DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-05-2016 21:00
SXEU31 DWAV 221800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 22.05.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht anfangs noch einzelne nordostwärts ziehende Gewitter. Am Montag im
Osten teils kräftige Gewitter, dabei Unwetter möglich. Sonst teils kräftiger
nicht-gewittriger Regen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland zwischen einem vom zentralen Mittelmeer
bis nach Lappland reichenden Höhenrücken und einem Trog über Westeuropa unter
einer südlichen bis südwestlichen Höhenströmung. Im Laufe der Nacht beginnt der
Trog über Südfrankreich abzutropfen, wodurch die Strömung noch etwas aufsteilt.
Prägend für die Verhältnisse in der unteren Troposphäre ist eine langgestreckte,
zur Wellenbildung neigende Kaltfront eines Tiefs zwischen Island und Norwegen.
Mangels Schubkomponente kommt die Front nur schwerlich ostwärts voran, wobei sie
mehr und mehr an den westlichen Rand einer meridional exponierten, mitten über
Deutschland verlaufenden Tiefdruckrinne rückt und dabei ganz allmählich auch die
westlichen Landesteile erfasst.
Auf der Vorderseite der Kaltfront gelangt von Süden her potenziell instabil
geschichtete Subtropikluft in weite Teile des Landes, die uns heute vereinzelt
den ersten heißen Tag des Jahres 2016 und später dann auch die ersten Gewitter
beschert hat. Wie für solch sommerliche Konstellationen üblich hat sich in der
Warmluft eine Konvergenz gebildet, die quasi die Funktion einer Kaltfront vor
der Kaltfront einnimmt, weil rückseitig - teils diabatisch getriggert - bereits
ein Temperaturrückgang einsetzet.
Wie auch immer, das gesamte Muster bestehend aus Rinne, Konvergenz und Kaltfront
kommt im Laufe der Nacht etwas nach Osten voran, so dass die Front über dem
äußersten Westen, die Konvergenz irgendwo in der Osthälfte zu liegen kommt.
Dabei kommt es in der Warmluft anfangs noch zu einzelnen, nord-nordostwärts
ziehenden Gewittern, die später aber - nicht zuletzt auch aufgrund fehlender
dynamischer Unterstützung - dem Tagesgang zum Opfer fallen. Im Westen dagegen,
wo die Schichtung stabiler ist, nehmen die Regenfälle zunehmend stratiformen
Charakter an, was nicht ausschließt, dass anfangs auch noch mal ein Gewitter
eingelagert sein kann.

Montag ... zieht das Cut-Off-Tief über die Poebene in Richtung nördliche Adria
ab. Das nördliche Trogresiduum wird durch den östlich von uns positionierten
stabilen Höhenrücken geblockt, so dass es später über Frankreich zu einer
weiteren Abtropfung kommt. Zuvor dreht die Höhenströmung noch etwas zurück auf
südöstliche Richtungen, wobei sich im Osten und Südosten leicht diffluente
Verhältnisse einstellen bei allerdings schwach antizyklonal konturierter
Krümmung.
Im Bodendruckfeld verlagert sich die Rinne noch etwas weiter nach Osten,
Gleiches gilt für die weiterhin zur Wellenbildung neigende Kaltfront - zumindest
in ihrem Südteil. Nach Norden hin wird sie genau wie der Höhentrog auch durch
den Rücken respektive das korrespondierende Bodenhoch geblockt. Entsprechend
dieser Konstellation stößt die maritime Kaltluft besonders im Süden nach Osten
vor, so dass am Ende große Teile der West- und der Südhälfte nicht auf 20°C
kommen werden. Regionsweise reicht es bei teils länger andauerndem Regen nicht
mal für 15°C, im west-südwestdeutschen Bergland stellenweise sogar nur für
einstellige Höchstwerte.
Apropros Regen, hier kommt es insbesondere im Süden und Westen respektive
Nordwesten bei günstigen Scherungsbedingungen (W-NW unten vs. S-SO weiter oben)
zu teils länger andauernden stratiformen Regenfällen, die in der Spitze 10 bis
15 mm, an der Nordsee auch etwas mehr Regen innert 12 Stunden bringen. Selektiv
betrachtet strahlen diese Mengen noch keine Unruhe unter den Warnmeteorlogen
aus, allerdings deutet die ICON-Kette von 12 UTC (etwas abgeschwächt auch ECMF
von 00 UTC) in der Nacht zum Dienstag für den Raum Hohenloher Ebene/Tauberkreis
bis hinüber nach Unter- und Mittelfranken eine deutliche Intensivierung der
Niederschläge auf Maxima von rund 50mm/12h an, was dann tatsächlich eine Stark-
oder Dauerregenwarnung erforderlich machen würde. Da die numerischen Prognosen
derzeit aber noch zu heterogen ausfallen (COSMO-EU z.B. sieht das Maximum weiter
südwestlich über BW), um ein belastbares Warnkonzept auszusprechen, bleibt zu
hoffen, dass sich die Prognosen in den nächsten Läufen annähern.
Neben möglichen Dauer- oder Starkregenwarnungen stehen am Montag auch mögliche,
ja sogar wahrscheinliche Gewitterwarnungen auf der Karte. Im Osten, etwa von
Südostbayern über die östlichen Bundesländer bis hoch zur Ostsee bleibt uns noch
die warme und potenziell instabile Subtropikluft erhalten, in der die
ML-CAPE-Werte im Laufe des Tages gebietsweise 750 bis 1000 J/kg erreichen. Zwar
sind die strömungsmechanischen Voraussetzungen in der Höhe aus dem oben
genannten Grund nicht besonders günstig für auslösende Impulse, dafür ist die
Auslösetemperatur mit 23 bis 27°C realistisch erreichbar. Hinzu kommen freilich
die Orografie und last but not least konfluente Windfelder innerhalb der
Bodenrinne, die ebenfalls als Trigger für konvektive Umlagerungen taugen.
Kurzum, in den genannten Gebieten besteht im Tagesverlauf und in der Nacht zum
Dienstag eine hohe Wahrscheinlichkeit für kräftige Gewitter, die angesichts der
genannten CAPE-Werte sowie PPW-Werten zwischen 25 und 35 mm durchaus
Unwettercharakter (vor allem durch Hagel und/oder Starkregen, während sich
Orkanböen 11 bis 12 Bft nicht aufdrängen) annehmen können. WRF von 00 UTC
jedenfalls simuliert eine superzellenähnliche Struktur mit mehreren Kernen, die
ihren Anfang in SO-Bayern bzw. Franken nimmt, um von dort über Thüringen und
Sachsen Richtung Mecklenburg zu ziehen. EURO4 und COSMO-EU wiederum rechnet für
die Nacht zum Dienstag exorbitant hohe Regenmengen von gebietsweise 40 bis
60mm/12h, punktuell sogar um oder etwas über 100mm/12h!! im Bereich
Oberfranken/Thüringen/Westsachsen/Sachsen-Anhalt, was von COSMO-LEPS bedingt,
von ECMF-EPS eher weniger gestützt wird. Auch hier gilt es, die nächsten Läufe
sehr genau im Blick zu behalten.

Dienstag ... stellt sich beim Geopotenzial über Deutschland eine indifferente
Situation ein. Dabei gelangen wir zwischen hohes Potenzial mit zwei Maxima
nördlich respektive nordwestlich von uns und einer Potenzialrinne mit mehreren
Drehzentren, die vom Balkan über Frankreich bis hinüber zum Seegebiet westlich
der Biscaya reicht. Unter dem Strich kommt dabei eine schwache östliche
Höhenströmung zustande, mit der aus dynamischen Gesichtspunkten heraus keine
großen Sprünge zu machen sind.
So richtet sich der geschulte Blick auf die bodennahen Luftschichten, wo sich im
Osten und Nordosten die Reste der allmählich an Kontur verlierenden
Tiefdruckrinne nebst potenziell instabiler Warmluft halten, während die übrigen
Gebiete an den Rand eines vom Nordmeer bis nach Frankreich reichenden Hochkeils
gelangen. Dabei wird mit westlicher bis nordwestlicher Strömung weiterhin kühle
Meeresluft advehiert, in der nicht mehr als 12 bis 18°C, im Bergland z.T. um
oder unter 10°C zu erwarten sind, während nach O und NO hin 20 bis 25°C,
gebietsweise bis zu 28°C auf der Karte stehen.
Wettertechnisch können sich in der Warmluft, die ihren Charakter gegenüber dem
Vortag nicht wesentlich ändert, erneut Gewitter entwickeln, wobei punktuell
erneut Unwetter möglich sind.
Nach Süden und Westen zu kommt es bedingt durch die hebungsgünstigen vertikalen
Scherungsbedingungen zunächst noch zu weiteren Regenfällen, die besonders nach
COSMO-EU stellenweise recht üppig ausfallen sollen (30mm/6h bzw. knapp 60mm/12h
im Westerwald), aufgrund des allgemein aufweichenden Strömungsgradienten
tendenziell aber abnehmen.
In der Nacht zum Mittwoch klart es dann gebietsweise sogar auf, was in der
feuchten Grundschicht unweigerlich einige Nebelfelder zur Folge hat.


Mittwoch ... gelangt Deutschland unter einen schwachen, sich vom Nordmeer
südwärts erstreckenden Höhenrücken, der Fühlung zu einem breiten Rücken über dem
westlichen Mittelmeer aufnimmt. Im Bodendruckfeld stellt sich eine
schwachgradientige Lage ein, wobei mit etwas Fantasie nach NO hin aber immer
noch Reste der alten Tiefdruckrinne erkennbar sind, während im SW ein schwacher
Keil erscheint. Gebietsweise kommt es noch zu schauerartigen Regenfällen, im
Osten und Nordosten auch Gewittern, starke oder gar schwere Entwicklungen
zeichnen sich derzeit aber nicht ab.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Entwicklung wird von den verschiedenen Modellen ähnlich gesehen.
Fragezeichen stehen nach wie vor hinter der genauen Niederschlags- und
Gewitterentwicklung, was im Text bereits angeklungen ist. Hinsichtlich etwaiger
Dauerregenwarnungen bis Dienstag sollten in der morgigen Frühkonferenz die
Eckpfeiler gesetzt werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann