DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-04-2018 17:30
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 20.04.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Hoch B löst Hoch A ab. Dazwischen eine Kaltfront, die wettermäßig kaum was,
temperaturmäßig aber ´ne Menge drauf hat. Ab Sonntag von Westen her zyklonaler
mit teils kräftigen Gewittern.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... ist das bis dato wetterbestimmende und mitten über Deutschland
platzierte Höhenhoch dabei, sich etwas abzuschwächen und seinen Schwerpunkt
leicht nach Süden zu verlagern. Dadurch kommt die über Nordeuropa verlaufende
Frontalzone dem Norden unseres Landes deutlich näher, ohne dass die
Potenzialstruktur ernsthaft in den zyklonalen Bereich abgleiten würde. Vielmehr
nimmt ein in die Frontalzone eingelagerter Rücken vom nahen Ostatlantik
respektive UK/Irland Kurs auf die Nordsee, wo er sich am Samstag unter
Intensivierung vorübergehend einnistet.
Nicht nur in der Höhe stehen die Zeichen auf Wachablösung, auch bodennah tut
sich etwas. So wandert das bisher ebenfalls vor Ort positionierte Hoch NORBERT
in Richtung Südosteuropa ab, was erklärt, warum der Druck aktuell fast überall
fällt. Aber auch in diesem Fall ist für Nachschub bereits gesorgt. So macht sich
ein Keil des Azorenhochs, der heute Mittag bis UK gerichtet war, über England
selbstständig, um sich am Samstag ebenfalls zur Nordsee zu begeben (ONNI).
Zwischen dem abwandernden und dem neuen Hoch nutzt eine Kaltfront die Gunst der
Stunde, quasi in die Lücke zu schlüpfen und in Teilen des Vorhersageraums ein
paar Duftmarken zu setzen. Sie gehört zu einem Tiefkomplex über Nordeuropa und
liegt aktuell über der Nordsee, von wo aus sie in der kommenden Nacht in die
Norddeutsche Tiefebene eindringt. Wettermäßig hat die Front so gut wie nix
drauf, was man schon daran erkennt, dass kaum Bewölkung an ihr zu finden ist.
Wie auch, wenn man sich die beteiligten Luftmassen (prä- und postfrontal) sowie
das stark antizyklonale Strömungsumfeld anschaut.
Thermisch allerdings gilt an dieser Stelle nomen est omen (für irgendwas muss es
ja mal gut sein, dass man in der Schule jahrelang mit Latein gequält worden
ist), will heißen, die Kaltfront hat ihren Namen redlich verdient. So wird auf
ihrer Rückseite relativ flach (die höhenkalte Luft verbleibt weiter im nördlich)
ein Schwall frischer Polarluft insbesondere in den Norden geführt, in der die
850-hPa-Temperatur bis zum Morgen auf 7 bis 3°C zurückgeht. Entsprechend sinkt
auch die 2m-Temperatur auf 10 bis 5°C ab, zumal - wie gesagt - ja wenig
Bewölkung im Spiel ist. Vorderseitig bleibt es meist milder, punktuell sogar bei
15°C oder etwas darüber. Lediglich in einigen trockenen Senken Süddeutschlands
kühlt es in Richtung 6 oder 5°C ab.

Samstag ... findet der fließende Übergang vom langsam scheidenden Höhenhoch zum
o.e. Nordseerücken seine Fortsetzung, und auch Bodenhoch ONNI nimmt mehr und
mehr das Heft des Handelns in die Hand. Es dehnt seinen Einfluss von der Nordsee
her nach Süden aus, wobei der Druckanstieg die Kaltfront quasi überläuft, was
der nicht wirklich gut bekommt. Oder mit anderen, bis in die nördliche Mitte
schafft es die gute Front noch einigermaßen, dann gehen ihr aber zunehmend die
Körner aus.
So verbleibt die gesamte Südhälfte in der präfrontalen Warmluft liegen (T850 10
bis 14°C => bei weiterhin viel Sonnenschein T2m 25-30°C), die gegenüber heute
mit etwas mehr Feuchte angereichert wird. Zudem bildet sich im Bodendruckfeld
eine flache Tiefdruckrinne ab, so dass der zaghafte Anschein erweckt wird, dass
da evtl. konvektiv etwas gehen könnte. Aber mal ganz ehrlich, die Warmluft ist
insgesamt immer noch recht trocken (hohes KKN) und ziemlich gedeckelt, auch wenn
der Deckel vielleicht nicht mehr ganz so fest sitzt wie heute. Kurzum, vor allem
inneralpin sind einzelne orografisch ausgelöste Schauer oder Gewitter durchaus
möglich. Ob diese sich dann aber auch bis zum deutschen Alpenrand verirren, ist
mehr als fraglich.
Genauso fraglich ist, ob es im Mittelgebirgsraum im Umfeld der Front zu
einzelnen Schauern kommt, wie es z.B. von GFS (mit bekanntem positivem Bias bei
Taupunkt), IFS oder auch SuperHD (Km) postuliert wird. Die deutsche Modellkette
hält davon ebenso wenig wie EURO4. Wahrscheinlich wird es auf einige Wolken
hinauslaufen, die hier und da auch mal ein paar Tropfen herausquetschen können,
großartige Schauer sind aber eher nicht zu erwarten.
Bliebe noch der Blick auf Norddeutschland, wo die eingeflossene Polarluft (T850
2 bis 6°C, zur Mitte hin um 8°C) rasch wieder unter Hochdruckeinfluss gelangt.
Trotz verbreitet ungehinderter Einstrahlung reicht in einem Streifen vom
nordwestlichen Niedersachsen bis hinüber zum Stettiner Haff kaum noch für 20°C
(genauer 16 bis 20°C), was gegenüber heute einen Temperatursturz von bis zu 10
Grad bedeutet - Respekt. Noch frischer wird es bei für West- bis Nordwestwind
anfälligen Küstenabschnitten (was vor allem an der Nordsee der Fall ist), wo man
sich z.T. mit 10 bis 15°C drin. Sollte dann auch noch, jetzt sind wir beim worst
case angelangt, tiefe Bewölkung oder gar Seenebel insbesondere gegen die
schleswig-holsteinische Nordseeküste gedrückt werden, wie es von EURO4 und dem
polnischen UM simuliert wird, könnte es noch fieser werden und wohlmöglich
einstellig bleiben. Auch hier ist aber noch nicht das letzte Wort gesprochen,
sind doch andere Modelle wohlgesonnener mit den Nordseeanrainern.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich der Höhenrücken mitten über den
Vorhersageraum, während das zugehörige Bodenhoch seinen Schwerpunkt über Nord-
und Ostdeutschland hinweg ganz allmählich Richtung Polen verschiebt. Dabei
werden die Reste der immer noch über der Mitte verweilenden Kaltfront zunehmend
getilgt, gleichwohl bleibt es bei zweierlei Luftmassen. So geht die Temperatur
im Norden und Osten in der trockenen Polarluft vielerorts auf 6 bis nahe 0°C
zurück, was gebietsweise leichten Frost in Bodennähe bedeutet. Nach Süden und
Westen hin macht das Thermometer auf seinem Weg nach unten nicht selten noch im
zweistelligen Bereich Schluss, örtlich liegt die Tiefsttemperatur bei 15°C.
Im Nordseeumfeld (SH und NDS) besteht die Gefahr von Nebel, sonst ist die Luft
dafür zu trocken.

Sonntag ... beginnt die Weichenstellung für nun wieder deutlich
tiefdruckbeeinflusstere Tage, die uns bevorstehen. So wandert besagter
Höhenrücken nebst Bodenhoch gemächlich über Deutschland ostwärts, was den Weg
frei macht für zyklonale Gesellen, die sich von Westen her nähern. Namentlich
handelt es sich dabei um einen gut ausgeprägten Kurzwellentrog in der Höhe sowie
ein Frontensystem, das zu einem Tief zwischen Schottland und Island gehört.
Beides - Trog und Fronten - bleiben zwar zunächst noch westlich von uns,
gleichwohl dreht die Höhenströmung mit Durchgang der Rückenachse zunehmend auf
Südwest. Zudem rückt der vom o.e. Tief ausgehende Bodentrog immer dichter an den
Vorhersageraum heran und dabei im Westen und Nordwesten ein konfluentes Windfeld
erzeugt (Südost vs. Südwest). Da die vor Ort liegende, sich im Norden wieder
erwärmende Luftmasse zudem mit weiterer Feuchte angereichert und zudem
labilisiert wird (Anstieg ML-CAPE mit Ausnahme des Ostens und Nordostens auf 100
bis 500, gebietsweise bis 750, lokal bis 1000 J/kg), verbessern sich die
Rahmenbedingungen für konvektive Umlagerungen nicht unwesentlich.
Die Frage wird sein, ob diese Rahmenbedingungen nicht nur den Status des
Notwenigen erreichen, sondern auch hinreichend für mögliche Schauer und Gewitter
sein werden. Die Modelle beantworten diese Frage derzeit noch recht
unterschiedlich. Während GFS einmal mehr vorne weg marschiert und die Zone
sicht- und fühlbarer Konvektion über den Norden und die Mitte weit nach Osten
voranschreiten lässt, agiert IFS etwas zurückhaltender (im Wesentlichen Westen
und Nordwesten, bedingt Mittelgebirge). Noch defensiver ist ICON aufgestellt,
das bis zum Abend nur wenige vereinzelte Schauer oder Gewitter im äußersten
Westen zulässt.
Kurzum, obwohl die Modelle die Basisfelder sehr kongruent simulieren, ergeben
sich bei den Auswirkungen größere Unsicherheiten, die heute kaum zu bereinigen
sind. Was gegen eine zu große Ausweitung der Konvektion nach Osten spricht ist
die Tatsache, dass der eigentlich KW-Trog in der Höhe tagsüber noch ziemlich
weit entfernt ist von uns. Fakt jedenfalls ist, dass die Scherung im Nordwesten,
also im Bereich der Bodentrogachse bzw. einer möglichen Konvergenz, am größten
ist, so dass dort am ehesten organisierte Gewitter auftreten. Sollte das der
Fall und etwas Rotation am Start sein, besteht durchaus die Gefahr größeren
Hagels. Aber auch Starkregen ist bei PPWs von 20 bis 25 mm und langsamer
Zuggeschwindigkeit zu beachten, wobei in der Basis markante Warnungen ausreichen
sollten, lokale Unwetter aber nicht ausgeschlossen sind. Tückisch könnte an der
einen oder anderen Stelle auch der Wind/Sturm werden, auch wenn die Höhenwinde
nicht gerade flott unterwegs sind. Dafür weisen die Prognosetemps größtenteils
eine inverse V-Struktur auf (=> trockene Grundschicht), was die Gefahr von
Sturmböen durch verdunstenden Niederschlag (=> Abkühlung) und daraus folgender
Gravitationsbeschleunigung erhöht.
Unabhängig von der Entwicklung von Westen her nimmt die
Gewitterwahrscheinlichkeit auch in und an den Alpen zu. Dort besitzen die Zellen
ein gewisses Unwetterpotenzial durch Starkregen, weil sie eher Stehversuche
betreiben als sich vom Fleck zu entfernen.
Die Temperatur steigt im Süden und in der Mitte auf 24 bis 29°C, sonst auf 19
bis 24°C, an der See z.T. etwas darunter.

In der Nacht zum Montag nähert sich der KW-Trog, aus dem aber noch kürzere
Anteile von SW nach NO über Teile des Vorhersageraums hinweglaufen. Gleichzeitig
greift die Kaltfront des o.e., Richtung Norwegen ziehenden Tiefs auf den
Nordwesten über. Die Schauer und Gewitter verlagern sich ostwärts, wobei
weiterhin markante Entwicklungen wahrscheinlich und lokale Unwetter möglich
sind. Für Details ist es aber noch etwas zu früh. Tatsache ist, dass postfrontal
ein Schwall subpolarer und relativ stabil geschichteter Meeresluft in den
Nordwesten gelangt (T850 unter 5°C). Darüber hinaus frischt der auf SW bis W
drehende Wind abseits von konvektiven Böen besonders in exponierten Hochlagen
stark böig auf mit Böen 8-9 Bft auf dem Feldberg und dem Brocken.

Montag ... schwenkt der KW-Trog unter Amplitudenverlust ostwärts, bevor die über
Deutschland verlaufende Frontalzone zonalisiert und eine sehr glatte Struktur
annimmt. Die Kaltfront des zur Norwegischen See ziehenden Tiefs überquert uns
ost-südostwärts, wodurch die schauerartigen Regenfälle und weiterhin teils
kräftigen Gewitter im Osten bis zum frühen Nachmittag nach Polen und Tschechien
abgedrängt werden, während sie sich im Süden bis zum Abend mehr und mehr in die
Gebiete südlich der Donau respektive zum Alpenrand zurückziehen.
In der rückseitig einströmenden subpolaren Meeresluft geht die
850-hPa-Temperatur im Norden auf 4 bis 0°C zurück, während es im Süden mit 7 bis
10°C milder bleibt (mathematisch ambitionierte Interessenten dieses Bulletins
können jetzt das kleine virtuelle Gleichungssystem lösen mit der Fragestellung:
welche Werte nimmt T850 in der Mitte ein?). Dabei stellt sich bei rund 800 hPa
eine Inversion ein, unter der die Grenzschicht labil geschichtet ist und sich
Quellungen bilden, deren vertikale Mächtigkeit aber kaum für Schauer ausreicht.
Stattdessen breiten sie sich vielfach aus (Stratocumulus cumulogenitus) und
sorgen somit für gedämpfte Sonnenbrandgefahr. Temperaturmäßig landen wir in der
NW-Hälfte bei 14 bis 20°C (an der See z.T. etwas darunter), sonst bei 18 bis
23°C.
Der westliche Wind lebt mitunter böig auf mit einzelnen Böen 7 Bft, in
exponierten Kamm- und Gipfellagen 8 bis 9 Bft, Tendenz am Nachmittag mit
steigendem Druck abnehmend.


Modellvergleich und -einschätzung
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Einmal mehr begegnet und auch heute wieder das Phänomen, dass die Modelle die
Umstellung der Wetterlage unisono und in den Basisfeldern weitgehend
übereinstimmend simulieren, in den Auswirkungen aber mehr oder weniger große
Unterschiede offenbaren. Das geht los mit den potenziellen Schauern an der
Kaltfront morgen in der Mitte und endet mit den konvektiven Umlagerungen von
Sonntag zu Montag.
Eines ist aber unstrittig: die Kaltfront die in den nächsten Stunden von der
Nordsee her auf den NW übergreift und morgen bis zur Mitte vorankommt, ist
optisch völlig unscheinbar (zumindest derzeit noch), dafür hat sie es thermisch
faustdock hinter den Ohren. Fragt z.B. mal in Kiel nach, wenn nach fast 28°C
heute am morgigen Samstag nur noch rund 18°C gemessen werden, und das bei
weiterhin reichlich Sonnenschein.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann