Thema des Tages

24-06-2018 07:50

Die gespaltene Front


Tagtäglich gehört der Blick auf die Erde aus dem Weltall zur Arbeit
eines Meteorologen. Mithilfe unzähliger Satelliten ist es heutzutage
möglich, die unterschiedlichsten Wolkenstrukturen und deren
Entwicklung mit sehr hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung zu
beobachten. Dies hat vorrangig für die Erstellung der
Wettervorhersage eine große Bedeutung. So kann z.B. verfolgt werden,
ob die Entwicklung eines Tiefdruckgebietes über dem Ozean so
verläuft, wie es die Wettermodelle auch erwarten, da einem dort nur
wenige Echtzeitmessungen, wie die von Schiffen, zur Verfügung stehen.
Natürlich spielt aber auch die Ästhetik eine Rolle, denn man wird
nicht selten Zeuge von beeindruckenden Wolkenstrukturen mit den
unterschiedlichsten Formen. Im heutigen Thema des Tages soll so ein
"Schnappschuss" vorgestellt werden, der eine sogenannte "split front"
über dem offenen Nordatlantik zeigt.

Dafür schauen wir in die Vergangenheit und zwar auf den 28. Mai 2018
und richten unseren Blick auf das Seegebiet vor Grönland, direkt
südlich der Irmingersee (beigefügtes Bild). Es ist ein riesiger
Wolkenwirbel zu erkennen, der ein für die Jahreszeit kräftiges
Sturmtief darstellt.
Dieses Tiefdruckgebiet entwickelte sich bereits am 24. Mai über den
Weiten Kanadas, verlagerte sich in der Folge über Neufundland nach
Osten und erreichte im Verlauf des 27. Mai den offenen Atlantik. Dort
zog es in eine äußerst entwicklungsförderliche Umgebung. Zwischen dem
wärmenden Wasser des Golfstroms und der winterlich kalten Polarluft
über Grönland baute sich ein markanter Temperaturgradient auf.
Außertropische Tiefdruckgebiete beziehen unter anderem ihre Energie
aus solchen Temperaturgradienten und daher verwunderte es nicht, dass
sich das Tiefdruckgebiet vom 27. auf den 28. Mai innerhalb von 24
Stunden um mehr als 20 hPa verstärkte. Diese Intensivierungsrate
liegt nur geringfügig unter der einer sog. "rasanten
Tiefdruckentwicklung", von der man ab einem Druckfall von 24 hPa/24h
spricht. Dabei entstand während der intensivsten Phase dieses
Satellitenbild, in das grob die Kaltfront eingezeichnet wurde. Dabei
besitzt die Bodenfront farblich ausgefüllte Symbole, während die
offenen Symbole eine Höhenfront repräsentieren, also eine Front, die
sich nur in der Höhe bemerkbar macht. Das "T" stellt das
Tiefdruckzentrum dar und ist gekennzeichnet von einer immer enger
werdenden Wolkenspirale.

Nun muss man wissen, dass bei sehr kräftigen Tiefdruckentwicklungen
trockene Luft aus höheren Bereichen der Troposphäre einbezogen wird -
nicht selten aus 9 bis 11 km über Grund. Diese trockene Luft wird auf
der Südseite des Tiefdruckgebietes regelrecht in tiefere Bereiche der
Troposphäre gerissen und wirbelt dann weiter nach Nordosten. Sehen
Sie den ziemlich wolkenfreien Bereich südlich und östlich des
Tiefdruckzentrums? Das sind die Auswirkungen der trockenen Luftmasse,
in der sich ein Großteil der Bewölkung auflöst. Diese trockene
Luftmasse wurde durch einen gelben Pfeil gekennzeichnet.
Gleichzeitig wurde vorderseitig der Kaltfront bodennah eine warme und
feuchte Luftmasse aus Südosten um das Tief geführt (rote Pfeile).

Wenn nun die trockene Luftmasse südlich um das Tiefdruckzentrum
gewirbelt wird und die Kaltfront erfasst, die sich östlich vom
Zentrum befindet, dann wird der obere Bereich der Kaltfront
abgetrocknet. Die trockene Luftmasse überrennt die Kaltfront und
frisst sich in die Wolkendecke, die die Kaltfront begleitet. Dabei
wird der Übergang dieser trockenen Höhenluft und der feuchten und
wolkenreichen Luftmasse als Höhenkaltfront bezeichnet. Dies wurde im
Satellitenbild wie bereits erwähnt durch eine Front mit offenen
Symbolen dargestellt. Die bodennahe Kaltfront hingegen ist deutlich
hinter der Höhenkaltfront zu finden. Diese Art der Frontenverteilung
wird als "split front" bezeichnet. Dabei ist der Bereich zwischen
Höhen- und Bodenfront meist durch tiefe Bewölkung gekennzeichnet, die
in diesem Fall jedoch nur spärlich vertreten war. Der Einschub
trockener Höhenluft fiel in diesem Beispiel sehr kräftig aus und die
Bodenfront war dort relativ wetterinaktiv.

Mit diesem Wissen lässt sich erklären, wieso man manchmal nach der
Passage der Höhenkaltfront mit Schauern und Gewittern nur kurze Zeit
später erneut Schauer- und Gewitterwolken am Horizont erkennt. Diese
sind in dem Fall an die bodennahe Kaltfront gebunden und sorgen
erneut für unliebsame Überraschungen infolge von Blitzschlag und
teils heftigen Böen.

Bleibt abschließend zu sagen, dass die Satelliten in der heutigen
Zeit aus der Wettervorhersage nicht mehr wegzudenken sind, denn mit
ihrer Hilfe können u.a. auch solche Ereignisse entdeckt und
analysiert werden, die sich weit abseits der Kontinente ereignen und
bedeutend für die regionalen maritimen Vorhersagen sein können.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.06.2018

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