DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-06-2016 09:00
SXEU31 DWAV 020800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 02.06.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TM (Tief Mitteleuropa)

Bis auf Weiteres teils kräftige Gewitter mit Unwettern, vor allem durch
Starkregen, lokal aber auch durch Hagel. Ab Freitag in Teilen Nord- und
Nordostdeutschlands Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... liegt Deutschland nach wie vor am Rande eines dipolartigen
Höhentiefs mit Drehzentrum über den zentralen Alpen (Referenz 300 hPa). Während
der südliche Kern über Norditalien ostwärts driftet, schwenkt der nördliche Part
im Tagesverlauf von Niederösterreich und Tschechien her in die östliche Mitte
des Vorhersageraums. Ein vom Höhentief sich nach Norden erstreckender Trog sorgt
vorderseitig für dynamische Hebung, so dass die bereits jetzt schon wieder von
Polen und Böhmen übergreifende Konvektion zu größeren MCS-Systemen
zusammenwachsen kann und dabei nach Westen zieht. Im Bodendruckfeld füllt sich
das heute früh (04 UTC) über RP gelegene Tief etwas auf und es baut sich
stattdessen eine zonal orientierte Rinne auf, deren Konvergenzachse etwa über
die Mitte des Landes verläuft. Nördlich der Rinne wird nach wie vor die
energiereichste Luftmasse herangeführt, auch wenn bei der Bewertung des ML-CAPEs
gegenüber den Vorläufen zurückgerudert wurde. Energiemengen von z.T. etwas über
1000 J/kg von den östlichen Bundesländern über die Norddeutsche Tiefebene bis
hinüber nach NRW, dazu PPWs im hohen Zwanzigerbereich oder sogar über 30 mm
reichen dicke aus, um in Verbindung mit den o.e. Hebungsimpulsen, aber auch mit
Hilfe zeitweiliger Einstrahlung, auch heute wieder Unwetter zu produzieren,
teils durch Starkregen, teils durch größeren Hagel, auch wenn sich die Scherung
sehr in Grenzen hält. Erst am späten Nachmittag bzw. am Abend deutet sich
Richtung Ostsee sowie im nordostdeutschen Binnenland ein gewisser
Abtrocknungseffekt an, der sich in einer Abnahme der PPWs sowie einer
zunehmenden Deckelung (CIN) der Labilität äußert. Aufgrund des dynamischen
Inputs durch den Höhentrog deutet sich für den westlichen Teil der Nordhälfte
eine intensivere Entwicklung an als nach Osten hin - was nicht heißen so, dass
dort nichts passiert. Entsprechend wurden die dortigen Vorabinformationen
geschaltet.
In der Mitte und im Süden ist die Labilität der Luftmasse nicht so hoch wie
weiter nördlich (ML-CAPE meist unter 500 J/kg), was mitnichten aber weniger
Wettergefahr bedeutet. Zwar ist die Hagelwahrscheinlichkeit deutlich
herabgesetzt, dafür steht bei PPWs von 24 bis 30 mm und geringer
Zuggeschwindigkeit die Komponente "Starkregen" ganz oben auf dem Zettel. Dabei
muss der Starkregen - wie die vergangenen Tage gezeigt haben - gar nicht
zwingend in Verbindung mit Gewittern, sondern kann auch "stabil" auftreten.
Tatsache ist, dass COSMO-DE-EPS für die Mitte und Teile Bayerns hohe
Starkregensignale im Portfolio hat, wobei sogar extreme Unwetter mit mehr als
60mm/6h nicht ausgeschlossen sind. Aufgrund der "erdrückenden" Signale von
COSMO-DE-EPS wird für den Südosten ebenfalls eine Vorabinfo mit dem Schwerpunkt
"Starkregen" herausgegeben.
Am geringsten ist die Unwettergefahr oder überhaupt die Gefahr signifikanter
Ereignisse im Südwesten etwa südlich von Hunsrück und Taunus bis hinunter zur
schweizer Grenze, eine Garantie gibt es freilich nicht.
Die höchste Tagestemperatur liegt zwischen 16 und 23°C, im NO bis zu 27°C.

In der Nacht zum Freitag verlagert sich der Höhentiefkern weiter nach Westen,
dafür zieht ein weiteres kleines Tief erneut nach Niederösterreich. Auf seiner
Nordflanke wird ein weiterer Gewittercluster induziert, der von Nordböhmen und
SW-Polen her auf die östliche Mitte übergreift und dort sogar Unwetter durch
Starkregen generieren kann. Auch nach Westen hin kann es noch längere Zeit
gewittern oder gewittrige Starkregenfälle geben, ansonsten lässt die Konvektion
aber nach. Dort, wo es längere Zeit aufreißt und geregnet hat, bildet sich
Nebel.

Freitag... steigt das Potenzial im Norden etwas an, was dem blockierenden Hoch
über Island bzw. dem von dort über die Nordsee bis nach Polen gerichteten Rücken
geschuldet ist. Dagegen bleibt im Süden nach wie vor eine zonal orientierte
Potenzialrinne liegen, die bis weit in die Mitte ausgreifend für zyklonale
Strömungsverhältnisse sorgt. Im Bodenniveau bildet sich eine Tiefdruckrinne ab,
die von SO-Europa bis zum Ärmelkanal gerichtet ist. Auf ihrer Nordseite befindet
sich weiterhin die labilste Luftmasse, wobei sich das ML-CAPE-Maximum mit
örtlich um 1500 J/kg von der zentralen Norddeutschen Tiefebene mehr und mehr in
den Westen bzw. Nordwesten verschiebt. Da auch das PPW unverändert hoch bleibt
(gebietsweise über 30 mm), steht weiteren Unwettern durch Gewitter mit Hagel
und/oder Starkregen nichts im Wege. Allerdings sickert in den äußersten Norden
und Nordosten aus dem Hoch heraus trockenere Luft (PPW sinkt auf unter 20 mm),
so dass die Auslöse konvektiver Umlagerungen zusehends erschwert und letztlich
gar nicht mehr bewerkstelligt werden kann.
Zur Mitte und nach Süden hin ist die Luftmasse zwar nicht ganz so labil wie
weiter nördlich, aber weiterhin feucht genug (PPW häufig 25 bis 30 mm oder sogar
noch darüber), um Gewitter mit Starkregen oder auch nicht-gewittrigen Starkregen
zu produzieren. Dabei gelangt nun auch der SW in den Bereich der gefährdeten
Gebiete. Die Temperatur steigt auf 18 bis 25°C, im Nordosten bis zu 27°C.

In der Nacht zum Samstag schwächen sich Regenfälle und Gewitter zwar ab, kommen
aber nicht gänzlich zum Erliegen. Vor allem im Westen sind anfangs noch stärkere
Regenfälle möglich. Dagegen weitet sich von Nordosten her die trockene Zone
etwas weiter südwestwärts aus. Dort, wo es längere Zeit aufreißt, bildet sich
Nebel.

Samstag... ändert sich an der Gesamtkonstellation nicht allzu viel. Deutschland
verbleibt im Bereich schwacher Luftdruckgegensätze am Rande eines
Höhentiefkomplexes, der sein Hauptdrehzentrum nach Frankreich verlagert. Im
Norden und Nordosten macht das Entrainment trockenerer Luftmassen weitere
Fortschritte, so dass dort große Gebiete weitgehend konvektionsfrei bleiben und
sogar reichlich Sonne abbekommen.
Ansonsten stehen erneut unwetterartige Gewitter und Starkregenfälle auf dem
Zettel, wobei die höchste Labilität zwischen Sachsen und dem westlichen
Niedersachsen zu finden ist (ML-CAPE teils bis an 2000 J/kg). Allerdings wird
diese im N- bzw. NO-Bereich durch den erwähnten Abtrocknungseffekt gedeckelt.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Basisfelder relativ ähnlich. Aufgrund der durchweg
luschigen Strömung ist es freilich schwer, die erwarteten Niederschläge richtig
zu positionieren und auch zu quantifizieren. So gesehen können die Modelle und
die probabilistischen Anschlussverfahren lediglich als Signalgeber herhalten,
was im Vorfeld z.B. für die Umsetzung in eine Vorabinformation verwendet werden
kann. Das operative Warnen erfolgt dann freilich in situ mit dem Handwerkzeug
des Nowcastings, wobei zu bemerken ist, dass die Radarprodukte die Intensität
der Regenfälle offensichtlich teilweise unterschätzen.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann