DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-01-2018 09:00
SXEU31 DWAV 010800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 01.01.2018 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
W z
Windig, in freien Lagen verbreitet stürmische Böen, an der Küste und im Bergland
Sturmböen. Auf höheren Berggipfeln schwere Sturm- und orkanartige Böen. Am
Mittwoch wahrscheinlich Höhepunkt der Windentwicklung, im Süden orkanartige Böen
bis in tiefere Lagen nicht auszuschließen. Außerdem im Schwarzwald und im Allgäu
einsetzender Dauerregen mit Unwettergefahr.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... (Neujahr) gelangt Deutschland zusehends in den Bereich eines breiten
Troges, der eine Doppelstruktur aufweist. Die diesem Trog vorgelagerte Kaltfront
hat mittlerweile Deutschland nahezu überquert, rückseitig ist nicht mehr ganz so
milde, aber oberhalb der Grundschicht deutlich kühlere Luft eingeflossen, so
dass sich Schauer und auch einzelne kurze Gewitter entwickeln konnten. Zwar
sinkt die Schneefallgrenze noch ein wenig ab, für die feste Phase dürfte es
allenfalls in den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge reichen.
Der erste Teiltrog überquert heute das Vorhersagegebiet weitgehend.
Kaltluftadvektion bewirkt einen leichten Druckanstieg, der sich als
antizyklonale Deformation der Isobaren bemerkbar macht und den Gradienten ein
wenig auffächern lässt. Hierdurch dürfte in der zweiten Tageshälfte der Wind
erst einmal abflauen und auch die Schauertätigkeit ein wenig abklingen, was
Auflockerungen wahrscheinlicher werden lässt. Zuvor sind aber verbreitet Wind-
und in freien Lagen sowie in Verbindung mit Schauern einzelne stürmische Böen zu
erwarten. Im Nordwesten und Westen dürften stürmische Böen häufiger auftreten.
An der Küste und im Bergland sind Sturmböen bis Bft 9, auf exponierten Gipfeln
schwere Sturm- oder orkanartige Böen zu erwarten.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen in der gut durchmischten Atlantikluft noch
einmal 7 bis 12, im höheren Bergland Werte um 3 Grad.
In der Nacht zum Dienstag gelangt dann Deutschland in den Bereich des
Haupttroges. Dieser bildet sich aktuell bereits als Vorticitymaximum über der
Bretagne ab. Das korrespondierende Bodentief liegt entwicklungsgünstig und wird
unter Intensivierung zu den Ardennen und bis Dienstagfrüh in die Mitte
Deutschlands gesteuert. Während im Bereich der Zugbahn dieses Tiefs und auch
nördlich davon der Gradient weiter auffächert und warnrelevante Böen nur noch
auf die Küste und höhere Berglagen beschränkt sind, erfolgt zunächst im
Südwesten und später im gesamten Süden eine markante Gradientverschärfung. In
diesen Gebieten sind dann durchweg Wind- und verbreitet stürmische Böen, im
Bergland Sturmböen und auf exponierten Gipfeln Böen bis Orkanstärke zu erwarten.
Mit dem korrespondierenden Bodentief kommen Niederschläge auf, die allerdings
nicht warnrelevant sind. In Mittelgebirgslagen oberhalb von 800 m dürften die
Niederschläge dann in fester Phase fallen. Mehr als 10 cm Neuschnee sind jedoch
wenig wahrscheinlich.

Dienstag... verbleibt Deutschland zunächst noch im Bereich des Haupttroges. In
der eingeflossenen labil geschichteten Luftmasse sind wiederholt Schauer zu
erwarten, die oberhalb von etwa 800 m als Schnee oder zumindest in Mischphase
fallen. Von Westen rasch ostwärts übergreifende Warmluftadvektion sorgt über
Westeuropa für Geopotentialgewinn, der sich zusehends auch nach Osten ausweitet.
Hierdurch wird der Trog nach Osten abgedrängt und die Schauertätigkeit klingt
ab. Zudem fächert der Gradient auf. Während in den Frühstunden im Süden und
Südosten noch Wind- und in freien Lagen einzelne stürmische Böen zu erwarten
sind, sind ab dem Nachmittag warnrelevante Böen wahrscheinlich auf höhere
Berglagen und einige Küstenabschnitte (vor allem der Nordsee) beschränkt.
Wolkenlücken sind in Küstennähe und im Lee der Mittelgebirge am
wahrscheinlichsten. Für größere Auflockerungen sollte es jedoch kaum reichen.
Mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 4 und 9 Grad in tieferen Lagen und um 1
Grad im höheren Bergland wird es nicht mehr so mild wie bisher.
In der Nacht zum Mittwoch nähert sich vom mittleren Nordatlantik kommend ein
weiterer, relativ breiter Trog. Das mit diesem Trog korrespondierende Tief
überquert Schottland und intensiviert sich dabei zu einem Sturmtief. Dessen
Warmfront greift ausgangs der Nacht auf Deutschland über. Mit dieser Warmfront
kommen erneut Niederschläge auf. Diese sind allerdings nicht warnrelevant. Die
Schneefallgrenze steigt rasch an, so dass Niederschläge in fester Phase vorerst
kein Thema sind. Zudem verschärft sich der Gradient, so im Nordwesten und Westen
sowie an der Küste dass Wind- und (nicht nur in freien Lagen) stürmische Böen
aufkommen. Im Bergland sind dann durchweg Sturmböen, auf exponierten Gipfeln
schwere Sturm- und orkanartige Böen zu erwarten. Abgesehen von den Kamm- und
Gipfellagen der Mittelgebirge bleibt es dabei frostfrei.

Mittwoch... verlagert sich das o.g. Sturmtief, das längst keine nennenswerte
Achsenneigung mehr aufweist, in die nördlich Nordsee. Dessen Frontensystem
beginnt zu okkludieren, die Kaltfront greift im Norden rasch bis zur Oder über,
hängt aber im Süden leicht schleifend etwas zurück. Dabei ist an der Kaltfront
eine Wellenbildung nicht ganz auszuschließen. Sollte es hierzu kommen, ist im
Süden eine weitere Gradientverschärfung wahrscheinlich, wobei dann auch noch der
durch die Orografie bedingte Leitplankeneffekt zum Tragen kommt. Die Folge wären
dann bis in tiefe Lagen schwere Sturm- und orkanartige Böen und im Bergland
durchweg Böen von Orkanstärke.
Im Bereich der Zugbahn der möglichen Welle fächert der Gradient auf, so dass
dort der Wind vorübergehend abflaut und dann wahrscheinlich nur in höheren
Berglagen warnrelevant ist. Allerdings ist dann dem Niederschlag mehr
Aufmerksamkeit zu schenken. Vor allem in Staulagen können dann durchaus die
Warnschwellen für Dauerregen überschritten werden.
Mit Verlagerung des Bodentiefs in Richtung schleswig-holsteinisch-dänisches
Grenzgebiet verschärft sich der Gradient im Nordwesten und Westen weiter, so
dass in tiefen Lagen durchweg Sturmböen, im Bergland und an der Nordsee schwere
Sturmböen und auf höheren Berggipfeln orkanartige Böen aufkommen.
Vergleichsweise windschwach bleibt es lediglich im Nordosten, wo stürmische oder
auch Sturmböen auf höhere Berglagen und die Ostseeküste beschränkt bleiben.
Neben der Windentwicklung sollte die Kaltfront nicht aus den Augen verloren
werden. Mit deren Passage (deren zeitlicher Ablauf noch unsicher ist) sind
konvektive Umlagerungen bis hin zu kurzen Gewittern vorstellbar. Dann würde
zusätzlich der heftige Oberwind, der im 850 hPa-Niveau 50 bis 80 kt erreicht,
zum Tragen kommen, wobei die Gefahr besteht, dass derartige Winde turbulent in
nur wenig abgeschwächter Form bis in Bodennähe heruntergemischt werden können.
Die Scherung wäre zwar für rotierende Strukturen hoch reichender Konvektion
hinreichend. Dem widerspricht aber der wenig scharfe Ausprägungsgrad der
Kaltfront und der breite Trog, der kein ausgeprägtes Vorticityadvektionsmaximum
zu generieren vermag. Zudem greift Kaltluftadvektion rasch bis auf die
Vorderseite des Troges über. Aber selbst, wenn durch die Konvektion nicht noch
eine weitere Verschärfung der Böenproblematik erfolgt, so ist doch der Gradient
für die oben beschriebene Sturmentwicklung hinreichend.
Die Temperaturen steigen erneut etwas an. Als Höchstwerte sind 8 bis 13, im
Norden, Nordosten und im Bergland 2 bis 7 Grad zu erwarten.
In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich das Sturmtief, ohne sich nennenswert
aufzufüllen, in den Raum Bornholm. Allerdings ist die genaue Verlagerung dieses
Tiefs noch unsicher. Folglich verschärft sich dann im Nordosten der Gradient, so
dass dort sowie im gesamtem Norden stürmische Böen und in freien Lagen durchaus
auch Sturmböen zu erwarten sind. Im Bergland gibt es nach wie vor schwere
Sturmböen, auf exponierten Gipfeln orkanartige Böen. Im Westen und Süden dürfte
sich bis Donnerstagfrüh die Windsituation dann entspannen, so dass zwar bis in
tiefere Lagen noch verbreitet Wind- und stürmische Böen zu erwarten sind, aber
Sturm- oder gar schwere Sturmböen auf das Bergland bzw. exponierte Berggipfel
beschränkt bleiben. Dabei sind noch weitere und vor allem schauerartige
Niederschläge zu erwarten. Mit den Niederschlägen vom Mittwoch können die
Warnschwellen in Bezug auf Dauerregen in den Staulagen der süddeutschen
Mittelgebirge und zum Teil auch an den Alpen überschritten werden. Betrachtet
man einen längeren akkumulationszeitraum, zeichnen sich im Schwarzwald und im
Allgäu Niederschlagssummen ab, die deutlich oberhalb der Unwetterschwelle
liegen. Wie in der Nacht zuvor bleibt es erneut weitgehend frostfrei.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten. Unsicherheiten ergeben sich erst am Mittwoch in Bezug auf die
Verlagerung und Intensität des o.g. Sturmtiefs und von dessen Fronten. Hier
zeigt EZMW eine weiter südlich liegende Zugbahn und auch ein rascheres
Übergreifen der Fronten (sonst ist es meist umgekehrt). Eine Wellenbildung an
der Kaltfront deutet sich nach EZMW nicht an. Nach ICON zeichnet sich zudem eine
etwas intensivere Entwicklung ab. Die südlichere Verlagerung des Tiefs fällt
jedoch bei den Böen eher ins Gewicht.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann