Thema des Tages

06-02-2018 09:20

Kohlekraftwerke - kleine "Wettermaschinen" (Teil 2)

Ist die Atmosphäre labil geschichtet, nimmt also die Lufttemperatur
mit der Höhe stark ab, wird die Bildung von Schauern und Gewittern
begünstigt. Oftmals reicht die Labilität jedoch nicht aus, um von
sich aus Schauer auszulösen. Die Atmosphäre braucht sozusagen einen
"Zünder". Die feuchte und warme Luft, die aus den Kühltürmen von
Kohlekraftwerken strömt, kann solch ein Zünder für Schauerbildungen
sein. Bereits bestehende Niederschläge können sich dadurch erheblich
verstärken, in einzelnen Fällen bilden sich stromabwärts der
Kraftwerke sogar wiederholt neue Schauer.



Zuletzt konnte dieser Effekt am Nachmittag des vergangenen Freitag,
2. Februar 2018, beobachtet werden. Deutschland befand sich zu diesem
Zeitpunkt unter dem Einfluss einer nördlichen bis nordwestlichen
Strömung, mit der Meeresluft polaren Ursprungs eingeflossen ist.
Insbesondere in der Höhe machte sich die Luft mit kalten Temperaturen
bemerkbar. In ca. 5,3 km Höhe lagen die Temperaturen bei etwa -35
Grad, während am Boden noch Temperaturen von +2 bis +7 Grad gemessen
wurden. Somit waren die Bedingungen für Schauer (labile Schichtung)
gegeben.



Die Radarbilder zeigen in der Tat über Nordrhein-Westfalen Regen- und
Schneeschauer. Um 15:15 UTC (16:15 MEZ), Abbildung (a), sind vor
allem zwei kräftigere Schauer zu sehen, westlich von Köln sowie
östlich von Leverkusen. Auffällig ist, dass der westliche Schauer
genau am Ort des Kohlekraftwerks Niederaußem (rotes Kreuz) nördlich
von Bergheim beginnt. 15 Minuten später (15:30 UTC) "startet" der
Schauer noch an genau der gleichen Stelle (b), während sich der
Schauer östlich von Leverkusen mit dem Wind etwas weiter nach
Südosten verlagert hat. Weitere 30 Minuten später (16:00 UTC) hat
sich der östliche Schauer weiter Richtung Osten verlagert (c),
während sich der Schauer zwischen Bergheim und Köln zwar
abgeschwächt, aber nicht von Ort und Stelle bewegt hat. Selbst
weitere 30 Minuten später (16:30 UTC) bildet sich bei Bergheim nach
wie vor Niederschlag (d), der sich nach Südosten ausbreitet, sodass
es südöstlich des Kraftwerks Niederaußem über eine Stunde pausenlos
geregnet hat. Nach 16:30 UTC ließ die Schauertätigkeit allmählich
nach.



Ein weiterer Fall konnte am 8. Dezember letzten Jahres beobachtet
werden. Die Wetterlage war ähnlich. Auch an diesem Tag floss
Meeresluft polaren Ursprungs nach Deutschland. In den unteren
Abbildungen (e und f) erkennt man großflächige Schnee- (gelb),
Schneeregen- (grün) und Regenfälle (blau). Bei genauem Hinsehen sieht
man, dass sich direkt südöstlich des Kraftwerks Niederaußem eine
linienhafte Niederschlagsstruktur gebildet hat (rotes Oval). Wie an
einer Perlenschnur aneinander gereiht ziehen diese Schauer mit dem
Wind nach Südosten. Während die umliegenden Schauer langsam abzogen,
lieferten die Kraftwerke fortwährend Feuchtigkeit nach. Wie im ersten
Fall hielten die kräftigen Schauer westlich von Köln über mehr als
eine Stunde an, während es westlich und östlich dieser schmalen
Schauerstraße trocken blieb. Die orangefarbenen Pixel deuten darauf
hin, dass sich sogar Graupel bilden konnte. Tatsächlich wurde im etwa
45 km von Niederaußem entfernten Bonn ein für längere Zeit
andauernder Graupelschauer beobachtet. Dieses Phänomen ist im Winter
immer wieder zu beobachten. Der Autor dieses Textes befand sich
selbst vor einigen Jahren in Bonn mitten in einem dieser
"Dauergraupelschauer". Wie an einer Perlenschnur, die am Kraftwerk
begann, zog für eineinhalb Stunden Graupel ins Stadtgebiet von Bonn.
Der sorgte dafür, dass die Temperatur auf -1 Grad sank, während am
nur etwa 15 km entfernten Flughafen Köln/Bonn bei leicht bewölktem
Himmel +4 Grad gemessen wurden.



Der aus den Kühltürmen ausströmende Wasserdampf kann also
interessante und mitunter spektakuläre Wettereffekte auslösen, hat
jedoch im Gegensatz zum CO2 auf das zukünftige Klima keinerlei
Einfluss.


Dipl.-Met. Dr. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.02.2018

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