufig einstellig, lokal bis 3
oder 4°C) in der Nordhälfte (außer Küste) sowie der Mitte bis nach Nordbayern,
die nach der vergangenen abermals eine halbwegs erholsame Nacht (Stichwort
LÜFTEN) erwarten lassen.
Synoptisch forciert sich über dem nahen Ostatlantik die tagsüber noch recht
zaghaft begonnene Austrogung, was stromab die Aufwölbung des über Mitteleuropa
liegenden flachen Höhenrückens zur Folge hat. Das dazu korrespondierende
Bodenhoch verlagert sein Zentrum unter leichter Abschwächung nach Osten, so dass
Deutschland zusehends auf die (warme) Ostflanke gerät.
Wettertechnisch hat das alles keine großen Konsequenzen, will heißen, die Nacht
geht gering bewölkt oder klar über die Bühne, wobei die Temperatur auf 22 bis
14°C, lokal sogar in Richtung 12, 11 oder 10°C zurückgeht (die Trockenheit von
Boden und Luft garantiert an den entsprechenden Stellen einen großen Tagesgang)
mit den niedrigsten Werten im Norden und Osten (außer Küste) und den höchsten im
Westen und Südwesten.

Dienstag ... amplifiziert sich der o.e. Trog weiter bei gleichzeitig langsamer
Verlagerung in Richtung Kontinent. Aus dem langwelligen Gefüge löst sich ein
kurzwelliger Anteil, der tagsüber über den Ärmelkanal schwenkt und am Abend
dessen Ostausgang respektive Nordfrankreich erreicht, was später auch für uns
noch von Bedeutung sein könnte. Zunächst mal allerdings stehen wir noch unter
dem Einfluss des sich weiter aufwölbenden Rückens, der aber - ausgestattet mit
negativer Achsstellung (also von Südost nach Nordwest gerichtet) - leicht
progressiv nach Osten wandert. Das hat zur Folge, dass der Vorhersageraum peu a
peu zwischen die Stühle unter eine südwestliche Höhenströmung gelangt, die
zumindest bis zum Abend aber noch weitgehend antizyklonal konturiert ist.
Ansonsten halten wir fest, dass sich das Bodenhoch noch etwas von uns entfernt,
wodurch der Luftdruck etwas fällt. Während sich dabei über Frankreich eine
rinnenartige Tiefdruckzone mit definierter konfluenter Windzone bildet, kommt
bei uns nur eine schwach zyklonal ausgeprägte Tiefdruckzone ohne nennenswerte
Struktur zustande (erst spät zeigt sich im Nordwesten so etwas wie ein kleines
Hitzetief). Dabei überwiegen südliche bis östliche Winde, die mithelfen, das
ganze Land mit Heißluft zu fluten. So werden am Abend verbreitet um 20°C in 850
hPa erwartet (Maximum über Sachsen-Anhalt mit 22°C, Minimum über Nordfriesland
mit 17°C), was für ganz Deutschland einmal mehr Hitzestress pur bedeutet.
Gnadenlos und ohne Rücksicht auf Verluste brezelt die Sonne vom Himmel und
treibt die Temperatur verbreitet auf 32 bis 38°C, lokal sogar auf 39°C. Einzig
in höheren Lagen sowie an Küstenabschnitten mit Seewind wird es mit 26 bis 32°C
nicht ganz so heiß.
Thema Gewitter: während in der Nordhälfte trockenes Wüstenklima herrscht, nimmt
die Gewitterneigung in der Südhälfte gegenüber heute zu. Grund dafür ist die
Tatsache, dass sich die heute nur ganz im Süden zu findende potenziell instabile
und feuchte (spezifische Grundschichtfeuchte 9 bis 14 g/kg, PPW 30 bis knapp 40
mm) Luft mit der südlichen Strömung bis in die Mitte vorankommt. Dabei wird
verbreitet ML-CAPE zwischen 1000 und 1500 J/kg, teils sogar darüber generiert.
Klingt gut, doch was nutzt das Ganze, wenn man qualitativ hochwertigen,
renntauglichen Treibstoff besitzt, aber nicht den passenden Motor dazu. Oder um
es mit anderen Worten auszudrücken, auch morgen mangelt es wieder an
Zündmechanismen aus dem synoptisch-skaligen Handwerkskoffer (Trog, Konvergenz,
Front o.ä.), im Gegenteil, teilweise ist die Labilität sogar gedeckelt. Hinzu
kommt ein vor allem zur Mitte hin extrem hohes KKN mit rund 3000 m. Kurzum,
Orografie und Einstrahlung werden gut zusammenarbeiten müssen, um im
Tagesverlauf ein paar Zellen in die Atmosphäre zu schicken. Es ist aber davon
auszugehen, dass ihnen das gelingen wird, so dass es am Ende für einzelne
kräftige Gewitter mit Starkregen, Hagel und Sturmböen reichen wird. Dabei
besteht räumlich eng begrenz Unwettergefahr durch Starkregen oder auch größeren
Hagel (2-4 cm Durchmesser), auch wenn es um die Organisation der Zellen mangels
Scherung nicht so weit her ist.

In der Nacht zum Mittwoch fallen die Gewitter im Süden (und ggf. auch in der
Mitte) aufgrund fehlender Eigendynamik bzw. fehlender synoptischer Unterstützung
mehr und mehr dem Tagesgang zum Opfer. Trotzdem könnte die Nacht in puncto
Konvektion durchaus noch interessant werden.
Dabei richtet sich der Blick zunehmend nach Westen bzw. Südwesten (Frankreich,
Benelux), wo sich bereits in den Abendstunden im Bereich der dortigen Rinne und
mit Hilfe des o.e. Sekundärtrogs mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit ein
organisiertes Gewittersystem (MCS, vielleicht auch was Linienartiges)
entwickelt. Dieses System - wie immer es letztlich aussehen wird - verlagert
sich in den Nachtstunden nordostwärts und könnte! dabei auch deutsches
Hoheitsgebiet treffen. Die Rahmenbedingungen im Westen und Nordwesten unseres
Landes jedenfalls sind so geartet, dass ein solches System durchaus "willkommen"
wäre und nicht sofort das Zeitliche segnen würde. Zwar ist die Labilität nicht
überbordend hoch, es gibt aber leidlich MU-CAPE (elevated mixed-layer),
ausreichend Feuchte, dazu gute Scherungsbedingungen (LLS bis zu 15 m/s, DLS bis
knapp 30 m/s). Auch die mittlerweile in den indifferenten Zustand übergegangene
südwestliche Höhenströmung agiert zumindest nicht als Klotz am konvektiven Bein.

Eine Antwort auf die Frage, ob überhaupt (die Numerik agiert sehr defensiv) und
wenn ja, wie stark wir von einem solchen Szenario betroffen sein werden, kann
jetzt noch nicht abschließend beantwortet werden. Fakt ist, dass dem
nordostwärts ziehenden Hitzetief bzw. einer sich daraus bildenden Rinne (also im
Vorfeld der eben genannten Gewitter) konvektiv nicht viel zugetraut wird, was
angesichts der abgehobenen, nicht von ganz unten ausgehenden Labilität auch
plausibel ist. Einzig GFS wartet mit einigen Schauern und Gewittern in Teilen
Norddeutschlands auf.
Die Tiefsttemperatur liegt zwischen 16 und 23°C.

Mittwoch ... weitet sich der LW-Trog über dem nahen Ostatlantik bei nur geringer
Progression noch weiter nach Süden aus. Entsprechend steilt die südwestliche
Höhenströmung bei uns etwas auf, wobei sie auf das menschliche Auge einen sehr
glattgebügelten Eindruck macht. Nennenswerte KW-Tröge oder -Keile jedenfalls
sind nicht auszumachen, gleichwohl zeigen die Diagnosekarten einige schwächere
Hebungspeaks, die für ein leichtes "Flattern" der Höhenströmung sprechen.
Wie auch immer, Tatsache ist, dass die o.e. Rinne mit eingelagerter Konvergenz
weiter nach Osten wandert und im Laufe des Nachmittags wahrscheinlich schon das
benachbarte Polen erreicht. Innerhalb der Rinne ist die Labilität am höchsten,
das generierte CAPE ist aber vielfach gedeckelt. So ist nach einem
vormittäglichen Minimum davon auszugehen, dass die Rinne (bzw. die eingelagerte
Konvergenz) zumindest noch einigermaßen mit dem Tagesgang (starke Einstrahlung)
interagiert, dass am Ende einige Überentwicklungen in Form von Schauern und
lokal kräftigen Gewittern auftreten werden. Die Numerik agiert auffallend
defensiv, was vielschichtige, durchaus nachvollziehbare Gründe hat. Zum einen
fehlt die dynamische Unterstützung aus der Höhe, zum anderen liegt kaum Scherung
vor, hinzu kommen ziemlich trockene Verhältnisse (hoher Spread) in der unteren
Grenzschicht, ein überwiegend ausgetrockneter Boden und - last but not least -
das Fehlen von Bergen im Nordosten und größtenteils auch im Osten.
Fakt ist, dass hinter der Rinne der Wind auf westliche Richtungen dreht, was mit
einem leichten Temperarturrückgang verbunden ist. Die heißeste Luft zieht sich
damit in den Osten zurück, wo die 35°C-Marke noch mal überschritten wird und
punktuell vielleicht sogar 39°C erreicht werden. Ansonsten konvergiert das
Thermometer "nur" noch Richtung 30 bis 35°C, im äußersten Westen und Nordwesten
z.T. sogar etwas darunter.
Apropos Westen, was erwartet uns dort wettertechnisch? Zunächst mal laufen die
möglichen Gewitter, die aus der Nacht heraus zwischen NRW und Nordsee unterwegs
sind, auf ihrem Weg nach Nordosten in die vormittägliche Depression, will
heißen, sie schwächen sich ab.
Später, wenn sich die (erste) Kaltfront eines sich nur wenig verlagernden Tiefs
zwischen Schottland und Island von Westen her nähert, könnte neuerliche
Konvektion aufgelegt werden. Insbesondere im Südwesten, wo die präfrontale
Luftmasse noch instabil und feucht genug zu sein scheint, ist die Gefahr
kräftiger Gewitter ebenso wie im gesamten Süden gegeben, während sich nach
Nordwesten hin eine Stabilisierung und Abtrocknung andeutet.
FAZIT: Die geschilderte Entwicklung basiert auf konzeptionelle Überlegungen und
stellt eine Zusammenfassung verschiedener Modellprognosen dar. Im Einzelnen
simulieren die Modelle das Szenario jeweils etwas anders, vielleicht kommt am
morgigen Dienstag ja etwas mehr Klarheit rein. Auf alle Fälle besteht bei allen
Gewittern örtliche Unwettergefahr durch Starkregen oder Hagel, der Verfasser
hält aber an der Meinung fest, dass sich eine großflächige Unwetterlage vor
allem wegen der fehlenden dynamischen Unterstützung und der großen Trockenheit
zunächst noch nicht abzeichnet.

In der Nacht zum Donnerstag deuten einige Modelle mal etwas früher, mal etwas
später die Passage von Gewittern oder gewittrigem Regen an, der sich von
Ostfrankreich und der Schweiz her nordostwärts verlagert. Möglicherweise bildet
sich auch ein nicht allzu großer Gewittercluster aus. Ursächlich dafür könnte
ein vor allem in der unteren Troposphäre ausgebildeter Sekundärtrog sein, der im
Vorfeld der nur wenig Boden nach Osten gutmachenden Kaltfront nordostwärts
abläuft.
Während im Osten, bedingt auch im Südwesten die "Abkühlung" bei rund 20°C
erheblich ins Stocken gerät, stehen Richtung Emsland in der dort eingeflossenen
kühleren und trockeneren Luft Werte unter 15°C auf der Karte.

Donnerstag ... kommt wahrscheinlich etwas mehr Schmackes in die Bude, nachdem
zuvor doch eher mit angezogener Handbremse hantiert wurde. Der westlich von uns
positionierte Trog rückt immer weiter an den Vorhersageraum heran, wodurch die
Höhenströmung noch mehr aufsteilt und vor allem einen zyklonaleren Anstrich
bekommt. Die Kaltfront wird durch das Aufsteilen weiterhin ausgebremst, so dass
weite Teile des Landes zunächst noch im Bereich amorpher barometrischer
Verhältnisse mit sehr warmer bis heißer, nun aber zunehmend feuchterer (spez. F.
bis 15 g/kg, PPW teils über 40 mm) und vor allem potenziell instabiler
Luftmassen verbleiben, auch wenn die Temperaturspitzen nicht mehr ganz so hoch
ausfallen wie die Tage zuvor (Überschreitung der 35°C-Marke eher
unwahrscheinlich). Nur der äußerste Westen und Nordwesten kommen in den Genuss
trockenerer und weniger heißer Luft, trotzdem reicht es auch dort mit Ausnahme
der Ostfriesischen Inseln für Höchstwerte um 27°C.
Zum Wetter nur so viel: Im Westen wird es zumindest gebietsweise stärker bewölkt
sein, während es im Osten und Süden noch mal ordentlich einstrahlt. Es
entwickeln sich vermehrt Gewitter, die von Südwest nach Nordost ziehen und teils
unwetterartig ausfallen. Details folgen in den nächsten beiden Tagen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es fällt auf, dass der schon seit einigen Tagen apostrophierte
Temperaturrückgang im Laufe der Woche zwar weiterhin Gültigkeit besitzt, durch
den wellenden Charakter der sich nähernden Kaltfront zunächst aber eher
häppchenweise vonstattengeht. Erst mittelfristig, wenn die Kaltfront
Unterstützung durch weitere, vom Atlantik folgende Fronten erfährt und sich der
Trog endlich bequemt, bei uns durchzuschwenken, ist mit einem "richtigen"
Luftmassenwechsel zu rechnen.
Dass die Entwicklung der Gewitter insbesondere ab der Nacht zum Mittwoch
gewissen Unsicherheiten unterliegt, wurde im Text bereits angedeutet.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann