DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-01-2018 21:00
SXEU31 DWAV 011800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 01.01.2018 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Allen Leserinnen und Lesern ein glückliches und gesundes neues Jahr. Und an alle
Winterfans: tapfer bleiben!!

In der Nacht Passage eines kleinen Randtiefs mit lebhaftem Wind im Süden und
etwas Schnee in höheren Lagen. Am Dienstag leichter Zwischenhocheinfluss, danach
Feuer frei für das nächste Tief mit teils kräftigen Regenfällen und Sturm.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... steht ein von der südwestlichen Nordsee bis nach Ostfrankreich
reichender KW-Trog unmittelbar davor, auf Deutschland überzugreifen. Er wird
sich nicht aufhalten lassen und bereits am frühen Dienstagmorgen den gesamten
Vorhersageraum überdecken. Korrespondierend dazu zieht ein kleines Randtief
(INGMAR) von Belgien kommend über NRW und das südliche Niedersachsen hinweg in
Richtung Bundeshauptstadt, wobei es sich allmählich auffüllt (von anfangs etwas
unter 995 hPa auf 1000 hPa). Gekoppelt an das Tief ist eine Okklusion, auf deren
Vorderseite - anfangs unterstützt durch später nachlassende WLA - sich ein
Niederschlagsgebiet über weite Teile des Landes ostwärts ausbreitet. Außen vor
bleibt wohl nur der äußerste N und NW, wo es weitgehend trocken bleibt.
Ansonsten wird der zunächst überwiegend skalige Niederschlagscharakter durch das
Übergreifen besagten Troges zunehmend konvektiv durchsetzt bzw. geht ganz in
Schauer über, wobei nach Westen hin auch ein kurzes Gewitter nicht
ausgeschlossen ist.
Vorderseitig des Tiefs wird vor allem im Süden kurzzeitig etwas mildere Luft
angezapft, in der die 850-hPa-Temperatur auf etwas über 0°C steigt, bevor in der
zweiten Nachthälfte der gesamte Vorhersageraum mit einem Schwall maritimer
Polarluft (T850 -3/-4°C) geflutet wird. Dabei pendelt sich die Schneefallgrenze
bei 400 bis 800 m ein. Etwas höher, also etwa oberhalb von 600 (Norden) bis 1000
m (Süden), können bis in die Frühstunden einige, in exponierten Staulagen auch
mal bis zu 10 Zentimeter Neuschnee zusammenkommen.
Ansonsten verschärft sich der Gradient auf der Südflanke des Tiefs, was
besonders in Süddeutschland, bedingt aber auch in Teilen der Mitte einen
merklich auffrischenden, von südlichen Richtungen auf SW bis W drehenden Wind
zur Folge hat. Dabei kommt es im Flachland zu Böen 7-8 Bft, im Bergland bis 9
Bft, in exponierten Kamm- und Gipfellagen 10 Bft und auf dem Feldberg im
Schwarzwald sogar bis 12 Bft (Orkan).

Dienstag ... ziehen das Randtief und mit etwas Verzögerung auch der Höhentrog zu
unseren östlichen Nachbarn ab. Es folgt ein flacher Höhenrücken nach, der durch
von Westen übergreifende WLA etwas gekräftigt wird und dabei für eine gewisse
Wetterberuhigung sorgt. Der Bodendruckgradient fächert allmählich auf und nimmt
dabei eine leicht antizyklonal gekrümmte Konfiguration an, was dem Ganzen auf
der Wetterkarte das klassische Aussehen eines Zwischenhochs verleiht.
Es dauert allerdings eine gewisse Zeit, bis das Wetter so mitspielt, wie es die
Druck- und Potenzialverhältnisse gern hätten. Zwar ziehen die an das Tief
gebundenen Regen- und Schneefälle im Laufe des Vormittags nach Osten ab, es
folgen aber in der Mitte und im Süden noch ein paar Regen- oder Schneeregen-, im
Bergland Schneeschauer nach. Oberhalb etwa 600 bis 800 m können akkumuliert noch
mal bis zu 5 cm, an den Alpen sowie in den östlich gelegenen Mittelgebirgen in
exponierten Staulagen vielleicht bis zu 10 cm Neuschnee fallen. Dagegen bleibt
es im Norden und zunehmend auch im Westen vielerorts trocken oder zumindest
weitgehend trocken, ein paar Aufhellungen oder Auflockerungen gratis dazu.
Der Wind lässt im Süden im Tagesverlauf immer weiter nach, lediglich in
Verbindung mit Schauern sind noch einzelne 7er-Böen zu erwarten, und auch auf
den Bergen reicht es je nach Ausrichtung noch für ein paar Böen der Stärke 7-8
Bft. Temperaturmäßig landen wir in der maritimen und erwärmten Polarluft bei
Höchstwerten zwischen 5 und 10°C, im höheren Bergland etwas darunter.

In der Nacht zum Mittwoch ist es mit dem Zwischenhocheinfluss alsbald schon
wieder vorbei. Der flache Rücken wandert ostwärts aus und wir gelangen auf die
diffluente Vorderseite der sich vom mittleren Nordatlantik zum europäischen
Kontinent vorarbeitenden, gut definierten Frontalzone. Veritable PVA überlagert
von üppiger WLA bedingen gute und großflächige Hebungsbedingungen, die zu
andauernden und gebietsweise ergiebigen, sich ostwärts ausbreitenden
Niederschlägen führen. Dabei greift zunächst die alternde Okklusion eines
südlich an Island ostwärts ziehenden Sturmtiefs an, bevor die Warmfront eines
kleinen Randtiefs (Mitternacht über Schottland) folgt. Trocken bleibt es bis zum
frühen Morgen wahrscheinlich nur an Oder und Neiße nebst unmittelbarer
Peripherie.
Aufgrund der aggressiven WLA - in 850 hPa steigt die Temperatur mit Ausnahme des
äußersten Ostens und Nordostens von rund -3°C am Abend auf 0 bis +5°C am frühen
Morgen - sowie der guten Durchmischung ist Schnee nur anfangs ein kleines Thema
im höheren Bergland, bevor die Schneefallgrenze bis über Kammniveau hinaus, in
den östlichen Mittelgebirgen auf etwa 1000 m oder etwas darüber ansteigt. Obwohl
es an der einen oder anderen Stelle ordentlich schütten wird, besonders im NW
sowie in den westlichen Mittelgebirgen, werden Warnparameter (noch) nicht
erreicht respektive überschritten.
Warnungen wird es aber trotzdem reichlich hageln, was der Tatsache geschuldet
ist, dass sich der Gradient von Westen her stetig verschärft. Dabei frischt der
abermals auf südliche Richtungen rückdrehende (man kennt das Spielchen
mittlerweile) Wind bevorzugt in der Westhälfte, an der See (Nordsee mehr als
Ostsee) sowie allgemein im Bergland auf. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das Böen
7 bis 8 Bft, in freien Lagen Westdeutschlands sowie an und auf der Nordsee
vereinzelt 9 Bft. In exponierten Kamm- und Gipfellagen stehen sogar Böen 10 bis
11 Bft, vielleicht vereinzelt sogar eine 12 Bft auf dem Zettel.
Zurück noch mal zur Temperatur. Mit dem zunehmenden Wind spiegelt sich die
niedertroposphärische Erwärmung auch in der 2m-Temperatur wider, die besonders
im Westen und Südwesten während der ganzen Nacht ansteigt und am Morgen bei
+10°C, lokal sogar noch etwas darüber landet, was manchem Kreislauf durchaus
Schwierigkeiten bereiten könnte. Frost tritt punktuell nur im östlichen Bergland
auf.

Mittwoch ... wird es für einige von uns die erste richtige Zerreißprobe des
neuen Jahres in puncto Wetter geben, oder anders ausgedrückt: es wird ziemlich
fies. Auch wenn es im Detail immer noch Unschärfen innerhalb des vielfältigen
Modellpools gibt, so zeichnet sich doch ein sehr windiger bis stürmischer und
äußerst niederschlagsreicher 3. Januar ab, an dem sich wahrscheinlich auch
einige Gewitter die Ehre geben werden.
Zunächst zur Lage, wo es knapp westlich von und innerhalb der Frontalzone zu
einer flachen Austrogung kommt. Der resultierende Trog schwenkt ost-südostwärts
durch, wodurch die Frontalzone etwas nach Südwesten gedrückt wird. Das o.e.
kleine Randtief intensiviert sich noch ein ordentliches Stück auf rund 965 hPa.
Mit diesem Kerndruck zieht es am Tage über die Nordsee und Jütland hinweg zu den
dänischen Inseln, wo es am Abend - inzwischen hat Auffüllen eingesetzt -
anlandet. Das okkludierende Frontensystem überquert weite Teile des
Vorhersageraums rasch ostwärts, einzig im Süden kommt die Kaltfront ins
Schleifen und hinkt nach Westen hin zurück. Eine Wellenbildung zeichnet sich im
aktuellen 12-UTC-Lauf aber nicht ab, dafür ist das Tief etwas flotter unterwegs
als heute Morgen noch simuliert.
Vor der Kaltfront wird insbesondere in den Süden und Osten vorübergehend milde
bis sehr milde Meeresluft advehiert, in der die 850-hPa-Temperatur auf bis zu
+6°C im Süden ansteigt. Am Abend, wenn die Kaltfront überall durch ist, wird
ganz Deutschland von subpolarer Meeresluft (T850 um -2°C) überzogen.
Die anfänglich verbreitet auftretenden frontalen Niederschläge (Achtung, am
frühen Morgen im südöstlichen Bergland punktuell und kurzzeitig gefrierender
Regen nicht ganz ausgeschlossen) verlagern sich im Norden rasch ostwärts,
während sie sich im Süden nur langsam Richtung Alpen zurückziehen. Dort werden
dann auch die höchsten Mengen simuliert, wobei neben der schleifenden Front auch
Staueffekte ihren Beitrag leisten. Akkumuliert können dabei über 12 h 10 bis 20
mm, örtlich um oder etwas über 25 mm Niederschlag zusammen kommen - meist als
Regen, weil der meiste Niederschlag vor der Kaltfront in der milden Luft fällt,
wo die Schneefallgrenze vorübergehend auf über 1500 m steigt. Vor diesem
Hintergrund bekommen auch die Themen "Dauerregen" und "Tauwetter" wieder
zunehmende Bedeutung. Zwar stellt die geschilderte Entwicklung isoliert
betrachtet noch nicht das ganz große Event dar, nach einer Unterbrechung bzw.
Abschwächung am Donnerstag folgen zum Freitag hin aber weitere, teils ergiebige
Regenfälle, so dass ernsthaft über ein 48-60-stündiges Dauerregenereignis
nachgedacht werden sollte, das im Schwarzwald und im Allgäu (vor allem dort mit
zusätzlichem Tauwetter) Unwettercharakter hätte (60 -90 mm Regen oder
Niederschlagsdargebot). Auch wenn die Modelle sich noch nicht auf einen Konsens
einigen konnten, wieviel Niederschlag wo und wann genau fallen wird, die Signale
der Probabilistik seitens COSMO-LEPS aber auch ECMF-EPS für eine
Unwettersituation sind für den Schwarzwald und das Allgäu eindeutig. So gesehen
sollte schon am morgigen Dienstag über die Ausgabe entsprechender Warnungen
ernsthaft diskutiert werden. Inwieweit auch andere Mittelgebirge oder
Alpengebiete betroffen sein werden, ist noch offen. Unwetter zeichnen sich nach
jetzigem Stand eher weniger ab, für ein markantes Ereignis könnte es aber sehr
wohl reichen.
In der postfrontal einfließenden Meereskaltluft entwickeln sich Schauer, die
oberhalb 600 bis 800 m als Schnee fallen. Auch kurze Gewitter sind
wahrscheinlich, die von Graupel und Böen 8 Bft, vielleicht sogar 9 Bft begleitet
sein können. Ob es letztlich auch zu organisierter Konvektion z.B. in Form von
Linien hinter und an der Kaltfront kommt, ist noch ungewiss. Zwar sind die
vorhergesagten Scherungswerte sowohl nieder- als auch mitteltroposphärisch
ziemlich hoch, allerdings resultiert das größtenteils aus
Geschwindigkeitsscherung, während die Krümmungskomponente vergleichsweise dünn
ausfällt. Das erkennt man auch daran, dass der o.e. Trog ziemlich breit
aufgestellt ist und somit auch nicht über ein definiertes Vorticitykomma
verfügt. Trotzdem, WRF von 00 UTC simuliert in den Pseudoreflektivitäten eine
schöne Bow-Formation an der Kaltfront, die auf organisierte Konvektion
hindeutet. Bei Höhenwinden von bis zu 55 Kt in 925 hPa und etwas über 70 Kt in
850 hPa wären dann schwere Sturmböen 10 Bft, im worst case sogar orkanartige
Böen 11 Bft nicht von der Hand zu weisen, was übrigens von ICON durchaus
angedeutet wird.
Unabhängig von diesen zugegeben noch teils spekulativ beeinflussten Überlegungen
wird der Wind allein aus dem Gradienten heraus eine sehr gewichtige Rolle
spielen. Mit Ausnahme des ost- und nordostdeutschen Binnenlands, wo es noch
lange Zeit vergleichsweise zahm zugeht, frischt der überall auf SW bis W
drehende Wind stark bis stürmisch auf. Dabei kann es bis in tiefe Lagen Böen 9
Bft geben, im Bergland sind je nach Höhe und Ausrichtung Böen bis 12 Bft zu
erwarten. ICON selbst wartet mit zwei Sturmschwerpunkten auf: zum einen im
Süden, wo mit und vor Passage der Kaltfront offensichtlich mit Unterstützung von
Leitplankeneffekten und Impulstransport am Vormittag verbreitet Böen 10-12 Bft
simuliert werden. Der zweite Peak liegt auf der S- bzw. SW-Flanke des Tiefs und
zieht am Vormittag in die Deutsche Bucht, später dann auch in allerdings
abgeschwächter Form in die Ostsee. Über und an der Nordsee sind dabei Böen 10
bis 11 Bft denkbar. Letztlich ist aber auch hier noch nicht das letzte Wort
gesprochen, weil Intensität, Timing und Zugbahn des Tiefs je nach Modell zwar
nicht überbordend, für Details aber doch entscheidend differieren.

Während es im NO mit rund 6°C einigermaßen frisch bleibt, geht die Temperatur im
Oberrheingraben vorübergehend auf bis zu 13 oder 14°C hoch.

In der Nacht zum Donnerstag zieht das Sturmtief über die westliche Ostsee
langsam ostwärts. Es bleibt bei uns ein strammer Gradient übrig, der bis zum
Morgen aber langsam auffächert, was eine Windabnahme zur Folge hat. Anfangs
stehen aber noch Böen 7-8 Bft, an der Küste und im Bergland 9 Bft, exponiert
auch höher, auf der Karte.
Dazu entwickeln sich Regen-, im Bergland Schneeschauer, in Weststaulagen regnet
oder schneit es auch länger andauernd. Die Schneefallgrenze pendelt sich bei 600
bis 800 m ein, Tendenz im SW in der zweiten Nachthälfte allmählich steigend.

Donnerstag ... liegen wir unter einer flotten west-nordwestlichen Höhenströmung.
Das o.e. Sturmtief zieht in Richtung Baltikum ab und es zeichnet sich leichter
Zwischenhocheinfluss ab, bevor schon bald das nächste Sturmtief seine Schatten
weit vorauswirft. Dieses Tief befindet sich am Mittag zwar noch nordwestlich von
Irland, die vorderseitige WLA greift aber schon weit nach Osten bzw. Südosten
aus, was auch bei uns nicht ohne Wirkung bleibt.
Zunächst mal entwickeln sich aber noch einzelne Regen- oder Graupel-, im
Bergland Schneeschauer, die im tagesverlauf infolge zunehmender Stabilisierung
immer weniger werden. Dafür verdichtet sich die Bewölkung im SW zusehends und im
Vorfeld einer Warmfront (die zu dem o.e. Tief gehört) setzen dort stratiforme
Niederschläge ein, die nur anfangs im höheren Bergland als Schnee fallen und die
sich in der Nacht zum Freitag deutlich intensivieren sollen (siehe dazu auch
weiter oben die Bemerkungen zum bevorstehenden "Unwetter Dauerregen").
Der anfangs vielerorts noch mäßige bis frische SW-W-Wind schwächt sich im
Tagesverlauf mehr und mehr ab und dreht dabei - richtig - auf südliche
Richtungen rück.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Es ist unbestritten, dass die nächsten Tage im Allgemeinen und der Mittwoch im
Speziellen synoptisch hochinteressant werden. Dass trotzdem noch einige Fragen
auch in warntechnischer Hinsicht offen sind, wurde im Text bereits mehrfach
erwähnt. Die Wahrscheinlichkeit für eine Unwetterdauerregenlage (teils mit
Tauwetter im Allgäu) ist aber sehr hoch, und auch in Sachen "Sturm" ist am
Mittwoch einiges zu erwarten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann