Thema des Tages

26-05-2016 14:40

Das Barische Windgesetz

Der Wind begleitet jeden von uns durch sein Leben. Einerseits sorgt
seine Abwesenheit für lange Gesichter bei ambitionierten Seglern oder
für einen unruhigen Schlaf in einer stickigen und schwül-warmen
Sommernacht. Andererseits jedoch kann der Wind Kräfte entfalten, die
zur Bedrohung für Leib und Leben werden, sei es in Form eines
gewaltigen Orkantiefs oder durch einen räumlich eng begrenzten
Tornado, der eine Schneise der Verwüstung durch die Landschaft zieht.
Wind tritt also in vielfältiger Stärke auf und weht entsprechend der
Wetterlage oder lokaler orografischer Effekte auch aus
unterschiedlichen Richtungen.

Schon früh begannen Wissenschaftler mit der Untersuchung des Windes
und es wurde versucht Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen
physikalischen Parametern zu finden (z.B. Temperatur und Wind).
Dadurch sollte die Vorhersagbarkeit des Wetters immer weiter
verbessert werden. In diesem Zusammenhang sollen drei Wissenschaftler
genannt werden, die sich unter anderem diesem Thema gewidmet hatten:
der amerikanische Mathematiker und Meteorologe James Henry Coffin,
der Meteorologe William Ferrel und der niederländische
Wissenschaftler Christoph Buys Ballot. Alle drei lebten im 19.
Jahrhundert und alle machten beinahe zur selben Zeit die Entdeckung,
auf der die Aussage des Barischen Windgesetzes beruht (barisch
bedeutet: den Luftdruck betreffend), welches auch den Namen "Gesetz
von Buys-Ballot" besitzt. Doch was hat es mit diesem Gesetz auf sich?


Da wir uns alle auf einem sich drehenden Planeten befinden, sind die
Bewegungen einer speziellen Schein- oder Trägheitskraft unterworfen,
der sogenannten Corioliskraft. Man kann sich das folgendermaßen
vorstellen: Am Äquator ist der Umfang der Erde mit mehr als 40 000
Kilometer am größten, was einer Rotationsgeschwindigkeit von mehr als
1 600 km/h entspricht. Weiter im Norden wird der Erdumfang geringer
und dementsprechend auch die Geschwindigkeit der Erddrehung. Ein
Teilchen, das nun auf der Nordhemisphäre von Süden nach Norden
vorstößt, bringt mehr kinetische Energie (also Bewegungsenergie) mit,
weist somit eine höhere Geschwindigkeit auf als im Vergleich zu den
Teilchen, die ursprünglich weiter im Norden zu finden sind. Diese
zusätzliche Energie sorgt dafür, dass das Teilchen für einen
Beobachter auf der Erde nach rechts abgelenkt wird.

Diese Scheinkraft macht sich auch beim Wetter bemerkbar, denn sie
sorgt dafür, dass in der Natur die Luft aus dem Hochdruckgebiet nicht
direkt in ein Tiefdruckgebiet strömt. Aus dem Hoch strömt die Luft
auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn nach außen, wird also nach
rechts abgelenkt. Auch in ein Tiefdruckgebiet strömt die Luft nicht
direkt zum Zentrum, sondern wird wiederum seitwärts nach rechts
abgelenkt und sorgt somit für eine Rotation gegen den Uhrzeigersinn.
Und mit diesem Wissen kann man nun das Barische Windgesetz anwenden.


Wenn man dem Wind den Rücken zukehrt, dann kann anhand der
Windrichtung abgeschätzt werden, wo die dazu korrespondierenden
Druckgebilde zu finden sein müssen - aus der Sicht des Beobachters
auf der Nordhalbkugel ist der tiefere Druck links vorne und der hohe
Druck rechts hinten zu finden. Dies gilt natürlich für die Bereiche,
wo der Wind oberflächennah nicht stark abgelenkt wird, wie z.B. über
dem offenen Meer oder allgemein dort, wo der Wind nur wenig
Bodenreibung oder Ablenkung durch Hindernisse erfährt. Diese
Erkenntnis in Verbindung mit weiteren meteorologischen Beobachtungen
(wie z.B. der Veränderung der Temperatur oder der Bewölkung) kann
auch eine grobe Tendenz ermöglichen, wie sich das Wetter während der
kommenden Stunden entwickeln könnte, ob also zum Beispiel die Passage
einer Kaltfront bevorsteht.

Zwar ist man auf solch ein Wissen in der heutigen Zeit der
Technologie nicht mehr zwingend angewiesen, doch kann es einem
sicherlich helfen, wenn man mal dank schlechter oder fehlender
Internetverbindung vom weltweiten Datenstrom abgekoppelt ist und sich
selbst ein grobes Bild vom Wetter machen möchte - wie z.B. bei der
Navigation auf hoher See.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.05.2016