DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-12-2017 21:00
SXEU31 DWAV 101800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 10.12.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nach Nordosten abziehender Schneefall, dahinter Milderung, teils etwas
schleppend. In der Nacht nachlassender Wind.
Am Montag Annäherung des nächsten Tiefs verbreitet Niederschlag, im W und NW
teils als nasser Schnee und recht ergiebig. In den Alpen Südföhn mit Orkanböen
oder schweren Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... sind es nur noch wenige Stunden, bis ein durchaus denkwürdiger,
überwiegend winterlicher 2. Advent zu Ende geht. Großflächiger Schneefall an
einem 10. Dezember, wann gab es das das letzte Mal, und auch die Tatsache, dass
der EffZeh noch eine 3:0-Führung verdödelt hat (incredibile) und in den Stadien
mal wieder der rote Ball zum Einsatz kam (in Hannover mit einem erfreulichen 2:0
der gastgebenden 96iger), verdient besondere Erwähnung. Bevor wir hier aber ins
Schwelgen kommen bzw. in zwar hochinteressante, letztlich aber fachfremde
Sphären abgleiten, schnell auf den Boden meteorologischer Tatsachen, wo an
dieser Stelle vor allem die nahe Zukunft interessiert. Und das auch die brisant
und spannend ablaufen wird, ist unbestritten, also ran an den Speck.

Zunächst befindet sich Deutschland noch unter einer respektablen und nicht
gerade langsamen west-südwestlichen Höhenströmung, die aber im Zuge kräftiger
Kaltluftzufuhr aus dem Nordmeerbereich in den nahen Ostatlantik und der damit
einhergehenden kräftigen Austrogung sukzessive rückdreht.
In den Abendstunden greift das kleine aber feine Tief XANTHOS von den
Niederlanden her auf das westliche Niedersachsen über, von wo aus es bis zum
frühen Morgen über den Hamburger Raum bis vor die vorpommersche Ostseeküste
zieht. Ausgestattet mit einem Startwert von knapp unter 970 hPa füllt sich der
gute XANTHOS auf seinem Weg über die Norddeutsche Tiefebene um gut 10 hPa auf.
Mit Verlagerung des Tiefs schwenkt das zugehörige okkludierende Frontensystem
ost-südostwärts über den Vorhersageraum hinweg, wodurch die präfrontalen
stratiformen Schneefälle mehr und mehr in den äußersten Norden und Nordosten
gedrückt werden. Dort kommen in den nächsten Stunden noch mal 1 bis 5, lokal um
7 cm Neuschnee zusammen, der aber zusehends feuchter wird.
Ansonsten breitet sich von SW her die tagsüber schon begonnene Milderung und
damit auch Tauwetter weiter ost-nordostwärts aus. Mit Winddrehung auf SW wird
milde Atlantikluft advehiert, die die 850-hPa-Temperatur in der Südhälfte auf 0
bis +6°C, Richtung schweizer Grenze sogar auf +9°C steigen lässt. Weiter
nördlich bleibt die Luftmasse niedertroposphärisch noch leicht negativ
temperiert. Bei steigender Schneefallgrenze fallen in den Hochlagen des
Bayerischen Waldes noch einige Zentimeter Schnee, sonst sind gebietsweise noch
überwiegend schwache Niederschläge unterwegs, die meist als Regen oder
Nieselregen fallen. Allerdings halten sich im Süden und Südosten sowie im
Mittelgebirgsraum anfangs noch ein paar Kältelöcher (wo der Wind noch entkoppelt
ist und sich die Milderung schwer tut), wo die Gefahr von gefrierendem
Regen/Nieselregen mit Glatteis oder gefrierender Nässe besteht. Darüber hinaus
lockert die Wolkendecke im W und NW mitunter auf, was bei später einschlafendem
Wind einen Temperaturrückgang zur Folge hat, der streckenweise gefrierende
Nässe/Schneereste zur Folge haben kann. In der zweiten Nachthälfte nimmt die WLA
im SW merklich zu, was dort neue, skalig motivierte Niederschläge zur Folge hat,
die überwiegend als Regen fallen. Damit werden die seit gestern bis Dienstag
laufenden Dauerregen- (Saarland/Hunsrück/Pfalz) und Tauwetterwarnungen
(Schwarzwald/Oberschwaben) mit weiterem Futter gespeist, aus dem sich aber kein
neuer Handlungsbedarf ergibt.
Zweiter neuralgischer Parameter neben dem Niederschlag ist der Wind, der
zunächst noch recht flott unterwegs ist. Im Laufe der Nacht erfolgt dann mit
Ausnahme einiger Hochlagen eine deutliche Abnahme. Allerdings gilt es zunächst
noch ein regionales Windmaximum zu beobachten, das sich am unmittelbaren Südrand
des Tiefs einstellt und in den Abendstunden von Belgien her auf NRW und später
das südliche Niedersachsen übergreift. Bereits am Nachmittag konnten über dem
Westen Belgiens und Nordfrankreich schwere Sturmböen, an der See sogar Orkanböen
beobachtet werden. So können in den genannten Gebieten in der ersten Nachthälfte
zumindest Böen der Stärke 8-9 Bft, vereinzelt vielleicht auch 10 Bft (Brocken
bis 12 Bft) erwartet werden, Tendenz im Laufe der Nacht mit Tiefabschwächung
abnehmend. Vorübergehend nachlassen wird auch der schwere Sturm bzw. Orkan in
den Alpen, bevor es dort morgen wieder losgeht.

Montag ... kommen wir nicht wirklich zur Ruhe, was durch die o.e. Regenfälle im
SW schon angedeutet wird. Kaum hat sich XANTHOS aus unseren Gefilden
verabschiedet, steht bereits der nächste zyklonale Spießgeselle auf der Matte.
In den heutigen Analysen noch als Bodentrog über dem nahen Ostatlantik geführt
(südlich der tiefdruckgeprägten "Perlenkette", die sich heute Mittag von UK bis
zum Kap Farvel/Grönland erstreckte), mausert sich das Ganze bereits in der Nacht
zu einem eigenständigen Randtief (YVES), das morgen früh von der Biscaya auf
französischen Boden übertritt. In gleichem Atemzuge setzt sich die o.e.
Austrogung in der Höhe weiter fort, was bei uns ein vorderseitiges Aufsteilen
der Höhenströmung zur Folge hat. Mit der südwestlichen Höhenströmung wird Tief
YVES unter Intensivierung nordostwärts gesteuert, wo es am Nachmittag von
Belgien kommend auf NRW übergreift. Vor dort soll es dann auf geringfügig
südlicher Bahn als sein Vorgänger relativ zügig via Norddeutschland zur Ostsee
ziehen. Weite Teile des Landes gelangen in den Warmsektor des Tiefs mit
positiven 850iger-Temperaturen. Lediglich im Norden und Westen halten sich noch
Reste niedertroposphärisch kälterer Luft, was aber von nicht unerheblicher
Bedeutung heranwachsen kann.
Zunächst mal ist es so, dass sich die morgendlichen Regenfälle aus dem SW unter
Intensivierung nach Norden und Nordosten ausbreiten. Dabei geht der Regen auf
der Nordseite des stratiformen Niederschlagsgebietes in (nassen) Schnee über,
weil mit nordöstlichem Wind vorderseitig des Tiefs nicht nur
niedertroposphärisch etwas kältere Luft angezapft wird, sondern zudem durch
starke Hebungsabkühlung auch weiter unten die Temperatur sinkt. Dabei kann sich
eine Isothermie bei 0°C aufbauen, die dann kräftige Schneefälle bis in tiefe
Lagen bedingt. Das Problem dabei: das Phänomen als solches scheint unstrittig
und wird eigentlich von allen seriösen Modellen simuliert. Unklar ist aber noch
- wo genau es wie lange und wie intensiv tatsächlich schneit, was wiederum auf
leichte Unschärfen in der Geometrie und in der genauen Zugbahn des Tiefs
begründet ist. Hier simulieren die Modelle noch leicht unterschiedlich.
Hauptbetroffen dürften der Norden NRWs und die Südwesthälfte Niedersachsens
sein, wo durchaus 5 bis 10 cm Neuschnee, lokal sogar noch etwas mehr binnen
weniger Stunden zusammenkommen können. Formal könnte dabei sogar eine
Unwetterwarnung herausspringen (>10 cm/6 h), was aber noch unsicher ist. In
Verbindung mit dem etwas auffrischenden östlichen Winden sollte man auch das
Thema "Leiterseilschwingungen" auf dem Schirm haben.
Ansonsten gilt zu konstatieren, dass der meiste Regen mit 10 bis 20 mm, lokal um
25 mm im Saarland und in RP fällt, und dass die Schneefallgrenze im S und O sehr
sehr hoch, sprich weit über 1000 m liegt. Im S und SO Bayerns bleibt es trocken
(mit Auflockerungen oder sonnigen Abschnitten), was eine Folge des Südföhns in
den Alpen ist, der morgen noch mal ordentlich zulegt. Ein Drucküberschuss von
bis zu 15 hPa (Referenz Bozen-Innsbruck) ist eine echte und nicht unbedingt
alltägliche Ansage, die nicht nur auf den Bergen, sondern auch in Tälern und auf
Pässen reichlich Luftbewegung entfacht. Oder mit anderen Worten, auf exponierten
Gipfeln werden extreme Orkanböen bis in den Bereich von 170 km/h erwartet,
während in einigen Tälern (es müssen nicht nur unbedingt die üblichen
Verdächtigen wie z.B. bei Mittenwald sein) "nur" schwere Sturmböen 10 Bft,
vielleicht auch mal eine orkanartige Böe 11 Bft auftreten können. Darüber hinaus
frischt der von SO auf SW drehende Wind ab Mittag besonders im W und SW auf,
wenn das Tief im Anzug ist und der Gradient sich verschärft. Dort sind dann Böen
7-8 Bft, auf den Bergen vereinzelt 9 Bft zu erwarten. Böen 7-8 Bft, allerdings
aus Nordosten, stehen auch an der Nordsee auf der Karte. Während im Süden
stellenweise zweistellige Temperaturmaxima knapp über 10°C erreicht werden
(Oberrhein, Alpenrand), sind es im N und NW nur wenige Plusgrade über null.

In der Nacht zum Dienstag zieht das Tief wie bereits erwähnt zur Ostsee. Die
Kaltfront schwenkt von W nach O durch, wird nach Süden hin aber möglicherweise
durch eine flache Welle etwas ausgebremst. Das wird sehr wahrscheinlich aber
nichts daran ändern, dass der Föhn in den Alpen zusammenbricht. Dafür verlagert
sich ein regionales Windmaximum mit Böen 7-8 Bft im südwestlichen Schlepptau des
abziehenden Tiefs von SW über die Mitte nach NO. Zudem lässt der Wind an der
Nordsee nach, um an der Ostsee zuzulegen (7-8 Bft).
Hinter der Kaltfront respektive dem Tief gelangt nun wieder zunehmend polare
Meeresluft nach Deutschland, in der T850 auf -2 bis -7°C zurückgeht. In der
mittleren Troposphäre hinkt die Kaltluft etwas hinterher, weil der Höhentrog nur
zauderlich nachrückt. Trotzdem sinkt die Schneefallgrenze ab auf 600 bis 400 m,
im NW bleibt sie ganz unten, wobei die stratiformen Schneefälle aber mehr und
mehr Schauerform annehmen. An den Alpen geht der anfängliche Regen bis in die
höheren Täler in Schnee über, wobei es dort länger andauernd schneien kann. Das
Tauwetter im Schwarzwald und Umgebung wird beendet.

Dienstag ... bekommt der Potenzialtrog immer mehr Zugriff auf den
Vorhersageraum, was mit einer weiteren gesamttroposphärischen Abkühlung
einhergeht. In 500 hPa sinkt die Temperatur verbreitet auf unter -30°C im Norden
sogar auf unter -35°C. Hinter dem Richtung Finnland abziehenden Tief stellt sich
eine schwache bis mäßige westliche Grundströmung ein, wobei sich ein schwacher
Hochkeil bis nach Süddeutschland ausweitet.
Unter dem Strich resultiert daraus ein wechselhafter und wolkenreicher 12.
Dezember, an dem sich teils gewittrige Schnee-, Graupel- oder Regenschauer
entwickeln. Die Schneefallgrenze dürfte sich etwa bei 200 bis 400 m einpendeln,
wobei auch weiter unten - entsprechende Intensität vorausgesetzt - mal die feste
Phase im Spiel sein kann. An den Alpen schneit es längere Zeit am Stück, wobei
bis Mittwochfrüh 5 bis 15 cm, lokal 20 cm Neuschnee zusammenkommen können.
An der Ostsee treten am Vormittag noch Böen 7-8 Bft aus NW auf, ansonsten spielt
der Wind aus warntechnischer Perspektive nur eine untergeordnete Rolle. Tagsüber
werden Temperaturwerte von 2 bis 8°C, nachts von +1 bis
-4°C angesteuert, mögliche Glätte inclusive.

Mittwoch ... schwenkt der Höhentrog durch, so dass wir unter eine nordwestliche,
später westliche Höhenströmung gelangen. Bodennah dreht der Wind auf SW bis S
zurück, weil wir zunehmend auf die Vorderseite eines von Island Richtung Faröer
Inseln ziehenden Tiefs gelangen. Das zugehörige okkludierende Frontensystem
nähert sich dem europäischen Kontinent sorgt am Nachmittag in den westlichen
Landesteilen für einsetzenden Regen, im Bergland Schneefall. Bereits zuvor
frischt der Wind in der NW-Hälfte stark bis steif, an der See und in Hochlagen
auch stürmisch auf. Im Osten und Süden bleibt es trocken bei z.T. aufgelockerter
Wolkendecke und einigen Mützen Sonnenschein.


Modellvergleich und -einschätzung
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Der Generalkurs passt. Relevante Diskrepanzen betreffen vor allem den morgigen
Schneefall im W und NW, was im Text erörtert wurde. Hier muss dann spätestens
morgen früh nach der Konferenz Farbe bekannt werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann