DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

23-02-2018 11:30
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 23.02.2018 um 10.30 UTC



Der meteorologische Winter geht, die Kälte kommt! - Arktikluft lässt Deutschland
vorübergehend erstarren.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 02.03.2018


In der Höhe konnte sich ein ausgeprägter Langwellentrog von Nordosteuropa bis
nach Frankreich und Norditalien ausbilden, auf dessen Nordflanke sich am Boden
ein kräftiges Hoch von Sibirien über Skandinavien bis zu den Britischen Inseln
erstreckt. Durch diese hochreichenden Strukturen wurde der Kaltluftpool über
Finnland und Nordrussland angezapft und mit einer nordöstlichen Grundströmung
auf den Weg nach Mitteleuropa geschickt, wo sie ab Sonntag erwartet wird.

Da sich eine derartige Geopotential- und Luftdruckstruktur in diesem Winter
bisher noch nicht zeigte und stattdessen bisher die milderen West- oder
Nordwestlagen dominierten, stehen demnach die nun kältesten Tage des
diesjährigen Winters an.

Insgesamt bestimmt bis zur kommenden Wochenmitte die Zufuhr kontinentaler
Arktikluft das Wettergeschehen und sorgt verbreitet für Dauerfrost mit einer
erheblichen Frostverschärfung in den Nächten. In 850 hPa sollen gleichzeitig die
Temperaturen auf um -15 Grad am Montag, bis -20 Grad am Dienstag und um -20 Grad
am Mittwoch sinken.

Aufgrund der trockenen Kontinentalluft fallen nur an der Ostsee aufgrund von
definierten Schauerstraßen wiederholt Schneefälle mit nennenswerten Mengen
(Lake-Effekt). Über mehrere Tage hinweg könnte sich der Schnee durchaus auf 10
bis 20 cm, stellenweise vielleicht sogar noch mehr akkumulieren. Verantwortlich
ist dort eine flache, bis etwa 800 hPa reichende Labilität (Ostseewasser knapp
über 0°C, T850 teils unter -15°C), die aber völlig ausreicht, konvektiv
geprägten Schneefall zu generieren.

Ein weiterer spannender Faktor dürfte zudem der sogenannte Windchill werden. Da
der Nordost- bis Ostwind kräftig bläst, fühlen sich die Temperaturen noch
deutlich kälter an. Gerade ausgangs der Nächte sollen die gefühlten Temperaturen
durch den Wind Deutschlandweit zwischen -10 und -25°C, exponiert sowie im
Bergland teilweise bei werten sogar bis -40°C liegen.

Aus synoptischer Sicht ist bis Dienstag dabei in der Höhe weiter der ausgeprägte
Langwellentrog von Russland bis nach Frankreich sowie in Bodennähe die
Hochdruckzone von Nordwestrussland bis zu den Britischen Inseln dominierend. Die
Frontalzone liegt weit westlich über dem Ostatlantik. Frontogenetische Prozesse
sind sonst auch noch im Mittelmeerraum auf der Vorderseite des Langwellentroges
zu beobachten.

Am Mittwoch zeigen die Modelle allmählich einen Abschnürungsprozess des
Langwellentroges über dem Baltikum sowie der Ukraine. Nachfolgend soll sich zum
Donnerstag, je nach Modell mehr oder weniger stark ausgeprägt, eine Art
Dipolstruktur mit zwei zonal ausgerichteten Höhentiefzentren bei Irland und über
Polen bilden. Über dem nördlichen Mittelmeerraum bis in den Südwesten
Deutschlands soll sich gleichzeitig ein schwacher Höhenrücken auswirken. Am
Boden korrelieren die Höhenstrukturen mit kräftigen Tiefdrucksystemen über dem
Ostatlantik und der südlichen Ukraine sowie hohem Luftdruck von Schottland bis
nach Nordwestrussland. Kompensierendes Absinken wird zudem von Deutschland bis
nach Griechenland simuliert.

Am Freitag bleiben die Strukturen in der Höhe mit einer zonal ausgerichteten
Zone tiefen Geopotentials mit zwei Höhentiefzentren weiter bestehen, wobei das
östliche Höhentief deutlich stärker ausgeprägt ist. Demnach würde bei einer
östlichen bis südöstlichen Strömung in großen Teilen des Landes weiter kalte
Festlandsluft vorherrschen. Lediglich in den Süden kann ausgehend von einem
Mittelmeertief etwas mildere Luft über die Alpen nordwärts gelangen und südlich
von Mosel und Main für Niederschläge sorgen.

Im erweiterten mittelfristischen Zeitraum bis Montag sollen sich nach dem
neusten IFS-Lauf die Höhentiefs allmählich zu einem Langwellentrog verschmelzen,
der von Skandinavien südwärts gerichtet ist. Über Deutschland würde sich in der
Höhe eine zonale westliche Strömung einstellen, mit der wiederholt kurzwellige
Anteile durchschwenken können. Am Boden stellt sich gleichzeitig eine schwach
gradientige Situation mit einem schwachen Hochdruckgebiet südöstlich von
Deutschland ein. Die -10°C Isotherme in 850 hPa würde sich dabei in den Norden
und Osten des Landes zurückziehen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis einschließlich Mittwoch zeigt der aktuelle 00 UTC-Lauf des IFS (ECMW) eine
sehr hohe Konsistenz zum gestrigen 00 UTC-Lauf. Der 12 UTC Lauf zeigt im
Vergleich aber auch nur geringe Abweichungen in der Amplitude und Phase der
Geopotential- und Luftdruckstrukturen.
In der zweiten Wochenhälfte werden die Prognosen unsicher. Wie häufig bei
winterlichen Blockierungslagen will die Numerik diese nach hinten raus gerne
kappen und eine Milderung ins Spiel bringen, was aber nicht immer in der
Realität zu beobachten ist. Sowohl nach dem gestrigen als auch dem heutigen 00
UTC-Lauf soll in einem gewissen Maße eine Milderung von Südwesten her erfolgen.
Während im gestrigen Lauf die Milderung rasch nahezu das ganze Land eindeckt,
kann sie sich im neusten Lauf des IFS zunächst in abgeschwächter Form nur über
den süddeutschen Raum ausbreiten. Demnach würde sich über die südliche Mitte
hinweg eine Luftmassengrenze ausbilden, welche die gealterte Arktiklauft von
wärmerer Subtropikluft trennt. Entsprechend müsste vor allem südlich von Mosel
und Main mit Niederschlägen gerechnet werden, die teils als Schnee, teils als
gefrierender Regen oder Regen fallen können.

Verantwortlich für die Unterschiede zwischen den letzten Modellläufen des IFS
ist die unterschiedliche Interpretation der Dipol ähnlichen Strukturen in der
Höhe ab Donnerstag. In beiden Läufen werden zwar zonal ausgerichtete Strukturen
mit zwei Höhentiefzentren bei Irland und über Polen gezeigt, während im neusten
Lauf des EZ jedoch das östliche Drehzentrum stärker simuliert wird, zeigte der
vorangegangene 00 UTC-Lauf das westliche Höhentief deutlich stärker ausgeprägt.
Entsprechend veränderten sich auch die Luftdruckmuster am Boden. Zeigte der
gestrige Lauf noch ein kräftiges Tief, welches auf der Vorderseite des starken
westlichen Höhentiefs von der Iberischen Halbinsel über Frankreich hinweg
nordwärts zog und auf der Vorderseite milde Subtopikluft weit nach Norden
transportierte, zieht im neusten Lauf des IFS das Tief von der Iberischen
Halbinsel unter Abschwächung in den nördlichen Mittelmeerraum und beeinflusst
nachfolgend zunächst nur den süddeutschen Raum. Im restlichen Land dominiert
dagegen weiter eine kältere östliche Strömungskomponente auf der Südflanke des
östlichen Höhentiefs.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis einschließlich Mittwoch zeigen alle Modelle der führenden Wetterdienste
(IFS, ICON, GFS, GEM) mit einer hohen Konsistenz ähnliche Strukturen. Somit
gelangt am Dienstag und in der Nacht zum Mittwoch Modellübergreifend in 850 hPa
die -20 Grad Isotherme in den Osten des Landes. Im weiteren Verlauf lässt das
GFS den Schwerpunkt der kalten Luft aber weiter etwas nördlicher liegen. Dies
ist darin begründet, dass die beschriebene Druck- und Potenzialverteilung bei
GFS etwas weiter nördlich positioniert ist als bei den anderen Modellen.

Spannend wird es dann ab Donnerstag nicht nur mit Blick auf die Konsistenz
innerhalb des IFS, sondern auch bei Betrachtung der übrigen Globalmodelle. Zum
einen zeigen GFS, ICON und GEM durchaus andere Lösungen als das IFS, zum anderen
ist aber auch ihre eigene Konsistenz eher als schlecht zu bezeichnen. Die
deterministischen Modelle vollziehen demnach alle eine Art Hüpfwettbewerb unter
dem Slogan "Was interessiert mich das Geschwätz von gestern"!

Bei der Betrachtung der neusten Läufe stehen beim GFS die Zeichen ab Donnerstag
auf Milderung. Dabei simuliert das amerikanische Modell sowohl in der Höhe als
auch am Boden ähnliche Strukturen, wie der gestrige 00 UTC-Lauf des IFS (vgl.
oben). Das ICON geht im Vergleich einen anderen Weg. Zwar zeigt es in der Höhe
ebenfalls eine Dipol ähnliche Struktur, doch anstatt einer zonalen Ausrichtung
lässt das ICON diese entgegen des IFS und GFS kippen. Das westliche Drehzentrum
befindet sich nach ICON über Süddeutschland und der östliche Gegenpart über dem
Baltikum. Korrelierend simuliert ICON am Boden kräftige Tiefs über Südosteuropa
und dem Baltikum sowie über dem Ostatlantik. Von Skandinavien bis nach
Deutschland soll auf der Rückseite des Höhentroges hoher Luftdruck vorherrschen.
Dabei kann sich schließlich die -20 Grad Isotherme über Deutschland bis zum
Wochenende halten. Allerdings sind nach der deutschen Modellkette keine
Niederschläge in Sicht. Diesen liefert schließlich das kanadische Modell (GEM).
In der Höhe ist das GEM mit einem starken westlichen Höhentief zunächst ähnlich
aufgestellt wie das GFS. Im Verlauf lässt das kanadische Modell den westlichen
Ast der Dipolstruktur aber deutlich nach Süden kippen. Das kräftige
korrelierende Bodentief würde demnach mit einer Vb-artigen Bahn zu einer Art
Schneekanone für Deutschland werden.

Insgesamt zeigen die Ausführungen jedoch die großen Unsicherheiten ab
Donnerstag, allerdings mit der Tendenz, dass sich die kalte Luft mehr oder
weniger stark ausgeprägt noch etwas länger halten könnte.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Sowohl die Rauchfahnen des EZ für Offenbach, Hamburg und München, als auch die
des GFS zeigen bei der 850 hPa-Temperatur bis einschließlich Mittwoch, bezüglich
des Potential bis Dienstag bei einem geringen Spread einen sehr homogenen
Verlauf. Danach fächert das Delta bei beiden Parametern deutlich auf. In der
Folge zeigen die Rauchfahnen aus dem Süden des Landes die größte Variabilität.
Am Freitag liegen bei der 850 hPa-Temperatur die Unterschiede zwischen +10 und
-19 Grad. Die Mehrheit der Member zeigt jedoch wie auch der operationelle Lauf
ein deutliches Ansteigen der Temperatur bis auf Werte um 0 Grad. Weiter nördlich
in der Mitte des Landes (Offenbach) nimmt der Spread ebenfalls signifikant zu.
Am Freitag werden dort demnach im 850-hPa-Niveau Werte zwischen -18 und 3 Grad
gezeigt. Zudem wird eine Doppelstruktur mit einem wärmeren und einem kälteren
Ast sichtbar. Während der operationelle Lauf im kälteren Ast im
Temperaturbereich zwischen -10 und -20 Grad liegt, befindet sich der
Kontrolllauf im wärmeren Teil der Offenbacher Rauchfahne. Richtung Küste in
Hamburg wird beim EZ nur eine geringe Milderung gezeigt. Die meisten Member
pendeln sich ab Donnerstag um -10 Grad ein. Beim GFS zeigen die Rauchfahnen ab
Donnerstag ebenfalls eine Zunahme der Unsicherheiten. Für den Süden und die
Mitte soll es nach der Mehrzahl der Member jedoch deutlich milder werden.
Temperaturen von 0 bis 8 Grad auf 850 hPa werden für Offenbach bzw. München
simuliert. Allerdings wird im weiteren Verlauf ab Freitag beim GFS-EPS schon
wieder ein Absinken der Temperaturen in 850 hPa auf Werte um -8 Grad als
wahrscheinlich angesehen. Im Norden folgt ebenfalls eine Milderung mit
nachfolgender erneuter Abkühlung, jedoch in einer deutlich abgeschwächten Form.
Die EPS-Meteogramme stützen die beschriebenen Verhältnisse, wobei bis Freitag
Deutschlandweit Dauerfrost herrschen würde.

Analog der synoptischen Analyse zeigt das EZ-EPS im Zeitraum von 72 bis 96
Stunden nur zwei Cluster, die insgesamt nur geringe Unterschiede den
Potentialstrukturen aufweisen. Von der Lage sind sie sogar als nahezu gleich
anzusehen, lediglich bei der Amplitude sind geringe Unterschiede zu erkennen.
Ist der Langwellentrog, der sich von Nordwestrussland bis in den westlichen
Mittelmeerraum erstreckt, bei Cluster 1 im Südwestteil etwas stärker ausgeprägt.
Sowohl der operationelle als auch der Kontrolllauf sind dem Cluster 1
zugeordnet. Im Zeitraum von 120 bis 168 Stunden äußern sich die zunehmenden
Unsicherheiten auch in der größeren Anzahl an Cluster. Insgesamt beschreiben 4
Cluster die Unsicherheiten im Geopotentialfeld, wobei Cluster 2 und 4 definitiv
kalt bleiben und Cluster 1 und 3 mehr oder weniger ausgeprägt eine Milderung
zeigen.
FAZIT: Bis einschließlich Mittwoch sichere Vorhersage, danach zunehmende
Unsicherheiten mit einer weiter kalten Witterungsperiode als wahrscheinliche
Variante.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Es steht außer Frage, dass ab Sonntag für etwa eine Woche kalte und zunächst
auch trockene Arktikluft mit Dauerfrost und teils strengen bis sehr strengen
Nachtfrösten wetterbestimmend sein wird. Entsprechend gibt es auch beim EFI
starke Signale für negative Abweichungen bei den Temperaturen.

Niederschläge sind bis Donnerstag lediglich im Ostseeumfeld zu erwarten. Durch
die Ausbildung von Schauerstraßen können dort signifikante Schneemengen
zusammenkommen. Innerhalb von 24 Stunden sind nach dem C-LEPS bis Freitagmorgen
jeweils bis 10 cm Neuschnee zu erwarten. Diese werden durch Wahrscheinlichkeiten
von teils über 60% für Mengen größer 5 l/qm am Dienstag, bis 50% am Mittwoch und
bis 70% am Donnerstag gestützt. Etwas Schnee jedoch mit keinen nennenswerten
Neuschneemengen ist im genannten Zeitraum auch am Alpenrand möglich.

Zudem muss im Küstenumfeld sowie in Kammlagen der Mittelgebirge von Dienstag bis
Donnerstag mit starken bis stürmischen Böen (Bft 6-8), exponiert anfangs auch
Sturmböen (Bft 9) gerechnet werden. Für Windböen sprechen nach C-LEPS
Wahrscheinlichkeiten bis 75%, für stürmische Böen sind es noch bis 30%. Am
Montag sind auch im Binnenland und dort bevorzugt im Westen und Südwesten
starke, teils stürmische Böen wahrscheinlich.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit MOS-ECMF und ECMF-EPS, wobei die MOS-Höchstwerte z.T. etwas nach
unten korrigiert werden.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel