DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-04-2018 13:30
SXEU31 DWAV 120800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 12.04.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Alpen Föhn, Bayerische Wald, Erzgebirge und Ostsee stürmische Böen. Im Westen
und Süden einzelne Gewitter. Nachts Elbtal und Ostsee böiger Wind. Über der
Mitte und dem Nordwesten teils kräftige Gewitter, im Osten einzelne Gewitter.
Freitag im Norden und Osten teils kräftige Gewitter mit Unwetterpotential.
Regional auch Starkregen möglich. Im Süden teils kräftige Schauer und Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... ist ein umfangreicher Höhentrog über Südwesteuropa zu finden, der
sich im Tagesverlauf nur geringfügig verlagert. Anders hingegen verhält es sich
mit mehreren kleinräumigen Vorticitymaxima, die in diesen großräumigen Trog
peripher eingebunden sind und sich auf meist meridionaler Bahn verlagern. Die
für Deutschland wichtigste Rolle spielt dabei ein Kurzwellentrog über dem
Löwengolf, der sich allmählich nordwärts nach Südostfrankreich verlagert und
über Deutschland eine kräftige südliche Höhenströmung aufrecht erhält bzw.
zusätzlich forciert. Gleichzeitig wird vorderseitig dieser
Tiefdruckkonfiguration sehr milde und feuchte Luft vom zentralen Mittelmeer um
den östlichen Alpenhauptkamm herum in den Osten und Norden Deutschlands geführt,
während den Südwesten etwas trockenere und geringfügig kühlere Luft beeinflusst.
Im Zusammenspiel mit dem Überströmen der Alpen und der vorhandenen Diabatik
weitete ein großräumiges, allerdings auch diffus strukturiertes Bodentief über
Frankreich seinen Einfluss im Tagesverlauf allmählich auf den Südwesten
Deutschlands aus. Zuletzt sollte noch ein kräftiges Skandinavienhoch erwähnt
werden, das advektiv gestützt kaum seine Position verändert und daher mit
Annäherung des Bodentiefs für eine Intensivierung des Bodendruckgradienten über
Norddeutschland sorgt. Aus dieser synoptischen Konstellation ergeben sich
mehrere Warnschwerpunkte.
Der Alpenföhn dauert aus der Nacht heraus weiter an mit Sturmböen im Bergland
und schweren Sturmböen, teils auch orkanartigen Böen auf exponierten
Alpenkämmen. Der Föhn kann zeitweise bis in föhnanfällige Täler durchbrechen und
auch in Südostbayern weht ein böiger Südostwind (Bft 7, im Bayerischen Wald
stürmisch mit Bft 8). Im Nachmittagsverlauf und zum Abend sollte sich der
"cross-alpine" Druckgradient abbauen, sodass sich der Föhn zum Abend deutlich
abschwächt, in Kammlagen jedoch noch weiter weht. Entsprechend des nach Norden
und Nordosten hin zunehmenden synoptisch-skaligen Druckgradienten wird auch
entlang des Erzgebirges mit einem böigen Südostwind (Bft 7) gerechnet, der bis
weit nach Sachsen und ins südliche Brandenburg ausgreift und auf den Kammlagen
des Erzgebirges zeitweise stürmisch weht (Bft 8). Über dem Nordosten (weite
Bereiche von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein betreffend) weht ein
böiger Nordostwind, im Ostseeumfeld sowie im nördlichen Schleswig-Holstein auch
wiederholt mit stürmischen Böen.
Abgesehen vom Wind rückt der Parameter "Gewitter" in den Fokus. Dabei nehmen die
Vorhersageunsicherheiten jedoch deutlich zu. Der Hauptgrund hierfür ist auf das
Zusammenspiel mehrere unterschiedlicher Luftmassen zurückzuführen. Durch das
Überströmen der Alpen/die Föhnsituation wird eine gut durchmischte, allerdings
von der Grundschicht abgekoppelte Luftmasse mit recht hohen lapse rates in den
Süden und Westen Deutschlands geführt. Dort interagiert diese höhenmildere
Luftmasse mit der niedertroposphärisch aus Südost herangeführten labilen
Luftmasse, die sich zwar durch geringere lapse rates, jedoch durch einen etwas
höheren Feuchtegehalt auszeichnet. Ganz im Norden sorgt der andauernde
Nordostwind weiterhin für die Advektion einer recht trockenen Luftmasse mit
niedrigen Taupunkten. Überlagert wird diese Konstellation in der Höhe von
zunächst dominierendem synoptisch-skaligen Absinken (nach Westen zunehmend
zyklonal geprägt mit schwachen Hebungsimpulsen), bevor im Nachmittagsverlauf die
Hebung vorderseitig des Tiefs/kurzwelligen Troges über Südostfrankreich und in
Verbindung mit dem sich bildenden Bodentief von Süd nach Nord deutlich zunimmt.
Somit ist heute abgesehen vom Nordosten wiederholt mit dichten mittelhohen und
hohen Wolkenfeldern zu rechnen, die von Süden her nach Nordwesten ziehen. Hier
und da können einzelne Schauer und Gewitter nicht ausgeschlossen werden, wobei
diese bis zum frühen Nachmittag besonders im Westen und Südwesten erwartet
werden. Zwischen den Wolkenfeldern zeigt sich jedoch auch wiederholt die Sonne.
Im Nachmittagsverlauf wird die Luftmasse dank diabatischer Erwärmung abgesehen
vom Norden überall labiler mit MLCAPE-Werten von 400-600 J/kg. Dabei entscheiden
Faktoren wie Einstrahlungsdauer zwischen den Wolkenfeldern und die Orografie
über die regionale Auslöse, die jedoch in Verbindung mit der zunehmenden Hebung
vom Niederrhein über die Pfalz bis nach Bayern als nicht unwahrscheinlich
angesehen werden kann. Zunehmend fokussieren die Modelle Bayern als den Bereich,
wo sich abends teils kräftige Schauer und Gewitter ausbilden können. Sollten
sich Gewitter bilden, muss bei hochreichender Scherung von mehr als 20 m/s und
PPW-Werten um 20 mm mit Starkregen, Sturmböen und eng begrenzt mit Hagel
gerechnet werden (überwiegend markant).
In Richtung Osten und Nordosten gestaltet sich der Tag insgesamt freundlicher
mit längeren sonnigen Abschnitten und trocken. Die Höchstwerte weisen weiterhin
eine große Spannbreite auf und liegen bei 7 bis 11 Grad im Ostseeküstenumfeld
und sonst bei 18 bis 22 Grad. In Richtung Lausitz dürfte auch die 25
Grad-Sommermarke erneut erreicht werden.

In der Nacht zum Freitag verlagern sich der kurzwellige Höhentrog und der
Bodentrog beide zögernd nach Norden und sorgen über weiten Bereichen
Deutschlands für kräftige Hebung. Bereits in diesem Vorhersagezeitraum kann auf
Detailfragen nicht näher eingegangen werden, da sich die Modelle bei der
Verlagerung der Bodentiefdruckrinne noch zu sehr unterscheiden. Allgemein muss
besonders in der Mitte und dem Nordwesten mit kräftigen Schauern und Gewittern
gerechnet werden, die im Verlauf der Nacht von Nordbayern ausgreifend nach
Nordwesten ziehen. Dabei wäre es nicht überraschend, wenn sich die Gewitter
eingangs der Nacht organisieren und entlang der Labilitätszunge (gekoppelt an
die Tiefdruckrinne) auf der warmen Seite der Rinne in Form eines Clusters nach
Nordwesten ziehen. Reste der höheren lapse rates in Verbindung mit nur zögernd
nachlassender Scherung sowie einer recht trockenen niedertroposphärischen
Schicht könnten das Potential eines progressiven MCS mit der Gefahr von
Sturmböen in den Vordergrund rücken, während auf der kalten Seite der
Bodentiefdruckrinne (aus heutiger Sicht besonders das westliche zentrale
Mittelgebirge betreffend) skalige Niederschläge mit eingelagerten Gewittern zu
erwarten wären. Starkregen ist regional zu erwarten, zumeist im markanten
Bereich und nur örtlich die Unwetterschwelle erreichend. Im Süden und Nordosten
verläuft die Nacht hingegen zumeist bewölkt mit einzelnen Schauern, ausgangs der
Nacht im Osten und Nordosten auch mit einzelnen Gewittern. Der böige Ostwind im
Ostseeumfeld und der Südostwind entlang des Erzgebirges und im Elbtalkessel
schwächen sich während der Nacht nur geringfügig ab. Sonst wird abseits der
Schauer und Gewitter mit nur schwachen bis mäßigen Windgeschwindigkeiten
gerechnet. Die Tiefstwerte liegen im Osten zwischen 15 und 11 Grad, sonst
zwischen 10 und 7 Grad, südlich der Alb um 5 Grad.


Freitag... verlagern sich der Trog und der Bodentrog zögernd nordwärts und
erfassen zunehmend Norddeutschland. Die Unsicherheiten jedoch nehmen immer
weiter zu, da teils ein abgeschlossenes Bodentief, teils eine diffus
strukturierte Bodentiefdruckrinne vonseiten der Modelle gezeigt werden.
Übereinstimmend wird jedoch forcierte Advektion feucht-labiler Luft in den
äußersten Osten und Nordosten Deutschlands erwartet, die sich im Tagesverlauf
dank diabatischer Erwärmung und mäßiger lapse rates in mittleren Höhenniveaus
durch MLCAPE-Werte von 500-900 J/kg äußert. In Verbindung mit der Trogannäherung
nimmt auch der Wind in der mittleren und oberen Troposphäre weiter zu, sodass
die hochreichende Scherung Werte von 20 m/s erreicht. Die Ausprägung der
grenzschichtnahen Scherung hängt von der Entwicklung des potentiellen Bodentiefs
und der einhergehenden ageostrophischen Komponente ab. Zusammengefasst muss im
Osten und Nordosten mit zahlreichen von Südost nach Nordwest ziehenden Schauern
und Gewittern gerechnet werden, die tageszeitenbedingt an Intensität gewinnen.
Ob dies in Form eines von Tschechien hereinziehenden Clusters oder an Hand von
Neubildungen geschieht kann dank der großen Modellunsicherheiten noch nicht
genauer definiert werden. Auf jeden Fall besteht die Gefahr von Hagelschlag,
Sturmböen und Starkregen - verbreitet im markanten Bereich und regional auch die
Unwetterschwelle erreichend.
Über der Mitte und dem Süden wirkt sich der Höhentrog mit kalter Höhenluft aus,
die die feuchte und mäßig-warme Luftmasse überlagert und in diesen Bereichen für
die Ausbildung von 300 bis 600 J/kg MLCAPE, in Südostbayern auch mehr, sorgt.
Kräftige Hebung und der Tagesgang sollten die Ausbildung zahlreicher Schauer und
Gewitter unterstützen, die sich in einer sehr scherungsarmen Umgebung nur
geringfügig verlagern. Starkregen im markanten Bereich ist wahrscheinlich und
auch die Ausgabe von Unwetterwarnungen durch Starkregen kann aus heutiger Sicht
nicht ausgeschlossen werden. Besonders im Fokus liegt dabei die kalte Seite der
Bodentiefdruckrinne, wo ergiebige, mehrstündige und konvektiv verstärke
Regenfälle auftreten können. Allerdings ist eine räumliche Spezifikation noch
nicht näher möglich. Die Höchstwerte liegen dabei im Osten und Nordosten bei 19
bis 24 Grad, sonst zwischen 16 und 19 Grad und im Ostseeumfeld um 12 Grad. Der
Nordostwind weht im Ostseeumfeld weiterhin böig mit wiederholten stürmischen
Böen und auch im Elbtal muss mit einem böigen Südostwind gerechnet werden. Sonst
treten abseits der Schauer und Gewitter nur schwache bis mäßige
Windgeschwindigkeiten auf.

In der Nacht zum Samstag verlagert sich die Bodentiefdruckrinne mit der labilen
und schauer-/gewitteranfälligen Luftmasse weiter nach Norden. Allerdings
beeinflusst der Höhentrog auch weiterhin Norddeutschland, während sich im Süden
ein schwacher Höhenkeil zunehmend wetterberuhigend auswirkt. Entsprechend
schwächen sich die Schauer und Gewitter vom Tage über der Mitte und dem Norden
nur zögernd ab, besonders im Nord- und Ostseeumfeld muss auch weiterhin mit
Starkregen im markanten Bereich gerechnet werden. Diese Niederschläge schwächen
sich allerdings im Verlauf der zweiten Nachthälfte immer weiter ab, sodass
Warnschwellen durch Starkregen voraussichtlich nicht mehr erreicht werden. Über
der Mitte und dem Süden lockert die Wolkendecke immer weiter auf und
gebietsweise bildet sich Nebel. Es bleibt hier trocken. Die Tiefsttemperaturen
liegen zwischen 10 und 6 Grad im Norden und der Mitte und zwischen 5 und 1 Grad
im Süden. Dort ist auch leichter Frost in Bodennähe zu erwarten.

Samstag... schwächt sich der Einfluss des Höhentroges über Deutschland
sukzessive ab und von Süden greift ein Höhenrücken auf weite Bereiche
Deutschlands über. Abgesehen vom Nordwesten und Norden kann somit ein
freundlicher Tag erwartet werden. Zwischen ausgedehnten hohen Wolkenfeldern
zeigt sich immer wieder die Sonne, besonders im Osten ist es zeitweise auch
richtig sonnig. Niederschlag wird keiner mehr erwartet. Im Nordwesten und Norden
hingegen liegt noch etwas feuchtere und geringfügig labil geschichtete Luft, die
im Tagesverlauf in Form von einzelnen Schauern und Gewittern aktiviert werden
dürfte. Die Intensität dieser Niederschläge fällt jedoch im Vergleich zu den
Vortagen deutlich geringer aus. Im Süden weht der Wind schwach aus Nordost, im
Westen und Norden mäßig aus Süd und die Tageshöchsttemperaturen liegen zwischen
17 und 23 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die generelle synoptische Entwicklung wird innerhalb der Modelle recht gut
erfasst. Alle zeigen eine zögernde Nordverlagerung des Höhentroges und die daran
gekoppelte Bodentiefdruckrinne, wobei die Rinne im Verlauf der Nacht zum Samstag
und am Samstag tagsüber Norddeutschland allmählich nordwärts verlässt.
Allerdings sind mit Blick auf die Schauer- und Gewittervorhersage Detailfragen
von Interesse, die weiterhin recht inhomogen gezeigt werden. Dies betrifft die
zeitliche und räumliche Verlagerung der Bodentiefdruckrinne und auch die Option
einer möglichen eigenständigen Bodentiefdruckentwicklung innerhalb dieser Rinne.
Diese Entwicklungsoptionen haben einen Einfluss auf den Organisationsgrad der
Gewitter (u.a. durch variable Ageostrophie) und auch auf mögliche skalige
Niederschläge auf der kalten Seite der Tiefdruckrinne (Starkregenpotential).
Diese Unsicherheiten können heute noch nicht näher geklärt werden. Bezüglich der
Windentwicklung (Alpen, Ostsee und Erzgebirge) stimmen die Modelle meist gut
überein. *

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy