Thema des Tages

26-06-2018 10:50

Faszination Gewitter - Elmsfeuer

Jeder, der schon einmal ein schweres Gewitter erlebt hat, weiß um die
Gefahr, die davon ausgeht. Häufig sind es die Begleiterscheinungen
wie heftiger Starkregen, Orkanböen, großer Hagel oder Tornados, die
enorme Schäden anrichten. Aber auch Blitzschlag kann ein Haus in
Flammen aufgehen lassen oder für einen getroffenen Menschen sogar
tödlich enden. Trotzdem faszinieren uns diese Gewalten der Natur
immer wieder aufs Neue. Vor allem die mit hohen elektrischen
Spannungen zusammenhängenden Leuchterscheinungen sind besonders
beeindruckend.

Die Spannungen entstehen dabei durch Reibung: Im sogenannten
Aufwindbereich der Gewitterwolke werden sehr viele Wassertröpfchen
und Eiskristalle mit Geschwindigkeiten von über 100 Stundenkilometern
in eisige Höhen, zum Teil über 10 km, katapultiert, um anschließend
wieder in Richtung Erde zu fallen. Dieser Vorgang kann sich mehrmals
wiederholen. Eine der gängigen Theorien besagt, dass die Teilchen auf
ihrem Weg durch die Wolke aneinanderstoßen, wodurch es zu einer
elektrischen Ladungstrennung innerhalb der Wolke kommt. So entstehen
zum einen positive Ladungen, die sich im oberen Bereich der Wolke
ansammeln, zum anderen konzentrieren sich negative Ladungen im
unteren Teil. Die dadurch hervorgerufenen Spannungen sind dabei
erheblich und können bis zu 1.000.000.000 Volt betragen. Sie sind
sogar so groß, dass die negativ geladenen Teilchen am Erdboden, die
der negativ geladenen Unterseite der Wolke nahe sind, abgestoßen
werden (gleichpolige Ladungen stoßen sich ab), sodass sich diese
Region am Boden positiv auflädt.

Übersteigt das durch Ladungstrennung erzeugte elektrische Feld an der
Erdoberfläche einen bestimmten Schwellwert (etwa 100.000 Volt pro
Meter), kommt es direkt an exponierten Stellen zu schwachen bis
mäßigen Entladungen, das heißt, Luftmoleküle werden ionisiert und
beginnen dort in unmittelbarer Umgebung zu leuchten. Dieses Phänomen
bezeichnet man auch als "Elmsfeuer". Die Farbe des Elmsfeuers ist
meist blau oder violett, was aus den chemischen Eigenschaften der
Stickstoff- und Sauerstoffmoleküle resultiert, aus denen sich die
Erdatmosphäre hauptsächlich zusammensetzt.

Häufig tritt diese Leuchterscheinung übrigens an hohen, spitzen
Gegenständen oder Objekten wie Schiffsmasten oder Kirchtürmen auf.
Aber auch an den Scheiben von Flugzeugcockpits oder an einem
Gipfelkreuz im Gebirge lässt sich das Elmsfeuer zusammen mit einem
charakteristischen Knistern in der Luft beobachten. Die Erklärung
liegt in der Stärke des elektrischen Feldes: Diese ist umso größer,
je dichter die elektrischen Feldlinien (Linien gleicher Feldstärke)
beieinanderliegen. Auf einer elektrisch geladenen und leitenden
Oberfläche stehen die Feldlinien senkrecht zur Oberfläche. Geht man
aber von einer stark konvex gekrümmten Oberfläche (z. B. einer Spitze
oder einer scharfen Kante) aus, wird das elektrische Feld erheblich
deformiert, die Feldlinien liegen dichter beieinander und die
Feldstärke ist deutlich größer. Das sind dann auch die Stellen, in
die Blitze bevorzugt einschlagen.

Somit begünstigen Objekte wie Gipfelkreuze, Kirchtürme oder
Schiffsmasten die Entstehung des Elmsfeuers bei aufziehenden
Gewittern. Aber auch an den Messinstrumenten des Sonnblick
Observatoriums am Gipfel des Hohen Sonnblick auf 3106 Metern in den
österreichischen Alpen bildete sich schon mehrfach ein Elmsfeuer. So
wurde das Phänomen dort am 28. November 2012 um 19 Uhr von einer
Webcam aufgezeichnet, deren Aufnahmen uns freundlicherweise von
www.foto-webcam.eu zur Verfügung gestellt wurden (siehe linke
Abbildung unter www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2018/6/26.html).


Im Englischen wird das Phänomen übrigens auch als "Saint Elmo?s fire"
bezeichnet, was Rückschlüsse auf die Namensgebung zulässt. So riefen
Seefahrer früherer Zeiten den heiliggesprochenen Bischof Erasmus von
Antiochia an (im italienischen auch "Elmo" genannt), wenn sie durch
ein Gewitter in Not gerieten und das Ende ihrer Schiffsmasten in den
blau-violetten Farben erleuchtet sahen (passend dazu die rechte
Abbildung "Elmsfeuer an den Mastspitzen eines Schiffes auf dem Meer"
aus der NOAA Photo Library).

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.06.2018

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