DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-04-2018 17:30
SXEU31 DWAV 271800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 27.04.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Anfangs alles weitgehend ruhig. Ab Sonntag besonders im Westen und Nordwesten,
Montag dann noch im Norden und Nordosten erhöhte Gewitterneigung bzw. zunehmende
Wahrscheinlichkeit für gewittrige (Stark)Regenfälle.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... ist ein flacher Höhenrücken dabei, Deutschland in Richtung Polen zu
verlassen. Damit gelangen wir auf die Vorderseite eines LW-Troges über dem nahen
Ostatlantik, der mit einer stark positiv gerichteten Achsstellung ausgestattet
ist. Entsprechend langgestreckt ist die vorderseitige südwestliche
Höhenströmung, die sich - zunächst sehr glatt konturiert - mehr und mehr über
den Vorhersageraum legt.
Korrespondierend dazu fällt der Luftdruck bei uns weiter, was aber auch damit
zusammenhängt, dass das kleine Sturmtief PEARL über dem Ärmelkanal zur
südwestlichen Nordsee zieht (sich dabei aber abschwächt). Die zugehörige Rinne
verlagert sich über Norddeutschland nordwärts, ohne dabei größeren Schaden
anzurichten. Gleiches gilt für die Okklusion, die auf der Südseite der Rinne von
Westen her übergreift, nach Süden zurückhängt und sich ab dem Morgen diagonal
über die Südhälfte legt. Die Okklusion hat Kaltfrontcharakter und wird zukünftig
auch als solche geführt, worüber noch zu sprechen sein wird.
Die Nacht jedenfalls wird teils wolkig, teils klar und weitgehend trocken.
Allenfalls im äußersten Norden und Nordwesten kann es WLA-bedingt etwas regnen.
Luft- und Bodenfrost sind im Vergleich zur Vornacht kein großes Thema mehr,
einzig im Osten ist in geschützten trockenen Ecken vereinzelt noch mal leichter
Frost in Bodennähe möglich. Während der Föhn auf den Alpengipfeln immer
schwächer wird, lebt der südliche bis südwestliche Wind in einigen exponierten
Kamm- und Gipfellagen auf (7 Bft, maximal 8 Bft), die Warnkarten können aber
aufgrund der großzügigen Einzelfallentscheidung in der Tasche bleiben.

Samstag ... schwenkt der LW-Trog in seinem Südteil unter weiterer Amplifizierung
gen Iberische Halbinsel. Vorderseitig steilt die Höhenströmung bei uns etwas
auf, wobei sie krümmungstechnisch von anfangs glatt in Richtung antizyklonal
wechselt. Das Bodentief füllt sich weiter auf, dürfte die Deutsche Bucht aber
noch erreichen. Auf seiner Südflanke fließt mit südwestlicher Grundströmung
erwärmte Meereskaltluft in den Norden und Westen (T850 um 3°C), während in den
Südosten teils schwach advektiv, teils durch Absinken bzw. Überströmen der Alpen
wärmere Luft (Anstieg T850 auf 10 bis 14°C) gelangt. Damit verschärft sich der
thermische Gegensatz zwischen Nordwest und Südost (frontogenetisch), was der
diagonal über der Südhälfte liegenden quasistationären Luftmassengrenze ihre
endgültige Berechtigung verleiht. Bliebe im Hinblick auf die zukünftige
Entwicklung noch der Druckfall bzw. Zyklogenese eines flachen Tiefs über der
Iberischen Halbinsel zu erwähnen, das zunächst aber noch keinen direkten
Einfluss auf unser Wettergeschehen ausübt.
Wettermäßig gestaltet sich der Samstag derart, dass der Wolkenanteil im Westen
und Nordwesten gegenüber dem häufig sonnigen oder nur locker bewölkten Süden und
Osten erhöht ist. In der Peripherie des Tiefs kann es in Nordseenähe, teils aber
auch im Hinterland (nördliches NDS, SH, HH, vielleicht noch Mecklenburg)
zeitweise etwas regnen. Ein paar schwache Schauer sind auch im Südwesten und in
der östlichen Mitte im unmittelbaren Frontbereich in der Zone der stärksten
Baroklinität möglich. Noch weiter südöstlich in der Warmluft nimmt zwar die
potenzielle Instabilität zu und es wird auch etwas ML-CAPE generiert (punktuell
um 500 J/kg), allerdings ist die Deckelung ziemlich stark, so dass eine
Gewitterauslöse erheblich erschwert ist. Ob die Berge letztlich als potenzielle
Impulsgeber ausreichen werden, ist fraglich. Die Numerik jedenfalls vertritt
diesbezüglich keine einheitliche Meinung, was letztlich zur offiziellen Aussage
"vereinzelte Gewitter über dem Bergland nicht ausgeschlossen, aber auch nicht
überbordend wahrscheinlich". Sollte es tatsächlich irgendwo passieren, gilt es
aufgrund mangelnder Mobilität der Zelle(n) vornehmlich auf den Starkregen zu
achten.
Die Temperatur steigt in der Südosthälfte auf 20 bis 25°Cim südöstlichen Bayern
lokal bis 27°C. Weiter nordwestlich stehen lediglich 15 bis 20°C auf der Karte,
an der Nordsee z.T. noch etwas darunter. Der südwestliche Wind lebt auf der
Südflanke des schwächelnden Tiefs im Nordwesten vorübergehend auf, für Warnungen
(Böen ab 7 Bft) wird es sehr wahrscheinlich aber nicht reichen. Auf dem Brocken
könnte hin und wieder mal die 8 Bft aufflackern, aber was heißt das auf dem
Brocken schon?

Kommen wir also zur Nacht zum Sonntag, in der sich die Höhenströmung bei uns
noch etwas weiter aufsteilt, weil der Trog auf das iberische Festland
übergreift. Das korrespondierende Bodentief verlagert seinen Kern langsam über
die Pyrenäen hinweg nach Südfrankreich. Damit kommt die o.e. Luftmassengrenze
bei uns langsam nordwestwärts voran, wobei sie von Frankreich her aktiviert
wird. Zum einen wird das Bodendruckfeld zyklonaler in Form eines flachen Troges
bzw. einer flachen Rinne (=> konfluentes Windfeld), zum anderen könnten in der
Höhe sehr flache, mit dem bloßen Auge im Potenzialfeld nicht erkennbare
Sekundär- oder Tertiärtröge nordostwärts ablaufen, die mit der Front
interagieren.
Wie auch immer, die Wahrscheinlichkeit schauerartig verstärkter und mit
Gewittern durchsetzter Regenfälle nimmt von Südwesten her zu, wobei - auch wenn
es die Numerik nicht direkt ausspricht - die Gefahr örtlichen Starkregens (PPW
20 bis 25 mm) gegeben ist. Inwieweit und ob überhaupt Gewitter abgesetzt vom
frontnahen Bereich nach Osten hin in die Warmluft ausgreifen. Zwar liegt ein
gewisses Quantum MU-CAPE vor (je nach Modell bis etwa 250 J/kg), allerdings
bleibt auch der Deckel weitgehend bestehen, so dass eine (abgehobene) Auslöse
eher unwahrscheinlich ist. So sehen das auch die meisten Modelle (auch
konvektionserlaubende), einzig GFS und bedingt EURO4 vertreten eine andere
Meinung.
In den Alpen nimmt der Föhn wieder etwas an Fahrt auf, sonst spielt der Wind
abgesehen von einzelnen möglichen Gewitterböen keine große Rolle.

Sonntag ... verkümmert der Südteil des o.e. LW-Troges über Spanien zu einem
KW-Trog, der in der Nacht zum Montag die südfranzösische Mittelmeerküste
erreicht. Über dem Westteil der Biscaya etabliert sich aber ein neues
Drehzentrum, so dass der große Trog der Menschheit erhalten bleibt. Bei uns
dreht die Höhenströmung dadurch noch etwas zurück auf fast komplett Süd, wobei
sie immer noch einen stark antizyklonal geprägten Touch aufweist. Das ändert
aber nichts daran, dass sich das Bodentief über Frankreich unter allmählicher
Intensivierung nach Norden verlagert, was nach dem neuesten Modelllauf weiter
westlich erfolgt (teils sogar über der Biscaya) als zuvor simuliert. Darüber
hinaus etabliert sich bei uns - quasi als Fortsetzung des Tiefs - eine
Tiefdruckrinne, die sich von Süddeutschland her peu a peu nordwärts ausweitet.
Vorderseitig kommt die Luftmassengrenze als Warmfront weiter nach Norden voran,
so dass große Teile des Landes von potentiell instabiler Warmluft geflutet
werden. Einzig im äußersten Norden und Nordwesten bleibt es bei leicht, an und
auf der Nordsee auch etwas stärker auffrischendem nordöstlichen Wind frischer.
Der Temperaturgradient in 850 hPa erreicht am Abend satte 15 Grad mit gerade mal
2°C an der Kante zum Blanken Hans und bis zu 17°C im südöstlichen Bayern.
Und was macht das Wetter? - Besonders im Osten und Süden scheint einmal mehr
häufig die Sonne, auch wenn die eine oder andere Wolke den Himmel ziert. Gerade
im Osten muss anfangs aber noch mit einigen frontnahen Schauern aus der Nacht
heraus gerechnet werden, die tagsüber aber nachlassen. Ansonsten wird die
Warmluft zwar weiter labilisiert (ML-CAPE bis 1000 J/kg), der virtuelle Deckel
soll aber stabil bleiben (CIN teils über 100 J/kg). Somit bleibt die
Gewitterbereitschaft vergleichsweise gering, auch wenn einzelne, im Wesentlichen
orografisch ausgelöste Überentwicklungen (wenn, dann am ehesten mit Starkregen
und Hagel) freilich nicht ausgeschlossen werden können. IFS und GFS geben sich
diesbezüglich übrigens am freigiebigsten (vor allem in der Mitte), während
andere Modelle, darunter auch hochauflösende, weniger konvektionsfreundlich
agieren.
Etwas anders als im Süden und Osten gestaltet sich der Ablauf nach Westen und
Nordwesten hin. Dort ist die Luft feuchter, das Umfeld insgesamt zyklonaler
(laut ICON sogar mit markanter Konfluenz unweit der Warmfront), die
Scherungswerte "günstiger" und der Abstand zu den verbreiteten Hebungsprozessen
westlich von uns geringer. Kurzum, die Gefahr einzelner Gewitter oder
gewittriger Regenfälle ist größer als nach Osten hin. Ob die Gewitter dabei vor
Ort entstehen (was angesichts vorhandener Bewölkung vielleicht gar nicht so
einfach ist) oder von Westen bzw. Südwesten zu uns reinziehen, ist noch
unsicher. Hauptbegleiter sollte Starkregen sein, wobei auch lokale Unwetter
nicht kategorisch negiert werden können.
Während man sich an der Nordsee mit friesisch-herben 12°C zufrieden geben muss,
darf zwischen Oberpfalz und Oberbayern bei bis zu 28°C anständig geschwitzt
werden. Abgesehen von konvektiven Böen und Föhnsturm auf den Alpengipfeln spielt
der Wind keine warnentscheidende Rolle.

In der Nacht zum Montag schwenkt von Frankreich her ein ausgeprägter
Sekundärtrog langsam nordwärts. In seinem diffluenten Ausgang wird insbesondere
durch PVA dynamische Hebung generiert, die z.T. sogar durch WLA unterstützt
wird, bevor sie später durch KLA teilkompensiert wird. Darüber hinaus verschärft
sich die Tiefdruckrinne im Westen, möglicherweise bildet sich sogar ein kleines
eigenständiges Tief. Wie auch immer, die Wahrscheinlichkeit gewittriger
(Stark)Regenfälle oder auch Gewitter(cluster) nimmt im Westen und Nordwesten
weiter zu, auch wenn die höchsten RR-Summen etwas weiter westlich simuliert
werden. Dass das nichts heißen muss, lehrt uns die Vergangenheit, für Details
ist es aber trotzdem noch etwas zu früh.
Nach Osten hin bleibt die Niederschlags- und Gewitterneigung deutlich geringer,
auch wenn insbesondere das "feuchte" GFS einige Schauer und vereinzelte Gewitter
auf der Karte hat.

Montag ... verlagert sich die Tiefdruckrinne weiter nach Norden. Auf seiner
Nordflanke wird vorübergehend Warmluft west-nordwestwärts gesteuert, während im
Süden und in der Mitte die bereits in der Nacht auf deutsches Hoheitsgebiet
übergegriffene Kaltfront des ganzen Systems rasch nach Osten "durchgeprügelt"
wird. Das geht wahrscheinlich so schnell, dass sich im Vorfeld - nicht zuletzt
auch wegen der frühen Tageszeit - gar keine richtigen konvektiven Umlagerungen
bilden können. Oder mit anderen Worten, die Kaltfront geht vielleicht mit ein
paar schlappen und noch nicht einmal gewittrigen Schauern und einigen steifen
bis stürmischen Böen (7-8 Bft) durch, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Dass
es letztlich auch tatsächlich so kommt, dafür möchte der Verfasser seine Hand
freilich nicht ins Feuer legen. Tatsache aber ist, dass die Modelle durchweg
wenig Niederschlag an und vor der Front simulieren.
Ausgenommen vom geschilderten Geschehen ist der Norden und Nordosten, wo
zunächst noch kein Luftmassenwechsel stattfindet und auch die stärksten
Hebungsprozesse durch den weiter nach Norden vorankommenden Sekundärtrog gegeben
sind. Entsprechend muss dort gebietsweise mit teils kräftigen Gewittern und/oder
gewittrigen Starkregenfällen gerechnet werden, die erst im Laufe des Nachmittags
und Abends nachlassen bzw. nordostwärts abziehen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Wenn auch die Modelle im Groben die Entwicklung sehr ähnlich sehen, bleiben doch
noch ein paar entscheidende Fragen offen. Insbesondere die Entwicklung der von
Südwesten hereinlaufenden Tiefdruckrinne sowie der darin eingelagerten
Druckminima wird immer mal wieder etwas anders gerechnet. Da genau das aber
nicht unbedeutend ist für Detailfragen, müssen wir uns diesbezüglich noch etwas
gedulden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann