Thema des Tages

22-04-2018 08:20

Die Erfassung des Sonnenscheins

Die beiden Hochdruckgebiete NORBERT und ONNI sorgten in den letzten
Tagen bundesweit für ausgiebigen Sonnenschein und sommerliche
Temperaturen. An den Wetterstationen des Deutschen Wetterdienstes
wurde häufig die maximal erreichbare tägliche Sonnenscheindauer
aufgezeichnet. Die Sonnenscheindauer gehört zwar nicht zu den
wichtigsten meteorologischen Basisgrößen, sie wird aber zumindest in
Deutschland flächendeckend erhoben.



Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis etwa zur Jahrtausendwende
verwendeten die meteorologischen Institute zur Messung der
Sonnenscheindauer häufig den sogenannten Sonnenscheinautographen nach
Campbell-Stokes (auch als Thermograph bekannt). Dessen Konstrukteur,
John Francis Campbell (1821-1885, geboren in Edinburgh, gestorben in
Cannes), war ein schottischer Forscher, der sich mit Fragestellungen
aus vielen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen
auseinandersetzte. Sein Herzblut investierte er aber besonders in die
Untersuchung keltischer Bräuche und Lebensweisen.



Davon abgesehen konstruierte er im Jahre 1853, getrieben durch
bereits in seinen Jugendjahren entwickelten Forscherdrang, das erste
Messgerät zur Aufzeichnung des Sonnenscheins. Kurz darauf stieg das
wissenschaftliche Interesse an Campbells Erfindung deutlich an, da
unter anderem er selbst vermutete, dass der Choleraausbruch in London
um 1854 mit den damals herrschenden meteorologischen Bedingungen
zusammenhängen hätte können. Um eine solche Abhängigkeit untersuchen
zu können, wurden die meteorologischen Observationen ausgebaut und
erstmals auch systematisch die Sonnenscheindauer aufgezeichnet.



Der zweite Namensgeber der Erfindung, der herausragende Mathematiker
und Physiker Sir George Gabriel Stokes (1819-1903), führte bis zum
Jahre 1880 Modifizierungen an der ursprünglichen Apparatur durch.
Neben dieser Ingenieurarbeit erwarb sich der Ire große Verdienste
unter anderem in der Fluiddynamik, deren mathematischen und
physikalischen Zusammenhänge stark in die theoretische Meteorologie
hineinwirkt. Jedem Studierenden der Meteorologie dürften die
Gleichungen nach Navier-Stokes ein Begriff sein. Der seit dieser Zeit
nur leicht veränderte Sonnenscheinautograph besteht aus einer
Glaskugel, die mit einer variabel einstellbaren Neigung in Richtung
Sonnenbahn ausgerichtet ist (auf der Nordhalbkugel in Richtung
Süden). Die Kugel ist umgeben von einer konzentrischen Kugelschale,
in der ein Registrierstreifen aus Spezialpapier eingeschoben wird.
Dieser Streifen, der zur besseren Auswertung mit einer Zeitskala
bedruckt ist, befindet sich dabei genau im Brennpunkt der Glaskugel.
Folgerichtig hinterlassen die gebündelten Sonnenstrahlen eine
Brennspur auf dem Papier (Brennglaseffekt).



Allerdings gibt es besonders in den mittleren und höheren Breiten das
Problem, dass sich der Sonnenstand sowie die Zugbahn der Sonne im
Jahresverlauf stark ändert. Daher werden zur Aufzeichnung der
Brennspur verschieden gekrümmte Papierstreifen verwendet, die zudem
in unterschiedlichen Positionen auf der Kugelschale angebracht sind.
Insgesamt ergeben sich drei unterschiedliche Papierformate: eines für
niedere Sonnenbahnen (Winter), ein zweites für den Sommer sowie ein
drittes für die Übergangsjahreszeiten. Genau um diese Anpassungen hat
sich George Gabriel Stokes verdient gemacht. [Literatur:
Sanchez-Lorenzo, A. et. al. (2013): New insights into the history of
the Campbell-Stokes sunshine recorder; in: Weather-December 2013,
RMetS]



Diese im Grunde sehr robuste Messtechnik weist allerdings auch ein
paar Schwächen auf. Tau- oder Reifablagerungen auf der Glaskugel
können zu Ungenauigkeiten führen, auch durch nasses Papier oder
Schnee werden Fehlaufzeichnungen verursacht. Zudem ist das
personalintensive tägliche Austauschen des Registrierstreifens sowie
die händische Auswertung ein größerer Nachteil. Zudem förderten in
den letzten Jahrzehnten die neuen technischen Möglichkeiten die
Einführung automatischer Messsysteme mittels lichtempfindlicher
Photoelementen. Außerdem gerät die Sonnenscheindauer zunehmend in den
wissenschaftlichen Hintergrund, da die einzelnen Komponenten der
Strahlungsbilanz mittlerweile exakt gemessen werden können.



Doch zurück zur meteorologischen Gegenwart. Wie geht es nun mit dem
Sonnenschein weiter? Der Hochdruckeinfluss schwächt sich zunehmend
ab, damit können Ausläufer des Tiefs MADELEINE auf Mitteleuropa
übergreifen. In Deutschland machen sich diese zunächst im Nordwesten
mit ein paar Wolkenfeldern bemerkbar. Zudem entstehen Haufenwolken,
mit denen am Nachmittag und Abend von Westen her sowie im Bergland
Schauer und Gewitter einhergehen können. Im Süden und Osten darf der
Sonnenschein hingegen bis zum Abend genossen werden. Zu Wochenbeginn
zeigt sich die Sonne überall seltener und vor allem in der Mitte und
im Süden stehen Schauer und Gewitter auf der Tagesordnung. Sowohl
heute, als auch am Montag, kann die Schwelle zum Unwetter durch
Starkregen und Hagel örtlich überschritten werden.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.04.2018

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