Thema des Tages

17-05-2018 09:50

Tornados - eine Schneise der Verwüstung

Am gestrigen Mittwochabend hinterließ ein Tornado im Raum Viersen am
Niederrhein eine Schneise der Verwüstung. Medienberichten zufolge
sind dabei auch zwei Menschen verletzt worden, einer davon schwer.

Tornados kommen in den allermeisten Fällen im Zusammenhang mit
speziellen Gewittern, den sogenannten Superzellen, vor (sogenannte
Typ-I-Tornados). Kennzeichen einer Superzelle ist, dass sich die
Gewitterwolken um ihre eigene (vertikale) Achse drehen bzw. rotieren.


Gewitter selber entstehen, wenn feuchtwarme Luft in tiefen
Luftschichten, möglichst kalte Luft in höheren Luftschichten und ein
Antrieb zur Hebung der Luft vom Boden ausgehend vorhanden sind. Einen
solchen Antrieb könnte beispielsweise die Sonneneinstrahlung liefern,
die die bodennahe Luft erwärmt. Diese beginnt dann aufzusteigen, da
durch die Erwärmung die Dichte abnimmt, sie also leichter ist als
ihre Umgebungsluft und damit Auftrieb erhält. Irgendwann bilden sich
beim weiteren Aufsteigen der Luft durch Kondensation Wolken, die zu
Gewittertürmen heranwachsen, wenn die Bedingungen günstig sind. Neben
der Sonneneinstrahlung kann auch Hebung an Gebirgen oder an Fronten
die Gewitterbildung begünstigen.

Damit aus dem Gewitter nun eine rotierende Superzelle wird, muss noch
eine weitere Zutat dazukommen. So sollte mindestens bis etwa in 5
oder 6 km Höhe vertikale Windscherung vorhanden sein, d.h. der Wind
sollte mit der Höhe zunehmen und seine Richtung ändern. Das versetzt
die Gewitterwolke in eine Drehbewegung. Für den Tornado sollte zudem
auch die Wolkenbasis, also die Wolkenunterkante, niedrig sein.

Durch aufsteigende Luft in der Superzelle wird die Drehbewegung in
der Wolke durch den Pirouetten-Effekt immer schneller und irgendwann
kann sich an der Unterseite ein rotierender Wolkenschlauch bilden.
Dieser Schlauch, im Meteorologen-Jargon auch "Rüssel" genannt, wird
in den meisten Fällen durch Wasserdampf sichtbar. Er wächst bei
entsprechenden Bedingungen immer weiter nach unten, bis er den Boden
berührt. Erst bei Bodenkontakt wird er als Tornado bezeichnet,
andernfalls als "Funnel" oder "Funnel Cloud".

Höchstens 10% aller Superzellen erzeugen einen Tornado. Tornados sind
jedoch auch ohne Superzellen bzw. Gewitter möglich (Typ-II-Tornados).
Ist der Auftrieb in den untersten Schichten hoch, beispielsweise an
Konvergenzlinien, können sie unterhalb von normalen Schauer- oder
Gewitterwolken vorkommen. Allerdings sind sie dann meist schwächer.

Zur Einordnung der Stärke eines Tornados wird die sogenannte
Fujita-Skala herangezogen, die 13 Stufen von F0 bis F12 umfasst und
sich an der Windgeschwindigkeit und den Schäden orientiert. Bisher
traten maximal aber F5-Tornados auf (1% aller Tornadofälle), die mit
Windgeschwindigkeiten von über 500 km/h allerdings mächtige Schäden
hervorrufen.

In den Medien werden häufig noch andere Bezeichnungen für einen
Tornado verwendet. So ist eine "Windhose" nichts anderes als ein
Tornado über Land und eine "Wasserhose" ein Tornado über dem Wasser.
Darüber hinaus sind noch die Begriffe "Großtrombe" und "Twister" (aus
dem englischen Sprachraum) bekannt. "Staubteufel" oder "Kleintromben"
hingegen sind keine Tornados.

In Deutschland werden etwa 20 bis 60 Tornados im Jahr nachgewiesen.
Sie haben eine Ausdehnung von wenigen bis einigen hundert Metern und
überleben nur wenige Sekunden bis im günstigsten Fall etwas mehr als
eine Stunde. Ihre Zuggeschwindigkeit kann von fast stationär bis zu
50 km/h reichen, wobei die Spur meist linear mit kleinen Abweichungen
ist. Hauptzeit für Tornados ist das Frühjahr und der Sommer.

Tornados der Stärke F5 sind dabei auch in Deutschland möglich (oder
vielleicht sogar schon vorgekommen). Hierzulande sind sie aber
seltener als z.B. in den USA, wo es vor allem im Frühjahr deutlich
bessere Voraussetzungen gibt (noch sehr kalte Luft aus dem Norden
kann ungehindert auf schon sehr warme Luft aus dem Süden treffen).

Aufgrund von Bild- und Videomaterial kann man beim gestrigen Ereignis
eindeutig von einem Tornado ausgehen. Welcher Stärke er zugeordnet
werden kann, müssen nun Untersuchungen zeigen. Die Messung der
Windgeschwindigkeit eines Tornados stellt dabei meist das größere
Problem dar.

Informationen zum Thema Tornados finden Sie auch in einem Erklärvideo
aus dem DWD TV-Studio: https://youtu.be/qMAzmRlbO8w


Dipl.-Met. **
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.05.2018

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