DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-12-2017 11:00
SXEU31 DWAV 070800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 07.12.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu TrM (Trog Mitteleuropa)

Heute vielerorts windig, teils stürmisch. Kommende Nacht Kaltfrontpassage,
dahinter Zufuhr maritimer Polarluft arktischen Ursprungs mit Niederschlägen
teils bis ganz nach unten als Schnee.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland zunächst im Übergangsbereich zwischen
einem flachen, langsam ostwärts abwandernden Höhenrücken und einem ebenso
flachen Trog über Westeuropa. Damit gelangen wir zunehmend unter eine auf
Südwest rückdrehende, leicht diffluent angeordnete Höhenströmung, in der im
Tagesverlauf von Westen her leichte PVA wirksam wird.
Im Bodendruckfeld rücken wir zunehmend in den Wirkungsradius des stattlichen
Sturmtiefs WALTER, das heute früh 03 UTC mit einem Kerndruck von etwas unter 970
hPa unweit der Faröer-Inseln gesichtet wurde. Der gute WALTER wird sich noch um
rund 10 hPa vertiefen und bis zum Abend das Seegebiet knapp westlich von Kap
Svinöy (Norwegen) erreichen. Auf seiner Rückseite wird straight ahead maritime
Polarluft arktischen Ursprungs in die Rückseite des o.e. flachen Höhentroges
gepumpt, so dass dieser der kräftigen KLA folgend beginnt sich zu intensivieren,
um letztlich zu einem auch für unser Wetter bedeutenden LW-Trog anzuwachsen.
Seine Vorderseite wird markiert durch eine gut ausgeprägte, in einem wunderbar
gezeichneten Bodentrog liegende Kaltfront, die sich in den nächsten Stunden
aufmacht, via Nordsee und Benelux auf Deutschland zuzusteuern. Der "Zugriff"
dürfte am späten Nachmittag/frühen Abend erfolgen.
Bevor es soweit ist, dürfen sich große Teile des Landes nach dem verbreitet
grauen Nikolaustag gestern über einen relativ freundlichen Donnerstag freuen. So
wird in der präfrontal auf Süd bis Südwest rückdrehenden Strömung nicht nur
(niedertroposphärisch) milde (T850 um +4°C), sondern auch etwas trockenere Luft
advehiert. Hinzu kommt ein zumindest in Teilen merklich auffrischender Wind, der
ebenfalls mithilft, die anfangs vielfach noch vorhandene, teils hochnebelartige
tiefe Bewölkung zu tilgen. Bereits jetzt haben sich im Süden und in der Mitte
schon größere Lücken in die Wolkendecke gebohrt, die im Laufe des Tages aber
noch größer werden. Besonders der Süden und Osten sowie über weite Strecken auch
die Mitte werden davon in Form mehrerer Sonnenstunden profitieren. Mit Ausnahme
einiger windresistenter Tal-, Mulden- und Senkenlagen Süd- und
Mitteldeutschlands steigt die Temperatur auf 6 bis 10°C, mit Leeunterstützung
punktuell und vielleicht auch mal auf 11°C.
Kälter wird es im Westen und Nordwesten auch nicht, allerdings wird man dort
früher Bekanntschaft mit mehrschichtiger Bewölkung machen, die im Vorfeld der
Front sukzessive immer mehr Platz einnehmen wird. Bereits aktuell sind im NW
erste hohe und mittelhohe Wolken zu erkennen, die aber noch nicht unmittelbar
zur Kaltfront gehören, sondern eher der gestern noch analysierten, mittlerweile
aber schwer zu findenden Vorläuferokklusion zuzuordnen sind. Diese Wolken können
schon gegen Mittag erste Schauer zwischen Niederrhein und SH bringen, bevor im
Laufe des Nachmittags der eigentliche frontale Regen einsetzt.
Warnperspektivisch steht heute eindeutig der S-SW-Wind ganz oben auf der Liste,
der sich heute bevorzugt im Westen und Nordwesten, im erweiterten Küstenbereich
sowie im zentralen Mittelgebirgsraum nachhaltig bemerkbar macht. In Zahlen
ausgedrückt bedeutet das in Böen Stärke 7 bis 8 Bft (die 8 Bft häufig in
Leegebieten), an der See und in Hochlagen 8-9 Bft, exponiert (Nordsee, einige
Kammlagen) 10 Bft, auf dem Brocken bis 12 Bft (Orkanstärke). Mit Übergreifen der
Kaltfront (und entsprechend zunehmender Labilität) sind im nordwestdeutschen
Binnenland ebenfalls 8er-Böen, vielleicht sogar mal eine 9er-Böe möglich
(Low-Level-Maximum mit bis zu 55 Kt in 925 hPa und rund 60 Kt in 850 hPa).

In der Nacht zum Freitag schwenkt die Kaltfront mit dem zugehörigen Regengebiet
südostwärts, wird die Alpen und das gesamte Oberbayern wohl aber erst im Laufe
des morgigen Vormittags erreichen. Rückseitig gelangt ein Schwall maritimer
Polarluft in den Vorhersageraum, in der es in 850 hPa auf bis zu -6°C im Westen
abkühlt. Entsprechend sinkt die Schneefallgrenze mit Ausnahme des Südostens auf
800 bis 400 m ab, im Westen und Nordwesten sogar noch darunter ab. Allerdings
wird zunächst nicht allzu viel Schnee fallen, weil die frontalen Niederschläge,
die sich in den Süden und Osten verlagern, in der Regel dann aufhören, wenn die
Kaltluft einfließt. Allerdings entwickeln sich mit dem Einfließen hochreichender
Kaltluft (T500 unter -30°C) im W und NW später einzelne Schnee-, Schneeregen-
oder Graupelschauer, an der Nordsee sind kurze Kaltluftgewitter nicht
ausgeschlossen. Oberhalb etwa 400 m kann sich hier und da eine dünne Schneedecke
bilden, außerdem besteht die Gefahr gefrierender Nässe. Glatt werden kann es
übrigens auch im Süden, wenn nämlich der Regen in die dort noch liegende
Frostluft fällt (präfrontales Aufklaren sorgt dort noch mal für einen
Temperaturrückgang in den negativen Bereich). Gefährdet aus jetziger Sicht
scheinen diesbezüglich vor allem die Regionen von Oberschwaben über das
nördliche Alpenvorland bis hinüber zur Oberpfalz zu sein, wenn nicht vorher
schon der auflebende Wind (der aber in den Senken nicht überall sofort greift)
und Gegenstrahlung die Temperatur in den positiven Bereich gebracht haben.
Aufgrund der geringen Frosteindringtiefe ist eine nachhaltige oder gar
unwetterartige Glatteissituation nicht zu erwarten.
Der etwas rechtdrehende Wind lässt postfrontal relativ zügig nach, was zunächst
im Westen und Norden, später auch in der Mitte der Fall sein wird. Einzig an der
Küste treten noch Böen 7-8 Bft aus SW bis W auf, auf dem Brocken bis 10 Bft. Im
Süden hingegen frischt der Wind mit Annäherung bzw. Passage der Kaltfront auf
mit Böen 7-8 Bft (Leitplankeneffekt im Alpenvorland), im Bergland je nach
Exposition bis zu 11 Bft.

Freitag... zieht Sturmtief WALTER in Richtung Haltenbank, wobei es sich nur
langsam beginnt aufzufüllen. So verbleibt der Kerndruck noch recht lange im
Bereich von 965 hPa, während sich über dem nahen Ostatlantik eine meridionale,
vom Seegebiet nahe der Azoren bis nach Ostgrönland reichende Hochdruckzone mit
über 1030 hPa aufbaut. Dazwischen baut sich ein knackiger nördlicher Fetch auf,
der auf kurzem Weg hochreichend maritime Polarluft arktischen Ursprungs bis nach
Mitteleuropa respektive Deutschland steuert. Dabei kommt es zu einer
gesamttroposphärischen Abkühlung mit 850-hPa-Temperaturen von -5 bis -8°C und
500-hPa-Temperaturen bis nahe -40°C!
Im Süden erreicht die Kaltfront noch im Laufe des Vormittags die Alpen, die sie
aufgrund der Orografie sowie einer über Oberitalien einsetzenden Zyklogenese
aber nur recht schleppend überqueren wird. Das ändert aber nichts an der
Tatsache dass bis zum Mittagessen auch am Alpenrand negative
850-hPa-Temperaturen zu verzeichnen sind, so dass nun ganz Deutschland mit
Polarluft geflutet ist. Unter dem Strich resultiert daraus ein wechselhafter,
vielfach nasskalter und windiger Freitag, an dem es wiederholt zu Schauern
kommt. Diese fallen oberhalb 200-300 m durchweg als Schnee (an den Alpen sinkt
die Schneefallgrenze im Laufe des Vormittags bis in die Täler), darunter je nach
Intensität als Schnee, Schneeregen, Graupel oder Regen, teilweise begleitet von
einem kurzen Graupelgewitter. Oberhalb rund 400 m kommen bis Samstagfrüh 1 bis 5
cm, in Staulagen bis zu 10 cm, an den Alpen je nach Exposition 10 bis 20 cm
Neuschnee zusammen (im Allgäu können auch ein paar Zentimeter mehr sein). Weiter
unten wird es zumindest tagsüber kaum für eine Schneedecke reichen, weil die
Durchmischung gut funktioniert und es deshalb zu mild ist (Maxima 5 bis 8°C),
auch wenn es in den Schauern selbst freilich vorübergehend abkühlt.
Weiterhin im Fokus bleibt der Wind, der - aus westlichen Richtungen kommend -
bei der konvektiv geprägten Wetterlage mitunter stark böig auffrischt. Dabei
muss zunächst in der Mitte und im Süden, später auch wieder im Norden sowie
grundsätzlich bei kräftigen Schauern mit Böen 7 Bft, im Bergland 8-9 Bft,
exponiert sogar 10 bis 11 Bft gerechnet werden. Stürmisch mit Böen 8 Bft, an der
Nordsee exponiert bis 9 Bft, geht es weiterhin auch an der Küste zu.

In der Nacht zum Samstag versucht Sturmtief WALTER auf das norwegische Festland
überzutreten, was ihm wohl aber nicht gelingen wird. Erfolgreicher wird wohl
seine Mission sein, über Südschweden einen zweiten Kern ausbilden. Davon
ausgehend nähert sich ein Bodentrog dem Küstenraum, wo es zu weiteren, teils
kräftigen und gewittrigen Regen-, Schnee- oder Graupelschauern kommt. Außerdem
bleibt es im äußersten Norden windig mit Böen 7 Bft im Binnenland und 8-9 Bft an
der See und auf den Inseln.
Im großen Rest des Landes lässt der Wind mit Ausnahme exponierter Hochlagen
nach, und auch die Schauertätigkeit wird tageszeitbedingt merklich gebremst,
auch wenn sie nicht ganz zum Erliegen kommt. Dort, wo noch Schauer auftreten,
fällt Schnee, auch im Flachland, so dass es hier und da glatt werden kann, wenn
z.T. auch nur durch etwas Matsch. Aber auch dort, wo es niederschlagsfrei
bleibt, besteht Glättegefahr, weil die Temperatur verbreitet in den leichten
Frostbereich zurückgeht (südliches Bergland über Schnee im Falle östlichen
Aufklarens mäßiger bis strenger Frost) und Restnässe vom Tag/Abend gefrieren
kann.

Samstag... steht nicht nur im Zeichen des 15. Spieltags der im internationalen
Vergleich schwachen Fußballbundesliga (das musste jetzt mal raus), sondern und
vor allem des mittlerweile über Mitteleuropa angekommenen, mit reichloch
Höhenkaltluft vollgepumpten LW-Troges (T850 -5 bis -10°C, T500 knapp unter
-35°C). Während es den südlichen Kern von Doppeltief WALTER zum "Bottenbusen"
zieht, sorgt steigender Luftdruck im Süden des Landes für die Bildung eines
zonalen Hochkeils. Entsprechend fächert der Gradient dort auf, während er nach
Norden hin noch einigermaßen ausgestattet ist. So wird der westliche Wind
besonders nördlich der zentralen Mittelgebirgsschwelle sowie gebietsweise in der
Mitte spürbar sein mit Böen 7 Bft, an der Küste 8 Bft, vereinzelt 9 Bft.
Stürmisch bleibt es auch in exponierten Kamm- und Gipfellagen des Berglands, auf
dem Brocken schwere Sturmböen 10 Bft.
Ansonsten stehen bei wechselnder bis starker Bewölkung teils gewittrige Schnee-
oder Graupelschauer auf der Karte, wobei im Norden bei guter Durchmischung auch
mal die flüssige oder Mischphase im Spiel sein kann. Der Neuschneezuwachs ist
insgesamt gering, so dass teilweise mit einer Glättewarnung agiert werden kann.
Lediglich an den Alpen, wo die Frequentierung der Schneeschauer höher ist,
können um 5 cm bis zum Abend zusammenkommen.

In der Nacht zum Sonntag tritt verbreitet Frost auf (Teile Norddeutschlands
ausgenommen), im Süden teils mäßig oder punktuell auch streng (Schneeflächen
plus längeres Aufklaren).

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Umstellung der Wetterlage ist trotz bevorstehender Nasskälte in trockenen
Tüchern. Dass es dabei im Detail noch Unschärfen gibt, ist normal und wurde im
Text sowie in der morgendlichen Konferenz hinreichend diskutiert. Antworten
(z.B. den gefrierenden Regen im Süden betreffend oder auch das Auftreten von
Kaltluftgewittern) können häufig erst kurzfristig gegeben werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann