DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-01-2018 09:00
SXEU31 DWAV 020800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 02.01.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
W z, Übergang zu W s
Am Mittwoch im Südwesten und Süden Sturm mit Böen bis hin zu Orkanstärke.
Außerdem in den Staulagen Südwestdeutschlands einsetzende Dauerregenlage, im
Schwarzwald und im Allgäu mit teils unwetterartigen Regenmengen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegt Deutschland zunächst noch im Bereich eines nach Osten
abziehenden Troges. In der eingeflossenen labil geschichteten Luftmasse sind
wiederholt Schauer zu erwarten, die oberhalb von 600 bis 800 m als Schnee oder
zumindest in Mischphase fallen. Oberhalb davon können einige, in Staulagen bis
etwa 10 cm innerhalb von 12 Stunden zusammenkommen. Von Westen rasch ostwärts
übergreifende Warmluftadvektion sorgt über Westeuropa für Geopotentialgewinn,
der sich zusehends auch nach Osten ausweitet. Hierdurch wird die
Schauertätigkeit zum Abklingen gebracht. Zudem fächert der Gradient auf. Während
anfangs im Süden und Südosten noch Wind- und im Bergland stürmische Böen zu
erwarten sind, sind ab dem Nachmittag warnrelevante Böen wahrscheinlich auf
höhere Berggipfel und einige Küstenabschnitte (vor allem der Nordsee)
beschränkt.
Wolkenlücken sind in Küstennähe und im Lee der Mittelgebirge am
wahrscheinlichsten. Für größere Auflockerungen sollte es jedoch kaum reichen.
Mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 4 und 9 Grad in tieferen Lagen und um 1
Grad im höheren Bergland wird es nicht mehr so mild wie zum Jahreswechsel.
In der Nacht zum Mittwoch nähert sich vom mittleren Nordatlantik kommend ein
weiterer, relativ breiter Trog. Das mit diesem Trog korrespondierende Tief, das
zum Trog entwicklungsgünstig liegt, überquert Schottland und intensiviert sich
daher zu einem Sturmtief. Dessen Warmfront greift bereits vor Mitternacht auf
den Westen Deutschlands über. Mit dieser Warmfront kommen erneut Niederschläge
auf. Diese sind allerdings nicht warnrelevant. Die Schneefallgrenze steigt rasch
an, so dass Niederschläge in fester Phase vorerst kein Thema sind. Zudem
verschärft sich der Gradient, so im Nordwesten und Westen sowie an der Küste
dass Wind- und stürmische Böen, in freien Lagen Sturmböen aufkommen. Im Bergland
sind dann durchweg Sturmböen, auf exponierten Gipfeln schwere Sturm- und
orkanartige Böen zu erwarten. Abgesehen von den Kamm- und Gipfellagen der
Mittelgebirge bleibt es dabei frostfrei.

Mittwoch... verlagert sich das o.g. Sturmtief, das längst keine nennenswerte
Achsenneigung mehr aufweist, über die mittlere Nordsee und das
dänisch-schleswig-holsteinische Grenzgebiet hinweg ostwärts, wobei erst im
Tagesverlauf dieses Tief beginnt, sich aufzufüllen. Dessen Frontensystem beginnt
zu okkludieren, die Kaltfront erreicht den Nordwesten bereits in den Frühstunden
und greift im Norden rasch bis zur Oder über, hängt aber im Süden leicht
schleifend etwas zurück. Dabei ist an der Kaltfront die Bildung einer Böenlinie
mit Böen bis Orkanstärke nicht auszuschließen. Durch das "Zurückhängen" der
Kaltfront ist im Süden eine weitere Gradientverschärfung wahrscheinlich, wobei
dann auch noch der durch die Orografie bedingte Leitplankeneffekt zum Tragen
kommt. Die Folge wären dann bis in tiefe Lagen Böen von Orkanstärke.
Auf der Rückseite der Kaltfront fächert der Gradient auf, so dass dort der Wind
vorübergehend abflaut und dann wahrscheinlich nur in höheren Berglagen
warnrelevant ist. Danach, d.h. etwa ab Mittag, setzt sich jedoch das Sturmfeld
des eigentlichen Tiefs durch. Hierdurch sind stürmische und in freien Lagen
Sturmböen zu erwarten; auf höheren Berggipfeln gibt es Böen bis Orkanstärke.
Während sich im Nordosten und vor allem in Richtung Vorpommern die Windabnahme
stärker bemerkbar macht, erfolgt an der Nordsee an der Südflanke des Sturmtiefs
eine weitere Windzunahme bis hin zu orkanartigen Böen. Zum Abend hin, wenn das
Tief sich aufzufüllen beginnt, greifen auch Sturm- und schwere Sturmböen auf die
Ostseeküste über.
Im Kaltfrontbereich ist dem Niederschlag ebenfalls Aufmerksamkeit zu schenken.
Vor allem im Bereich der Mittelgebirge dürften die Warnschwellen für Starkregen
wahrscheinlich überschritten werden.
Neben der Windentwicklung, die durch das Sturmtief bedingt ist, sollte die
Kaltfront nicht aus den Augen verloren werden. Mit deren Passage, die ab den
Frühstunden bereits im Nordwesten einsetzt und die ab dem Vormittag die
mittleren Gebiete sowie den Südwesten und Süden überquert, sind konvektive
Umlagerungen bis hin zu kurzen Gewittern wahrscheinlich. Dann würde zusätzlich
der heftige Oberwind, der im 850 hPa-Niveau 50 bis 80 kt(!) erreicht, zum Tragen
kommen, wobei die Gefahr besteht, dass derartige Winde turbulent in kaum
abgeschwächter Form bis in Bodennähe heruntergemischt werden können. Das wird
von den Modellen auch so angenommen, da reicht das Spektrum bis hin zu deutlich
extremen Orkanböen. Die Scherung wäre zwar für rotierende Strukturen hoch
reichender Konvektion hinreichend. Dem widerspricht aber der wenig scharfe
Ausprägungsgrad der Kaltfront (in Bezug auf den mit der Front einhergehenden
Temperaturrückgang) und der breite Trog, der kein ausgeprägtes
Vorticityadvektionsmaximum zu generieren vermag. Aber selbst, wenn durch die
Konvektion nicht noch eine weitere Verschärfung der Böenproblematik erfolgt, so
ist doch der Gradient für die oben beschriebene Sturmentwicklung hinreichend. Da
nach den aktuelleren Modellläufen die Kaltluftadvektion wohl etwas
hinausgezögert wird, spricht dies für ein gefährlicheres Szenario. Eine
Unwetter-Vorabinformation mit Fokus auf ein Orkanereignis wäre für die Gebiete
etwa ab mittleres und südliches NRW süd- und südostwärts angebracht.
Die Temperaturen steigen erneut etwas an. Als Höchstwerte sind 8 bis 13, im
Norden, Nordosten und im Bergland 2 bis 7 Grad zu erwarten.
In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich das Sturmtief, ohne sich nennenswert
aufzufüllen, über den Raum Bornholm hinweg ostwärts. Folglich verschärft sich
dann im Nordosten der Gradient, so dass dort sowie im gesamtem Norden Wind- und
stürmische Böen und an der See durchaus auch Sturmböen zu erwarten sind. Im
Bergland gibt es nach wie vor schwere Sturmböen, auf exponierten Gipfeln
orkanartige Böen. Im Westen und Süden dürfte sich bis Donnerstagfrüh die
Windsituation dann entspannen, so dass zwar bis in tiefere Lagen noch verbreitet
Windböen zu erwarten sind, aber Sturm- oder gar schwere Sturmböen auf das
Bergland bzw. exponierte Berggipfel beschränkt bleiben. Dabei sind noch weitere
und vor allem schauerartige Niederschläge zu erwarten. Mit den Niederschlägen
vom Mittwoch können die Warnschwellen in Bezug auf Dauerregen in den Staulagen
der süddeutschen Mittelgebirge und zum Teil auch an den Alpen überschritten
werden. Betrachtet man einen längeren Akkumulationszeitraum, zeichnen sich im
Schwarzwald und im Allgäu Niederschlagssummen ab, die deutlich oberhalb der
Unwetterschwelle liegen. Eine entsprechende Unwetterwarnung, die einen langen
Akkumulationszeitraum umfasst, wäre daher angebracht. Wie in der Nacht zuvor
bleibt es erneut weitgehend frostfrei.

Donnerstag... setzt sich über dem Vorhersagegebiet wieder eine westliche und
leicht antizyklonal gekrümmte Strömung durch. In der Frontalzone wird ein
weiteres Tief vom östlichen Nordatlantik über Nordengland hinweg ostwärts
gesteuert. Da kein Trog in der Nähe ist, weist dieses Tief kein
Entwicklungspotential auf. Die Warmfront dieses Tiefs greift leicht schleifend
auf den Südwesten und Westen Deutschlands über und lässt die Niederschläge
erneut aufleben. Im Schwarzwald und im Allgäu werden die Warnschwellen selbst
für unwetterartige Niederschlagssummen überschritten.
Der Wind ist zunächst nur in Ostseenähe und im höheren Bergland warnrelevant, wo
Wind- und stürmische Böen, auf exponierten Gipfeln auch Sturmböen auftreten. Mit
dem Übergreifen der Warmfront frischt jedoch auch im Südwesten der Wind wieder
auf, so dass dort Windböen und in den südwestdeutschen Mittelgebirgen Böen bis
Sturmstärke aufkommen. Mit Annäherung und dem Übergreifen der Warmfront steigt
die Schneefallgrenze auch wieder bis in Höhen, die für unsere Warnungen nicht
mehr relevant sind.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 5 bis 10, im späteren Tagesverlauf in
Oberrheinnähe bis 12 Grad.
In der Nacht zum Freitag entwickelt sich über dem mittleren Nordatlantik erneut
ein Trog, der sich in Richtung Azoren ausweitet. Hierdurch beginnt über
Mitteleuropa die Strömung rückzudrehen. Die Warmfront dürfte sich daher über die
Mittelgebirge hinweg nach Norden vorarbeiten. Der meiste Niederschlag fällt in
den südwestdeutschen Mittelgebirgen und an den Alpen, so dass dort die
Warnschwellen für Dauerregen bis hin zum Unwetter weiterhin überschritten
werden. Eine Dauerregenwarnung (im Schwarzwald und im Allgäu Unwetter), die sich
über einen längeren Zeitraum, d.h. mindestens 48 Stunden erstreckt, wäre daher
sinnvoll. Im Schwarzwald und im Allgäu können bis dahin innerhalb von 48
Stunden, wenn auch mit Unterbrechungen, mehr als 100 mm Niederschlag
zusammenkommen.
Der Wind ist dann nur noch in höheren Berglagen warnrelevant. Auf Berggipfeln
sind nach wie vor Sturmböen möglich.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten. Auch hinsichtlich der oben beschriebenen Sturmtiefentwicklung haben
sich die Modelle weitgehend angeglichen. Hinsichtlich der Böen an der Kaltfront
am Mittwoch ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse, die von einzelnen
orkanartigen Böen mit Frontpassage bis hin zu Böen weit im extremen Orkanbereich
reichen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann