DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-04-2018 08:30
SXEU31 DWAV 290800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 29.04.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TrW

Im Süden und Osten einzelne Gewitter mit Unwetterpotential. Im Westen und
Nordwesten abends und in der Nacht erhöhte Unwettergefahr. Nachts im Südwesten
teils stürmischer Südwestwind, Bergland Sturmböen. Am Montag böiger Südwestwind,
im Westen und Nordwesten Gefahr von Sturmböen. Im Nordosten markante Gewitter.
Am Dienstag im Nordwesten und Norden stürmischer Südwestwind.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... wird über der Biskaya bis zur Iberischen Halbinsel ein kräftiger und
umfangreicher Höhentrog analysiert. Um diesen werden mehrere Impulse geführt,
wobei einer in Form einer scharf konturierten Kurzwelle im Mittagsverlauf über
Spanien zieht. Diese Entwicklung ist auch innerhalb der Wasserdampfbilder in
Form eines ausgeprägten Feuchtegradienten auszumachen. Die Kurzwelle wird bis
zum Abend nach Südfrankreich geführt und erfasst ausgangs der Nacht zum Montag
bereits den Westen Deutschlands, wobei sie sich zu dem Zeitpunkt in eine
eigenständige und geschlossene Höhenzirkulation umgewandelt hat. Stromab des
Höhentroges wird ein umfangreicher Höhenrücken über Südosteuropa aufgespannt und
vorübergehend durch die Kurzwelle über Deutschland zur südlichen Nordsee
ausgeweitet. Daher herrscht tagsüber deutschlandweit eine antizyklonal geprägte,
diffluente (und besonders im Westen zunehmend divergente) Höhenströmung aus
Südwest bis Süd vor, wobei sich die Keilachse im Verlauf der Nacht zügig nach
Dänemark-Polen verlagert und von einer stark zyklonal gekrümmten
Strömungssignatur aus Südwest abgelöst wird (dank der nahenden Kurzwelle).
Induziert durch die Interaktion der Kurzwelle mit einer meridional
ausgerichteten baroklinen Umgebung über Frankreich und Ostspanien hat sich im
Verlauf der Vormittagsstunden ein umfangreiches Bodentief über dem Südwesten
Frankreichs etabliert, dass laut Redensart der Modelle recht übereinstimmend bis
zum Abend unter Intensivierung in den Pariser Raum ziehen soll (mit einer etwas
östlicheren Variante bei GFS). Dabei soll im Verlauf der Nacht eine deutliche
Verstärkung des Bodentiefs erfolgen mit einem Kerndruck von rund 995 hPa im
Bereich des östlichen Ärmelkanals. Der durch diese Entwicklung aufgespannte
Warmsektor umfasst dann tagsüber den Süden und die Mitte Deutschlands sowie den
Osten von Frankreich, bevor die Warmfront im Verlauf der Nacht auch den Norden
erreicht. Eine zunächst recht strömungsparallel liegende Kaltfront über
Südfrankreich kommt tagsüber kaum, in der Nacht zum Montag als Folge der
rasanten Bodentiefentwicklung deutlich rascher nach Osten voran und überquert
bis ausgangs der Nacht den Westen und Südwesten Deutschlands.

Am Vormittag und Mittag ziehen die nächtlichen, von der Grenzschicht
abgekoppelten Schauer und einzelnen Gewitter im Zuge einer Kurzwellenpassage
über den Nordwesten und Norden nach Nordostenen ab und schwächen sich zögernd
ab, je weiter sie der Warmfront "davonlaufen". Auffällig ist, dass die Aktivität
bereits innerhalb der Globalmodelle nur durch IFS bedingt gut, innerhalb einiger
konvektionsauflösender Modelle meist gut erfasst wurde und im Westen deutlich
zäher ausfällt als bisher vermutet. Wichtig ist diese Aktivität deshalb, da
deren Restfeuchte tagsüber einen zusätzlichen Feuchteeintrag in der Grenzschicht
hinterlässt sowie regional zusätzliche Hebungsimpulse in Form von "outflow
boundaries" liefern kann. Denn ansonsten dominiert tagsüber wie bereits
angesprochen der Keil mit Absinken. Gleichzeitig sorgt die immer stärker
werdende Südströmung im Lee der Alpen für Absinken, adiabatische Erwärmung und
Abtrocknung der Luftmasse im mittleren Troposphärenbereich. Die Auswirkungen
dieser Entwicklung sind zum einen, dass im Süden und Osten (nach Abklingen der
nächtlichen Aktivität) wiederholt die Sonne für teils längere Zeit scheint und
die Temperaturwerte besonders im Süden und Richtung Lausitz auf sommerliche 25
bis 28 Grad treibt. Zum anderen aber werden die "lapse rates" erhöht, die die
warme und recht feuchte Grenzschicht des Warmsektors überlagern. Das Resultat
ist ein potentiell labiler, allerdings durch die höhenmilde Luft weitestgehend
gedeckelter Warmsektor mit MLCAPE-Werten von 500 bis 1000 J/kg. In diesen
Bereichen steht die Orografie im Mittelpunkt mit Blick auf mögliche
Gewitterauslöse und da besonders der Thüringer Wald und das Erzgebirge, wo die
dort liegende Warmfront für höhere Grenzschichtfeuchte, aber auch für etwas
Hebung sorgt. Auch die Alb könnte für die eine oder andere Zelle gut sein.
Hochreichende Scherung von 15 m/s und die angesprochene Labilität deuten an,
dass diese Zellen als organisierte Multizellen bzw. vorübergehende Superzellen
mit Hagel, teils heftigem Starkregen und Sturmböen einhergehen können. Diese
Aktivität driftet in der Folge langsam nach Nordosten und schwächt sich zögernd
ab. Lokales Unwetterpotential ist hier sicherlich gegeben. Aber es sei nochmal
betont - die meisten Bereiche im Süden und Osten können einen trockenen Tag
erwarten.

Der andere Fokus bleibt weiterhin der Westen. Leider ist die Streuung innerhalb
der Modelle bezüglich der Gewitterentwicklung seit gestern nicht geringer
geworden. Die Zutaten sind von Rheinland-Pfalz, dem Saarland über
Nordrhein-Westfalen und Hessen sicherlich gegeben, sodass organisierte
Konvektion erwartet werden kann. Hochreichende Scherung um 20 m/s, 500 bis 1000
J/kg MLCAPE und im Zuge der Annäherung des Bodentiefs auch zunehmende Helizität
sind gute Werte für organisierte Multizellen und Superzellen. Das Haar in der
Suppe ist der Höhenkeil, der bis zum Abend auch den Westen beeinflusst und laut
der Mehrheit der Modelle die Konvektion mehr oder weniger unterdrücken soll.
Skepsis ist angebracht, zumal die Konvektion am Vormittag auch hier mehr Feuchte
und outflow boundaries hinterlassen hat, als in der Numerik gedacht. Daher sieht
der Fahrplan aktuell so aus, dass sich die Sonne am Mittag und Nachmittag
zwischen ausgedehnten hohen Wolkenfeldern immer wieder zeigt. Im Bergland
allerdings sind in den genannten Regionen zum späten Nachmittag und Abend
einzelne Entwicklungen nicht ausgeschlossen, die lokal Unwetterpotential durch
heftigen Starkregen, Hagel und Sturmböen bringen können. Derweilen dürfte es
über Ostfrankreich verbreitet "zünden" und diese Gewitter könnten abends bereits
an der Schwelle zum Saarland und der Eifel stehen. Je nachdem, wo sich die
Gewitter auf französischer Seite entwickeln haben wir es mit diskreten Zellen zu
tun, die Rotation aufweisen können und von teils großem Hagel, Sturmböen und
Starkregen begleitet werden (ein geringes Tornadopotential ist gegeben) oder
aber es greift bereits ein Gewittercluster auf den Westen Deutschlands über,
wobei Sturmböen, strichweise auch schwere Sturmböen neben Starkregen das
Augenmerk wären. Summa summarum besteht also weiterhin im Westen eine latente
Unwettergefahr, die durch die Ausgabe einer Vorabinformation hervorgehoben
wurde.

Die Höchstwerte liegen je nach Sonnenscheindauer zwischen 22 und 27 Grad, in
Richtung Niederrhein um 17 Grad.
Im Norden verläuft der Tag deutlich ruhiger. Im Nordwesten regnet es besonders
am Nachmittag zeitweise aus dichter Bewölkung, während die Wolkendecke im
Nordosten für längere Zeit auflockert und hier bleibt es trocken. Die
Höchstwerte liegen dabei zwischen 12 und 20 Grad. Der Wind weht abseits der
Gewitter schwach aus Ost bis Nordost mit Sturmböen, exponiert auch schweren
Sturmböen in den Alpen (Föhn).

In der Nacht zum Montag dauern die teils heftigen Gewitter mit Unwetterpotential
im Westen weiter an und verschieben ihren Schwerpunkt zunehmend ins westliche
Niedersachsen. Dabei rückt der mehrstündige Starkregen in den Fokus, strichweise
können jedoch auch weiterhin Sturmböen und Hagel mit von der Partie sein.
Präfrontal der ostwärts ziehenden Kaltfront können auch im Osten und Nordosten
einzelne Gewitter ausgelöst werden, die allerdings bei nachlassender Labilität
zumeist im markanten Bereich zu finden sein sollen. Im Süden läuft die
Kaltfrontpassage zumeist recht unspektakulär ab und abgesehen von einzelnen
Schauern bleibt es den Großteil der Nacht über trocken. Erst im Verlauf der
zweiten Nachthälfte greifen dank der Hebung des Kurzwellentroges leichte
Niederschläge auf den Südwesten über.
Markanter fällt hier der Wind aus, denn rückseitig der Kaltfront werden die
weiterhin vorherrschenden 35 bis 40 kn in 850 hPa recht effektiv herabgemischt.
Daher weht der Südwestwind im gesamten Südwesten stark böig (Bft 7), wobei
besonders im Saarland, der Pfalz und in Baden-Württemberg wiederholt stürmische
Böen (Bft 8) auftreten können. Im Bergland werden allgemein Sturmböen (Bft 9),
auf dem Feldberg zeitweise auch schwere Sturmböen (Bft 10) erwartet. Der Föhn
dauert besonders exponiert die Nacht über weiter an (Sturmböen bis schwere
Sturmböen), auch auf dem Brocken werden Sturmböen aus Ost erwartet und im Umfeld
der Nord- und Ostsee weht der Nordostwind stark böig, über der Deutsche Bucht
auch stürmisch.

Montag... rückt das Bodentief über dem östlichen Ärmelkanal und Benelux in den
Fokus. Eingefangen vom Höhentief (ehemalige Kurzwelle) stagniert die Intensität
des Bodentiefs und hält besonders über dem Nordwesten einen strammen Gradienten
aufrecht. Dabei wird die Kaltfront zunächst zügig nach Nord bis Nordost über
Deutschland geführt und verdrängt über Norddeutschland die dort noch liegende
feucht-labile Luftmasse bis zum Mittag. Letzte, teils gewittrige Niederschläge
mit Starkregenpotential klingen in diesen Regionen bis zur Mittagszeit von Süden
her ab. Über dem Nordosten von Deutschland allerdings sorgt eine neue
Zyklogenese über Nordwestpolen für eine Verwellung der Kaltfront, die daher nur
noch verzögert nach Nordosten vorankommt. Somit kann sich also die
Gewittertätigkeit über dem äußersten Osten und Nordosten (Pommern und entlang
der Oder) bis weit in den Nachmittag halten, wobei Hagel, Starkregen und
Sturmböen als Begleiterscheinungen mit von der Partie sind. Über die Mitte und
den Süden ziehen noch Schauer, die in Verbindung mit einer Kurzwelle nach
Nordosten driften. Rückseitig lockert die Bewölkung dank vorübergehend
steigendem Luftdruck am Boden zeitweise auf und es bleibt meist trocken, bevor
zum Abend von Westen neue Schauer und einzelne Gewitter auf den Westen
übergreifen. Zwar wird postfrontal modifizierte Polarluft in weite Bereiche
Deutschlands geführt, allerdings dauert die südliche Höhenströmung mit Absinken
im Lee der Alpen weiter an und sorgt für eine nur geringe Temperaturabnahme in
850 hPa (auf Werte von 4 bis 8 Grad). Von daher liegen bei guter Durchmischung
und diabatischer Erwärmung die Temperaturwerte zwischen 17 und 22 Grad, im
äußersten Osten werden nochmal um 25 Grad erreicht.
Der Wind bleibt weiterhin ein großes Thema, weht dieser doch in der Mitte, im
Süden und im Westen stark böig aus Südwest (Bft 7) und erreicht im Bergland
Sturmstärke. Im Vormittagsverlauf werden auch noch im Südosten Bayerns mit der
Kaltfrontpassage einzelne stürmische Böen erwartet.
Je nach Zugbahn des Bodentiefs (wo beinahe jeder Kilometer entscheidend ist)
greift zum Nachmittag und Abend der stärkste Gradient des Bodentiefs auf den
Westen über, wobei hier verbreitet stürmische Böen (Bft 8) und Sturmböen (Bft 9)
erwartet werden können (NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und zum Abend in
Richtung westliche Niedersachsen ausbreitend). Mit dem fortgeschrittenen
Vegetationsstand sicherlich keine unbedeutenden Windgeschwindigkeiten! Der
böige, zeitweise auch stürmische Ostwind im Ostsee- und Nordseeumfeld schwächt
sich im Tagesverlauf unter Drehung auf Südwest ab.

In der Nacht zum Dienstag wandert das sich allmählich auffüllende Bodentief
zusehends in Richtung Deutsche Bucht, sodass die Nacht insgesamt sehr zyklonal
geprägt verläuft. Immer wieder ziehen dichte Wolkenfelder vorüber, die jedoch
besonders im Süden und Osten auch für längere Zeit auflockern. Einzelne Schauer
sind im Süden, im Verlauf der Nacht im Nordwesten und Osten zu erwarten. Der
Südwestwind weht im Westen und Nordwesten stark böig, zeitweise auch stürmisch
und erreicht im Bergland weiterhin Sturmstärke. Auf dem Brocken treten teils
schwere Sturmböen auf. Sonst weht der Wind nur schwach bis mäßig aus West (im
Süden) und Süd (im Osten). Die Tiefstwerte liegen zwischen 8 und 5 Grad, im
Westen zwischen 6 und 3 Grad.

Dienstag... verlagert sich das Bodentief mit dem dazu korrespondierenden
Höhentief weiter nach Dänemark. Dabei entwickeln sich im Nordwesten wiederholt
Schauer, in Schleswig-Holstein regnet es zeitweise auch für längere Zeit. Dabei
frischt der Südwestwind weiterhin stark böig auf, zeitweise sind stürmische Böen
zu erwarten. Über der Nordsee treten Sturmböen aus Südwest auf. Sonst sorgt
schwacher Zwischenhocheinfluss in einem Streifen vom Saarland bis zur Oder
zunehmend für Sonnenschein, während im Süden und Südosten die Wolken überwiegen.
Südlich der Donau sind einzelne Schauer möglich, meist bleibt es jedoch trocken.
Hier weht der Wind nur schwach bis mäßig aus West bis Südwest. Die Höchstwerte
liegen von West nach Ost zwischen 12 und 21 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Seit gestern glichen sich die Modelle auch bezüglich der Feinheiten (mit Blick
auf die Bodentiefentwicklung) immer weiter an und zeigen nun die komplexe
Entwicklung des Bodentiefs über Frankreich mit einer Tiefdruckrinne nach
Deutschland reichend und später in eine neue Tiefentwicklung über Nordwestpolen
mündend recht einheitlich. Trotz dieser Annäherung sind die Unsicherheiten bei
der Gewittervorhersage weiterhin gegeben, da dem Keil nur die Orografie, die
Warmfront und die Bodentiefentwicklung entgegenwirken. Zudem stimmt bereits die
aktuelle Niederschlagsentwicklung über Ostfrankreich nicht so richtig mit der
Mehrheit der Modelle (teils auch konvektionsauflösend) überein. Von daher wird
heute sehr viel im Nowcast prognostiziert werden müssen. Auffallend ist, dass
die mögliche isolierte Entwicklung über dem Thüringer Wald und Erzgebirge
weiterhin in den Ensembles durch beachtliche Spitzen angedeutet wird.
Der groben Fahrplan steht, Feinheiten können aber sicherlich erst im
Tagesverlauf beantwortet werden. Somit steht auch noch eine Ostausdehnung der
Vorabinformation im Raum (auch Hessen betreffend).
Bezüglich der synoptischen Windentwicklung herrscht recht hohe Einigkeit,
allerdings ist die exakte Lage des Bodentiefs noch etwas unsicher, was sich auf
das Sturmböenpotential über dem Nordwesten auswirkt. Tendenziell wird die
stürmischere Variante immer mehr innerhalb der Deterministik und der Ensembles
gestützt.*

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy