DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-12-2017 09:00
SXEU31 DWAV 150800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 15.12.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu TrM (Trog Mitteleuropa), am Sonntag eher Richtung NWa (Nordwest
antizyklonal)

Heute und am WE zeitweilige, in Staulagen teils auch andauernde Niederschläge,
oberhalb 300 bis 400 m durchweg, darunter teils als Schnee. Vereinzelt auch
kurze Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegen wir unter einem umfangreichen Höhentrog, der zunächst aber
mehr durch seine Breite als durch seine Amplitude auffällt. Das wird sich im
Tagesverlauf aber ändern, weil in seine Rückseite ordentlich Kaltluft gepumpt
wird, was dort einen stetigen Potenzialverlust zur Folge hat. Kurzum, der Trog
amplifiziert sich und nimmt somit mehr und mehr die Form eines klassischen
LW-Troges an, dessen Achse am Tagesende etwa vom westlichen Mittelmeer bis nach
Skandinavien reicht. Dabei gelangen auch kurzwellige Anteile in das Hinterteil
des eigentlichen Troges, von denen der auffälligste - abgebildet in quasi allen
Troposphärenschichten - am Abend und in der kommenden Nacht von Benelux und
NO-Frankreich auf unseren Raum übergreift.
Der Blick auf die Bodendruckverteilung zeigt einen vom Azorenhochkeil
ausgehenden bis hoch nach Ostgrönland reichenden Keil, dem tiefer Luftdruck über
Skandinavien gegenübersteht. Protagonist ist dabei das Tief ZUBIN, das sich
mangels antreibender Impulse heute nur äußerst pomadig von der schwedische
Ostküste vor den Westeingang des Finnischen Meerbusens verlagert. Zwischen den
beiden Druckgebilden wird direkt aus der Polgegend arktische Polarluft über das
Nordmeer und den nahen Ostatlantik südwärts gesteuert, die - um zu uns zu
gelangen - aber noch einen kleinen Bogen schlagen muss, so dass sie von Westen
einströmt, was einen etwas höheren Erwärmungsfaktor zur Folge hat. Der Grund für
den kleinen Bogen liegt in einem Randtief, das heute früh über der Nordsee lag
und von dort unter zunehmenden "Gesichtsverlust" (seriöser: Verlust seiner
Kontur bzw. Übergang zu einem Bodentrog) ebenfalls in den Abendstunden auf
Westdeutschland übergreift.
Bogen hin, Erwärmung her, die einfließende Meeresluft ist gesamttroposphärisch
kalt genug, die heute auftretenden, meist schauerartigen, vereinzelt sogar
gewittrigen Niederschläge häufig als Schnee fallen zu lassen (T850 -2 bis -6°C,
T500 um -34°C). Zumindest oberhalb 300 bis 400 m kann man hinter diese Aussage
einen Haken machen, während weiter unten alle Phasen bis hin zu Graupel
vorstellbar sind. Nachdem die anfangs im Osten noch auftretenden Schnee- und
Regenfälle, die einem ostwärts abziehenden Bodentrog geschuldet sind, im Laufe
des Vormittags in die Geschichtsbücher eingehen, treffen die nachfolgenden
Niederschläge vor allem den Süden und Teile der Mitte. Bereits aktuell ist über
NO-Frankreich und SW-Deutschland ein größeres Radarkonglomerat erkennbar, das
sich im weiteren Verlauf nach Osten verlagert. Aufsummiert bis heute Abend
kommen in den vom Niederschlag betroffenen Mittelgebirgen 1 bis 3 cm, in
Staulagen lokal um 5 cm Neuschnee zusammen. Darunter reicht es wohl nicht für
eine vernünftige Schneedecke, Glätte durch Matsch ist aber nicht kategorisch
ausgeschlossen.
Im Norden sind Schauer deutlich seltener bzw. gar nicht anzutreffen. Lediglich
in Küstennähe sind ein paar Regen-, Schneeregen- oder Graupelschauer, vereinzelt
mit Blitz und Donner unterwegs. Die Sonne macht sich deutschlandweit einmal mehr
ziemlich rar, über ein paar Aufhellungen oder Auflockerungen (an den Alpen mit
Rückdrehen der Höhenströmung leichte Leeeffekte) wird es wohl nicht hinausgehen.
Dazu gibt Tageshöchstwerte zwischen 2 und 8°C.
Ach ja, fast vergessen, weil kaum noch relevant - der Wind. Druckanstieg lässt
den Gradienten merklich auffächern, so dass der anfänglich im Süden und in
höheren Lagen noch spürbare SW-Wind (7 Bft, Bergland 8-10 Bft) immer weiter in
die Knie unterhalb der Warnschwellen geht.

In der kommenden Nacht kommt es mit Annäherung bzw. Durchschwenken des besagten
und bis in Bodenniveau reichenden KW-Troges zu weiteren Schneeschauern, die
insbesondere im zentralen und süddeutschen (SW mehr als SO) Mittelgebirgsraum
auftreten. In Staulagen sind dabei nochmals bis oder um 5 cm, im Schwarzwald
lokal etwas mehr Neuschnee zu erwarten. Einzelne Schauer können auch im NW sowie
an der See auftreten, teils als Schnee oder Graupel.
Mit Ausnahme einiger Gebiete in Nord- und Westdeutschland sowie des Rheintals
gibt es vielerorts leichten, an den Alpen punktuell mäßigen Frost. Streckenweise
wird es glatt durch Neuschnee, etwas Schneematsch oder gefrierende Nässe, wobei
aber sicherlich nicht überall dort, wo eine Frostwarnung fällig ist, auch eine
Glättewarnung gezogen werden muss.

Samstag... verlagert sich die Achse des LW-Troges gemächlich aber selbstbewusst
nach Osten, so dass die Höhenströmung mehr und mehr auf NW rechtdreht. Auch im
Bodendruckfeld zeigt das gesamte Strömungsmuster leicht progressive Züge. Das
Tief verlagert sich langsam gen Finnland, der meridionale Hochkeil rückt dichter
an den Kontinent heran. Dazwischen gelangt mit mäßigem und wahrscheinlich nicht
warnwürdigem West- bis Nordwestwind (einzig an der Nordsee sind im TV (also
jetzt nicht im Fernsehen, sondern im TagesVerlauf) ein paar steife 7er-Böen
möglich) die maritime Polarluft nun auf direkterem Weg in den Vorhersageraum,
was einen leichten Temperaturrückgang gegenüber heute zur Folge hat. In 850 hPa
sinkt die Temperatur landesweit auf Werte um -6°C, während in 500 hPa nach
Westen hin bereits schon wieder eine leichte Erwärmung auf rund -30°C zu
verzeichnen ist. In 2 m Höhe, also dem für das Gros der Menschheit relevanten
Lebensraum, dürfen wir uns auf Tageshöchstwerte von 0 bis +5°C, im mittleren und
höheren Bergland auf leichten Dauerfrost einstellen.
Darüber hinaus gilt festzuhalten, dass weite Teile des Landes den Samstag unter
starker, vielfach geschlossener Bewölkung verbringen werden. Chancen auf ein
paar substanzielle Lücken deuten sich am ehesten im äußersten Norden Richtung
Dänemark an, allerdings nicht unbedingt an der Nordseeküste. Ansonsten kommt es
zu schauerartigen, im West- und Nordweststau der Mittelgebirge und der Alpen zu
teils länger andauernden Niederschlägen, die oberhalb 200 bis 400 m durchweg,
darunter teilweise als Schnee (oder Graupel) fallen. Vereinzelt ist auch ein
kurzes Schnee- oder Graupelgewitter mit am Start. Akkumuliert bis zum Abend
kommen 1 bis 5 cm, lokal bis zu 10 cm oder etwas mehr Neuschnee zusammen, Glätte
auf den Straßen inclusive. In tieferen Lagen ist allenfalls kurzzeitig mal
Glätte durch etwas Schnee oder Matsch nicht ausgeschlossen.

In der Nacht zum Sonntag ändert sich nur wenig an der Wetterlage. Es kommt zu
weiteren, teils schauerartigen, staubedingt auch andauernden Schneefällen bis
ganz nach unten. In den Mittelgebirgen fallen noch mal bis 5 cm, stellenweise
bis 10 cm Neuschnee. An den Alpen intensiviert sich der Schneefall noch etwas,
dort sind an der einen oder anderen Stelle durchaus mal rund 15 cm weiterer
Schnee möglich (für den Alpenrand, vielleicht auch noch für Teile des
Schwarzwalds bietet sich eine von Samstag bis Sonntag laufende markante
Schneefallwarnung der Größenordnung 15 bis 30 cm innert 24 h an).
Niederschlagsfrei bleibt es hingegen im nordostdeutschen Tiefland, wo die
Wolkendecke teilweise auflockert. Dort gibt es ebenso leichten Frost wie in
weiten Teilen Süddeutschlands und der Mitte. Vielerorts wird das Überangebot an
Wolken aber auch ein Absinken der Temperatur in den negativen Bereich
verhindern.
Der Wind bleibt zurückhaltend, nur an der Nordsee sind wenige 7er-Böen nicht
ganz ausgeschlossen und in exponierten Hochlagen wie dem Brocken und dem
Fichtelberg reicht es sogar für einzelne 8er-Böen aus NW.

Sonntag... verlagert sich der LW-Trog ins östliche Mitteleuropa. Zwischen dem
abziehenden Trog und einem veritablen Höhenrücken über dem Ostatlantik gelangen
wir in eine glatte nord-nordwestliche Höhenströmung, in der WLA für einen
weiteren mitteltroposphärischen Temperaturanstieg sorgt (T500 bis zum Abend auf
über -30°C, im W und NW auf über -25°C), sonst aber noch keinen größeren Schaden
anrichtet. In der unteren Troposphäre hinkt die Erwärmung deutlich hinterher,
die 850-hPa-Temperatur verbleibt über weite Strecken des Tages im Bereich um
-7°C, bevor es am Abend im NW allmählich bergauf geht (bis zu -2°C).
Bodennah steigt der Luftdruck weiter an, was sich in einem über Süddeutschland
hinweg ostwärts gerichteten Azorenhochkeil widerspiegelt (um oder etwas über
1025 hPa). Aber nicht überall, wo hoher Luftdruck draufsteht, ist auch schönes
Wetter drin. Will heißen, gerade im S und SO kommt es zu weiteren, teils
schauerartigen, in Staulagen (bevorzugt Alpen und Erzgebirge) auch andauernden
Schneefällen mit Neuschneemengen zwischen 1 und 7 cm, in den Alpen um oder etwas
über 10 cm.
Im Norden ist die Niederschlagsneigung tagsüber erheblich geringer, dort lockert
die Wolkendecke an der einen oder anderen Stelle sogar auf. Der Wind hält sich
zunächst in Grenzen, lediglich auf dem Brocken und dem Fichtelberg sollten sich
Ausflügler auf Böen bis Stärke 8 Bft aus NW einstellen. Die Tageshöchstwerte
liegen zwischen 0 und +6°C, an den Alpen sowie im Bergland herrscht leichter
Dauerfrost.
Während der dritte Advent tagsüber also noch recht beschaulich daherkommt und
sich diensthabende Warnmeteorologen das eine oder andere stressfreie Plätzchen
gönnen können, steht in der Nacht zu Montag eine hochinteressante und wohl auch
brisante Wetterlage auf der Karte. Ohne jetzt schon zu sehr ins Detail zu gehen,
Tatsache ist (auf Basis aller etablierten Modelle), dass von der Nordsee her ein
veritabler KW-Trog mit wunderbar ausgestatteter diffluenter Vorderseite und
einer Menge PVA auf uns zukommt, der mit einem okkludierenden Frontensystem
interagiert. Es gehört zu einem Tief, das vom Seegebiet knapp westlich Islands
zum Europäischen Nordmeer zieht. Dabei soll sich über der Nordsee am
Okklusionspunkt ein hebungsintensives Teiltief bilden, das später gen
NO-Deutschland zieht. Ab Sonntagabend - kurz vorm TATORT (schon wieder
Wilke-Möhring) - setzt im Nordwesten skaliger Niederschlag ein, der sich rasch
ost- und südwärts ausbreitet und bis zum frühen Morgen quasi den gesamten
Vorhersageraum erfasst haben dürfte (vielleicht noch nicht SO-Bayern, nach IFS
sogar noch nicht den gesamten O und SO). Während im NW meist Regen fällt, reicht
es weiter landeinwärts für Schnee bis in tiefe Lagen, zumindest vorübergehend.
Wo wann die Schneefallgrenze dann im Zuge von WLA wie hoch steigt, ist derzeit
noch unsicher. IFS bringt die kälteste Lösung, ICON lässt die Warmluftzunge in
850 hPa auf weite Teile Nord- und Westdeutschlands übergreifen, GFS liegt
dazwischen. Auf alle Fälle muss damit gerechnet werden, dass es in Teilen des
Landes (wahrscheinlich nach Süden und Osten hin sowie im Mittelgebirgsraum) z.T.
erhebliche Behinderungen im morgendlichen Berufsverkehr durch (starken)
Schneefall geben wird.
Darüber hinaus legt auch der Wind (erst rück-, dann wieder rechtdrehend)
merklich zu, besonders an der Nordsee (Sturm mit schweren Sturmböen?) und im
Bergland (ebenfalls Sturm). Dort stehen dann zusätzlich noch mögliche
Schneeverwehungen auf der Karte.
Also, die ganze Angelegenheit wird hochspannend, wozu auch die Sichtung der
nächsten Modellläufe gehört.

Modellvergleich und -einschätzung
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Hinsichtlich der Entwicklung bis kommenden Sonntag liegen die Modelle dicht
beieinander. Die Alpen dürfen sich im Laufe des Wochenendes über 30 bis 40 cm,
stellenweise vielleicht sogar über einen halben Meter Neuschnee freuen. Ab
Sonntagabend laufen die Modelle zwar nicht grundsätzlich auseinander (der
KW-Trog und das Frontensystem werden überall gebracht), die Details werden aber
unscharf, was natürlich nicht ohne Folgen bleibt (siehe Text).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann