Thema des Tages

08-06-2018 07:50

Die Spuren eines Tornados


Wir schreiben den 9. September 2016 in Illinois, USA. Es war wieder
einer der Tage, an dem die Meteorologen vor Ort mit Sorgenfalten zum
Himmel schauten. Ein kräftiger Trog (siehe unten beigefügter Link)
lag über den Rocky Mountains und bewegte sich langsam nach Osten in
Richtung Illinois. Sorgenfalten deshalb, weil im Süden der USA eine
sehr warme und feuchte Luftmasse vorhanden war, die vorderseitig
dieses Troges nach Nordosten u.a. in Richtung Illinois geführt werden
sollte. Ein klassisches Setup für organisierte und potentiell
schadensträchtige Gewitter. Die feuchte und warme Luftmasse stellte
sozusagen den Zündstoff (die Labilität) dar und u.a. sorgte der
nahende Trog für die notwendige Hebung. Dadurch sollte die
energiegeladene Luft aufsteigen, sich dabei abkühlen und
hochreichende Gewitterwolken bilden.
Mit Annäherung des Troges sollten zudem die Winde mit der Höhe
zunehmen und auch mit der Höhe aus unterschiedlichen Richtungen
wehen. Diese sogenannte "Windscherung" ist dafür verantwortlich, dass
Gewitter längere Zeit überleben und gar rotieren können. In diesem
Stadium werden sie "Superzellen" genannt (siehe unten beigefügter
Link). Sie gehen mit den heftigsten Begleiterscheinungen wie großem
Hagel und teils auch Tornados einher. Genau diese Art von Gewittern
wurde am 9. September 2016 in Illinois erwartet.

Die Luft erwärmte sich an diesem Tag rasch auf Temperaturwerte um 30
Grad und in Verbindung mit der sehr feuchten Luftmasse (Taupunkte um
23 Grad) konnte man in der drückend-schwülen Umgebung bereits
erahnen, dass sich die Atmosphäre im Verlauf des Nachmittags und
Abend in Gewittern entladen würde. Und so geschah es auch.
Die heftigen Gewitter entwickelten sich über der Mitte und dem Süden
von Illinois im Nachmittagsverlauf und brachten neben Platzregen und
lokalem Hagelschlag vor allem auch mehrere Tornados. Diese wurden von
zahlreichen Augenzeugen auf Handys festgehalten und zeigten zum
wiederholten Male in diesem Jahr durch Tornados zerstörte
Landstriche.

Einer dieser Tornados ereignete sich in der Nähe des Städtchens
Homer, das mehrere Autostunden westlich von Indianapolis zu finden
ist. Dort zog der Tornado gegen 18:30 Uhr Ortszeit für 19 Minuten
durch die Landschaft und wurde als kräftiger Tornado der zweiten von
fünf Intensitätsstufen klassifiziert (der sog. "Fujita-Skala"). Die
Schneise der Zerstörung wies eine Länge von rund 10 km und eine
Breite von weniger als 70 m auf. Das Gute zuerst: Es gab weder
Verletzte noch Todesopfer zu beklagen.
Das eigentlich Beeindruckende an diesem Ereignis aber war, dass rund
einen Monat später neue Satellitenaufnahmen unter anderem von dieser
Region gemacht wurden, die auf "Google Maps" einzusehen sind. Sie
zeigen sehr eindrücklich die durch den Tornado entstandene
Schadensspur und geben somit eine seltene Möglichkeit, solch eine
Spur aus dem All zu betrachten. Im Anhang sind einige der Aufnahmen
zu sehen.
Besonders beeindruckend ist, wie konzentriert die stärksten Winde um
solch einen Wirbel auftreten, aber auch wie weiträumig wiederum das
potentielle Gefahrenfeld durch herumfliegende Trümmerteile sein kann
(gestrichelter Bereich im Bild 2). Es ist auch anhand dieser
Aufnahmen sehr schön zu erkennen, dass ein Tornado nicht geradlinig
durch die Landschaft "pflügen" muss, sondern vielmehr mal den einen
oder anderen Haken schlagen kann. Wie groß muss da das Pech sein,
wenn das eigene Hab und Gut in dieser schmalen Schneise der
Zerstörung liegt!

Satelliten werden aber auch bereits seit einigen Jahren aktiv
eingebunden, wenn es darum geht, nach ähnlichen Gewitterereignissen
das Ausmaß der Tornadoschneise(n) schnell und zügig überblicken zu
können. Dafür werden nicht nur hoch aufgelöste Satellitendaten
verwendet, sondern z.B. auch solche, die abrupte Änderungen in der
Vegetation von einem zum anderen Tag erkennen können und die dabei
auch unabhängig vom Bewölkungszustand arbeiten. Dies ist nur ein
kleiner Teil der Möglichkeiten, denn das Feld der Satellitenanalyse
ist ein sehr umfangreiches. Auf jeden Fall aber stellt diese Art der
Detektion von Tornadospuren z.B. in abgelegenen Regionen, oder in
sehr ländlichen und stark bewaldeten Gebieten einen großen Vorteil
dar, wenn man die Hilfskräfte zielgenau in die Schadensregion
schicken möchte. Dies wird nicht nur in den USA, sondern auch in
anderen Bereichen der Welt, wie z.B. Russland, bereits aktiv
durchgeführt.

Man sieht also, dass einen solche Satellitendaten nicht nur
erschaudern lassen, wenn sie die Tornadoschneise aus der
Vogelperspektive zeigen, sondern dass man diese Information auch
sinnvoll für die aktive Hilfe nach einem solchen Ereignis verwenden
kann.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.06.2018

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst