Thema des Tages

10-05-2018 08:20

Numerische Wettervorhersage - Billionen an Rechnungen für eine
Deutschlandwettervorhersage

Die Atmosphäre ist ein hochgradig kompliziertes System. Um die
physikalischen Abläufe, die für das Wetter verantwortlich sind,
beschreiben und vorhersagen zu können, verwendet man sogenannte
numerische Wettervorhersagemodelle (NWV-Modelle). Dabei handelt es
sich um komplexe Computerprogramme, die die Prozesse, die in der
Atmosphäre stattfinden, vereinfacht beschreiben und mathematisch
berechnen.



Das vom Deutschen Wetterdienst entwickelte Modell COSMO-D2 ist ein
solches NWV-Modell. Es ersetzt ab kommenden Dienstag das
Vorgängermodell COSMO-DE und wird präzise Wetterprognosen für die
kommenden ein bis maximal zwei Tage in Deutschland erstellen. Da man
den Zustand der Atmosphäre nicht an unendlich vielen Punkten im Raum
berechnen kann, verwendet man ein dreidimensionales Gitternetz, auf
dem die atmosphärischen Größen berechnet werden. Die Grundlage bildet
dabei der Satz von acht prognostischen Grundgleichungen, und zwar für
den Wind in alle drei Raumrichtungen, der Temperatur, des Luftdrucks
sowie des festen (Eis), flüssigen (Wasser) und gasförmigen
(Wasserdampf) Wassergehalts. Allerdings sind diese Gleichungen so
kompliziert, dass sie nur vereinfacht berechnet werden können.



Das Gitter, auf dem die (vereinfachten) Modellgleichungen gelöst
werden, sollte einerseits so feinmaschig sein, um selbst lokale
Wetterphänomene ausreichend gut auflösen zu können, aber gleichzeitig
grob genug sein, um nicht den Rahmen an Rechen- und Datenaufwand zu
sprengen. COSMO-D2 verwendet ein Gitter mit einer horizontalen
Maschenweite von etwa 2,2 km. In diesem Abstand werden nun die oben
genannten Vorhersagegrößen berechnet. Das ist ausreichend fein, um
zum Beispiel lokale Effekte wie Berg-Talwind-Zirkulationen relativ
realitätsnah darstellen zu können. Außerdem können einzelne
Gewitterzellen, welche einen Durchmesser von mehreren Kilometern
haben, näherungsweise simuliert werden.



Mit einem derart feinen Gitter kann man nicht die ganze Welt
umspannen. Deshalb beschränkt sich COSMO-D2 auf Deutschland inklusive
(Teile) der Nachbarstaaten (linke Abbildung). Dafür werden 651
Gitterpunkte in Ost-West-Richtung und 716 Gitterpunkte in
Nord-Süd-Richtung benötigt. Da die Atmosphäre ein 3-dimensionales
System ist, ist für die Vorhersage nicht nur der Zustand der
Atmosphäre am Boden, sondern auch in der Höhe wichtig. Daher besteht
das Modellgitter aus 65 Gitterflächen (rechte Abbildung), welche in
Bodennähe recht eng übereinander liegen und mit der Höhe einen immer
größeren Abstand voneinander haben. Daraus resultieren insgesamt 651
x 716 x 65 = 30.297.540 Gitterpunkte. Zum Beginn einer
Modellsimulation wird anhand von Beobachtungen (z.B. von
Wetterstationen, Radiosonden, Wettersatelliten) der aktuelle Zustand
der Atmosphäre auf alle Gitterpunkte interpoliert. Anschließend wird
in die Zukunft gerechnet. Dazu müssen an jedem Gitterpunkt alle 10
Sekunden die oben genannten acht Modellgleichungen berechnet werden.
Das COSMO-D2 wird alle drei Stunden, also achtmal am Tag neu
gestartet und erstellt jeweils eine 27-stündige Vorhersage. Dazu sind
also insgesamt 9.720 (27h x 60min x 60s/10) Rechenzeitschritte nötig.
Multipliziert man nun die Anzahl der Gitterpunkte mit der Anzahl der
Rechenzeitschritte und der 8 atmosphärischen Zustandsvariablen, kommt
man insgesamt auf 2.355.936.710.400 (ca. 2,36 Billionen) Rechnungen,
die für eine einzige Vorhersage durchgeführt werden müssen. Jeden
Morgen um 3 UTC (5 Uhr MESZ) wird COSMO-D2 sogar für 45 Stunden in
die Zukunft gerechnet, sodass sich der Rechenaufwand auf etwa 3,93
Billionen Rechnungen erhöht.



Um diesen immensen Rechenaufwand in ausreichender Schnelligkeit
leisten zu können, sind modernste Hochleistungsrechner erforderlich.
Außerdem erzeugt eine solche Computervorhersage auch enorme
Datenmengen. Pro Wettervorhersage mit dem COSMO-D2 entstehen etwa 50
GB an Wetterdaten, sodass sehr große Festplatten zur Datenspeicherung
benötigt werden.



Doch das ist alles nur die halbe Wahrheit. Beim DWD werden noch
zahlreiche weitere numerische Wettersimulationen durchgeführt. Um das
COSMO-D2 überhaupt betreiben zu können, muss mit einem weiteren
Modell auch das Wetter rund um den Globus berechnet werden. Außerdem
versucht man, die Unsicherheit einer Vorhersage abzuschätzen, indem
man zu jedem Vorhersagetermin das COSMO-D2 mehrfach leicht verändert
startet. Auf diese Aspekte wird in weiteren Themen des Tages näher
eingegangen.



Vielleicht können Sie sich nun vorstellen, dass trotz stetiger
Fortschritte bei der Vorhersage auch in ferner Zukunft das Wetter
noch für Überraschungen gut sein wird und man es nie exakt
vorhersagen kann?


Dipl.-Met. Dr. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.05.2018

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