DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-02-2018 09:01
SXEU31 DWAV 230800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 23.02.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: am ehesten wohl HNFz (Hoch Nordmeer-Fennoskandien zyklonal)

Zeit- und gebietsweise stark windig, im Laufe des Wochenendes von Osten her
Frostverschärfung. An der Ostsee aufkommende, teils kräftige Schneeschauer
(Lake-Effekt).


Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... befinden wir uns mitten in einer hochgradig meridional angelegten
Potenzialverteilung. Zu erkennen sind zwei langwellige Monumentaltröge, von
denen sich der eine einmal quer über Kontinentaleuropa von Sibirien bis zum
westlichen Mittelmeer erstreckt, wo er ein eigenständiges Drehzentrum aufweist.
Trog Nummer zwei befindet sich über dem mittleren Nordatlantik, wo er gerade
dabei ist, mit Hilfe eines Orkantiefs südwestlich von Island sich von Grönland
aus fett und bräsig nach Süden auszubreiten. Da erscheint der zwischen den
Trögen "eingeklemmte" Rücken, der vom nahen Ostatlantik via UK/Irland bis hoch
zum Nordpolarmeer reicht, fast ein bisschen mickrig, was aber seiner Wirkung
überhaupt nicht gerecht wird. Zum einen stellt er im wahrsten Sinne des Wortes
eine tragende Säule des gesamten, nahezu stationären Potenzialmusters dar, zum
anderen stützt und verstärkt er eine umfangreiche Hochdruckzone bestehend aus
den Herren HARTMUT und FRITZ, die sich von der Barentssee über ganz
Skandinavien, aber auch über Teile Westrusslands erstreckt. Anhaltender
Druckanstieg sorgt dafür, dass das Hoch bis zum Tagesende über Nordskandinavien
ein Druckniveau von etwas über 1040 hPa erreichen wird. Da sich quasi auf der
Gegenseite des Hochs tiefer Luftdruck über dem zentralen Mittelmeer befindet
(der Hauptkern dürfte heute Mittag mit etwas unter 1000 hPa unweit von Sizilien
analysiert werden), hat sich bei uns ein leidlicher, aber durchaus
wirkungsvoller Gradient aufgebaut, der einen im Norden ehr schwachen, sonst aber
mäßigen bis frischen und z.T. stark böigen Ost-Nordostwind zur Folge hat. Dieser
wird mit Unterstützung des Tagesgangs sowie leichter Supergeostrophie wieder
soweit auffrischen, dass er in der Mitte und im Süden insbesondere im Bergland
und in freien, für Nordostwind anfälligen Lagen sowie in einigen südwest-nordost
ausgerichteten Tälern in Böen Stärke 7 Bft, in exponierten Kamm- und Gipfellagen
sogar 8-9 Bft erreicht.
Ansonsten gibt es zum heutigen gar nicht mal so viel zu erzählen. Mit der
östlichen Bodenströmung wird weiterhin kontinentale Kaltluft zu uns advehiert,
wobei es in der unteren Troposphäre vorübergehend sogar etwas wärmer wird, bevor
es ab dem Wochenende dann so richtig zur Sache geht. Erkennbar ist die leichte
Erwärmung am Verlauf der 850-hPa-Temperatur, die - ausgehend von Werten etwa um
-10°C heute früh - bis zum Abend auf -9 bis -4°C steigt. Dass dieser Anstieg
weniger advektionsbedingt ist, sondern im Wesentlichen auf Absinken zurückgeht,
wird u.a. dadurch deutlich, dass die vergangene Nacht (00-UTC-Aufstiege) noch
bei 800 bis 850 hPa befindliche Inversion in den nächsten Stunden bis auf 900
hPa oder noch etwas tiefer heruntergedrückt wird. Trotzdem, im Osten und in der
Mitte wird die Temperatur trotz nahezu ungehinderter Einstrahlung gebietsweise
nicht die neuralgische Nulllinie in der Grad-Celsius-Skala überschreiten,
sprich, es stellt sich leichter Dauerfrost ein. Den wird es vielerorts auch
südlich der Donau geben, wo sich auch heute wieder zähe, teils hochnebelartige
Bewölkung hält, aus der vereinzelt etwas Schneegriesel fällt. Ansonsten steigt
die Temperatur bei sonnigen oder nur locker bewölkten Verhältnissen mit Ausnahme
des höheren Berglands auf 0 bis +4°C. Im äußersten Norden ziehen mitunter ein
paar dichtere Wolken durch, die an der Ostsee auch mal einen schwachen
Schneeschauer mit sich bringen können. Viel Schnee - wenn überhaupt - fällt
dabei aber nicht, das kommen demnächst wohl ganz andere Kaliber auf die
Ostseeanrainer zu.

In der Nacht zum Samstag tut sich an der synoptischen Gesamtkonstellation sehr
wenig bis gar nichts. Am ehesten wäre noch der Nordosten hervorzuheben, wo
erstens der Gradient zunimmt und entsprechend der NO-Wind auffrischt. An der
vorpommerschen Küste sind in der zweiten Nachthälfte die ersten 7er-Böen
vorstellbar. Zweitens wird niedertroposphärisch wieder kältere Luft
herangeführt, die 850-hPa-Tempeeratur sinkt in Vorpommern bis zum Morgen auf
rund -14°C. Damit nimmt die Labilität in der unteren Schicht bis etwa 850/800
hPa zu, was bei dem niedrigen Temperaturniveau mit Hilfe diabatischer
Komponenten (relativ warmes Ostseewasser) die Schneeschauerwahrscheinlichkeit
von der Ostsee her erhöht.
In den übrigen Gebieten nimmt der Wind bei meist klarem Himmel insbesondere in
tieferen Lagen wieder ab. Ganz im Süden hält sich weiterhin dichte Bewölkung mit
vereinzelt etwas Schneegriesel, insgesamt wird der Bewölkungsstreifen von Norden
her aber etwas schmaler. Im äußersten Norden sowie in Teilen Süd- und
Südwestdeutschlands geht die Temperatur in den leichten, sonst meist in den
mäßigen, vor allem im östlichen Mittelgebirgsraum auch bis in den strengen
Frostbereich zurück.

Samstag... kräftigt sich das Hoch über Nordeuropa noch etwas auf über 1045 hPa.
Auf der Südflanke verschärft sich der Gradient etwas, so dass der
ost-Nordostwind gegenüber heute z.T. noch etwas zulegt. Dabei dehnt sich die
Fläche der von warnwürdigen Böen (7-8 Bft, im Hochschwarzwald mit Bise bis zu 10
Bft) betroffenen Gebiete noch etwas nach Nordwesten aus, und auch an der Küste
(Ostsee mehr als Nordsee) wird die eine oder andere steife Böe 7 Bft am Windrad
drehen. Aber nicht nur die Böen sind am morgigen Samstag von Bedeutung, auch die
Luftmasse, die uns der Wind ins Land bringt, wird sukzessive immer kälter.
Arktische Kontinentalluft heißt das Stichwort, die wir den ganzen Winter nicht
gesehen haben, aber jetzt zum Ende hin mit voller Breitseite aufschlägt. Bis zum
Abend sinkt die 850-hPa-Temperatur auf -5/-6°C - das geht ja noch - an der
Grenze zu Frankreich und Belgien und rund -16°C an Oder und Neiße.
Wettermäßig steht in weiten Teilen des Landes einem sonnigen oder nur locker
bewölkten Tag nichts im Wege. Etwas in der Hinterhand sind er äußerste südliche
und nördliche Rand, auch wenn der Bewölkungsstreifen im Süden immer schmaler und
brüchiger wird. Im Norden sind neben einigen mittelhohen Wolkenfeldern auch
dichtere konvektive Bewölkung unterwegs, wobei von der Ostsee her weitere
Schneeschauer west-südwestwärts ziehen. Bis zum Abend soll sich die Intensität
laut Numerik aber noch in Grenzen halten, trotzdem reicht es lokal für eine
dünne Schneedecke und/oder etwas Glätte auf den Straßen.
Die Temperatur erreicht vorerst zum letzten Mal über ein größeres Areal noch mal
positive Höchstwerte zwischen 0 und +4°C, im Oberrheingraben punktuell
vielleicht sogar 5 oder 6°C. Im Osten, in der Mitte und auch gebietsweise im
Süden herrscht ebenso Dauerfrost wie im Bergland.

In der Nacht zum Sonntag fächert der Gradient im Norden und Osten auf, so dass
der weiterhin aus Nordosten kommende Wind an der Küste aus dem Warnniveau
herausfällt. Auch sonst nimmt der Wind tagesgangbedingt ab, bleibt aber in
höheren und freien Lagen Südwestdeutschland aber noch warnwürdig. Frostmäßig
geht es gegenüber den Vornächten weiter in den Keller, will heißen leichter
Frost über -5°C wird wohl nur noch in einigen küstennahen Regionen (bei
auflandigem Wind und viel Bewölkung) sowie örtlich an Hoch- und Oberrhein
auftreten. Ansonsten stehen die Zeichen verbreitet auf mäßigen, im Osten und in
der Mitte, z.T. auch im Süden auf strengen Frost. Lokal kann es bei längerem
Aufklaren und vorhandener Schneedecke auch sehr strengen Frost unter -15°C
geben.
Interessant wird es schneefalltechnisch an der Ostsee, wo Einiges dafür spricht,
dass sich eine quasistationäre Schauerstraße ausbildet, die von der Kieler Bucht
nach Schleswig-Holstein gerichtet ist. Zwar halten sich die apostrophierten
Niederschlagsmengen noch in Grenzen, gleichwohl kann nicht ganz ausgeschlossen
werden, dass ganz lokal innerhalb weniger Stunden mal mehr als 5 cm Neuschnee
fallen werden, was eine markante Warnung bedingen würde. Um hier eine
abschließende Beurteilung abgeben zu können, muss das Ereignis noch etwas
dichter heranrücken; ggf. muss sogar im Kürzestfristbereich agiert werden. Fakt
ist, dass auch die Küste MVs den einen oder anderen Schneeschauer abbekommt.


Sonntag... breitet sich die kontinentale Arktikluft weiter aus, die
850-hPa-Temperatur geht verbreitet in den zweistelligen Bereich zwischen -13°C
im Westen und bis zu -18°C im äußersten Osten zurück. Nebenbei taucht dann im
Westen und in der Mitte fast die -40°C-Isotherme auf, was in erster Näherung
nach dramatischer Labilität sinkt, durch die tiefen Temperaturen in der unteren
Troposphäre aber stark relativiert wird. Betrachtet man die Prognosetemps im
Nordosten, wo konvektive Umlagerungen zu erwarten sind, erkennt man, dass die
labilste Schicht von unten bis maximal 750 hPa hinauf reicht. Das klingt nicht
gerade nach üppiger vertikaler Mächtigkeit, aber die braucht es bei diesem
Temperaturniveau auch gar nicht. Worauf der Verfasser hinaus will, ist die
Tatsache, dass sich über der Ostsee weitere Schneeschauer entwickeln
(Lake-Effekt), die mit dem etwas rückdrehenden und wieder zunehmenden
Nordostwind (Böen 7 Bft an der Küste) landeinwärts ziehen. Nach ICON und IFS
wäre demnach die Mecklenburger Bucht die Hauptquelle der Schauer, die von dort
ins südliche SH sowie den äußersten Nordwestzipfel Mecklenburgs ziehen (GFS
sieht die Hauptaktivität eher in Vorpommern). Auf alle Fälle muss lokal begrenzt
(schmaler Korridor) mit durchaus mäßigem Schneefall gerechnet werden, bei dem
durchaus 5 bis 10 cm Neuschnee innert 12 h zusammenkommen können. Hinzu kommt
die zunehmende Gefahr von Schneeverwehungen.
Im großen Rest des Landes scheint einmal mehr die Sonne, deren möglicher
wärmender Effekt durch den böigen Ost-Nordostwind sowie die andauernde
Kaltluftadvektion überkompensiert wird. Gleichwohl sollte man auf einen
Sonntagsspaziergang - anständige Kleidung vorausgesetzt - nicht verzichten, das
Immunsystem wird es danken, wenn es mal mit vernünftiger Dosis gereizt wird.
Apropos Wind, der wird im Südwesten, im äußersten Süden und in höheren Lagen am
flottesten unterwegs sein, wobei sich stürmischen Böen 8 Bft nicht
ausschließlich auf Hochlagen und anfällige freie Hochflächen beschränken,
sondern z.B. auch am Hochrhein sowie am Bodensee auftreten können. Auf den
Schwarzwaldgipfel reicht es sogar für schwere Sturmböen. Ab dem Nachmittag
beginnt der Wind aber allmählich abzunehmen.
Bliebe noch zu erwähnen, dass sich am Alpenrand vielfach stärkere Bewölkung
hält, aus der es hier und da geringfügig flöckeln kann. Ach ja, und nicht zu
vergessen die Temperatur, die in den meisten Landesteilen nicht mehr aus dem
Minusbereich herauskommt. Im Süden und Osten wird es gebietsweise nicht mal mehr
wärmer als -5°C (also mäßiger Dauerfrost). Die Chancen auf ein oder zwei Grad
plus (aber nur für ganz kurze Zeit) sind am ehesten noch im Rheintal und seinen
Nebentälern gegeben (gilt allerdings nicht für den Hochrhein).

Die Nacht zum Montag bringt an der Ostsee weitere, strichweise (im wörtlichen
Sinne) kräftige Schneeschauer mit Verwehungen (NO-Wind in Böen bis 7 Bft).
Vereinzelte schwache Schneeschauer können sich auch bis in die Mitte verirren.
Ansonsten vielerorts klare Verhältnisse und weitere Frostverschärfung bis in den
strengen Bereich oder zumindest an die Grenze dahin. Mäßiger Frost bleibt weiten
Teilen Nord- und Westdeutschlands sowie einigen Flusstälern im Südwesten
vorbehalten.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die beschriebene Entwicklung hin zu hochwinterlichen Verhältnissen (vor allem in
Bezug auf die Temperatur) ist unstrittig. Am interessantesten wird es sicherlich
an und auf der Ostsee sowie im nahen Binnenland werden, wenn dort die
Schneeschaueraktivität so richtig in Gang kommt. Beachtlich ist, dass bereits
jetzt ICON, IFS und - soweit vorhanden - auch EURO4 eine hohe Übereinstimmung
bei der räumlichen Ausrichtung möglicher Schauerstraßen aufweisen. Zwar werden
die Niederschlagsmengen sehr zurückhaltend simuliert, was auch auf die
statistischen Anschlussverfahren zutrifft, trotzdem ist Vorsicht geboten, gilt
doch die alte Weisheit "Modell ist Modell, Natur ist Natur". Man kann jetzt
schon mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass irgendwo mal die
markante Schneefallwarnung ausgepackt werden muss. Akkumuliert über einen
längeren Zeitraum ist sogar eine Unwetterwarnung nicht völlig von der Hand zu
weisen - wenn nicht durch Überschreiten erforderlicher Schneemengen, dann
wenigstens durch die bevorstehenden Verwehungen. Es wird spannend!

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann