DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-12-2017 09:00
SXEU31 DWAV 060800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 06.12.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWa (Nordwest antizyklonal), danach Übergang zu TrM (Trog Mitteleuropa)

Heute im Nordosten, morgen auch im Westen windig. Von Donnerstag zu Freitag
Durchgang einer Kaltfront und nachfolgend Zufuhr hochreichender Kaltluft.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... gelangt Deutschland endgültig unter einen breiten, aber nur mit
flacher Amplitude ausgestatteten Höhenrücken, der sich von Westen her langsam
ostwärts vorarbeitet. Der Rücken stützt eine umfangreiche Bodenhochdruckzone,
die sich vom Seegebiet westlich der Iberischen Halbinsel bis zum Balkan
erstreckt und ihre über die Alpen hinweg bis nach Süddeutschland erstreckt. Dort
macht sich Absinken bemerkbar, so dass - nach z.T. etwas holpriger Auflösung von
Nebel oder Hochnebel - sich häufiger die Sonne zeigt und einen Ausflug in die
vom Wochenanfang frisch verschneiten Berge erstrebenswert macht.

Weiter nördlich dürfte sich der Drang zu einem naturbezogenen Ausflug in Grenzen
halten, auch wenn ein solcher sicherlich auch seine Reize hätte. Atmosphärisch
gestaltet sich die Angelegenheit aber so, dass zwischen dem Hoch im Süden und
allgemein tiefem Luftdruck über dem Nordostatlantik bzw. dem Nordmeer sich ein
leidlicher, antizyklonal konturierter Gradient aufgebaut hat. Er sorgt für
mäßigen bis frischen Wind aus westlichen Richtungen, mit dem feucht-milde ergo
wolkenreiche Nordseeluft in große Teile des Vorhersageraums gelangt. In 850 hPa
steigt die Temperatur (bzw. ist teilweise schon gestiegen) auf leichte
Plusgrade, lokal bis zu 6°C. Das bleibt bei guter Durchmischung natürlich nicht
ohne Folgen für die 2m-Temperatur, die vielerorts auf 7 bis 10°C ansteigt. Im
gradientschwachen Süden dagegen reicht es trotz Sonne insgesamt nur für 0 bis
6°C (0°C bei zähem Nebel/Hochnebel).

Zurück noch mal in die Mitte und den Norden, wo Aufhellungen oder gar
Auflockerungen heute Seltenheitswert haben, dafür aber die Hochlagen der
Mittelgebirge häufig in Wolken liegen. Zudem fällt vor allem am Vormittag im
Nordosten noch etwas Nieselregen. In den östlichen Mittelgebirgen, wo die
Temperatur im negativen Bereich liegt, ist vereinzelt etwas gefrierender
Nieselregen oder gefrierendes Nebelnässen möglich.

Warntechnisch steht aber eindeutig der Wind im Blickpunkt des Geschehens, der
besonders im Osten und Nordosten soweit auffrischt, dass die untere Warnschwelle
7 Bft erreicht wird. An der Küste und in den Hochlagen (außer Südwesten) stehen
Böen 8-9 Bft auf der Karte, auf dem Brocken und dem Fichtelberg reicht es sogar
für schwere Sturmböen 10 Bft. Zum Abend hin nimmt der Wind im Binnenland
allmählich ab.

In der Nacht zum Donnerstag wandert die Achse des Rückens langsam über
Deutschland hinweg nach Osten und auch der Schwerpunkt der umfangreichen
Bodenhochdruckzone tendiert langsam ostwärts. Gleichwohl bleibt die Nacht bei
uns noch weitgehend antizyklonal geprägt, was besonders im Süden vermehrt zu
Wolkenauflockerungen respektive -auflösung führt. Entsprechend sinkt dort (grob
südlich einer Linie Saarland-Erzgebirge) die Temperatur verbreitet in den
leichten Frostbereich. An den Alpen ist stellenweise auch mäßiger Frost,
vereinzelt über Schnee sogar strenger Frost zu erwarten.

Weiter nördlich bekommt die Wolkendecke zwar auch ein paar Lücken, für Frost
wird es wahrscheinlich aber nicht oder nur im Bergland reichen. Während der Wind
an der Ostsee vorübergehend etwas abnimmt, frischt er an der Nordsee mit
Rückdrehung auf Südwest bis Süd merklich auf. Dort sind am Morgen Böen 8 Bft, an
der nordfriesischen Küste bis 9 Bft, auf freier See sogar bis 10 Bft zu
erwarten. Auch im nordwestdeutschen Binnenland sowie ganz im Westen NRWs (z.B.
im Aachener Raum) treten erste 7er-Böen, vereinzelt vielleicht sogar 8er-Böen
(im Lee von Eifel und Hohem Venn) auf.

Donnerstag... stehen wir vor einer erneuten signifikanten Umstellung der
Wetterlage. In den Fokus des weiteren Geschehens rückt das Sturm- respektive
Orkantief WALTER, das bereits schon heute Mittag mit doppeltem Kern über dem
nahen Ostatlantik nordwestlich von UK/Irland Stellung bezieht. Während der
südwestliche Kern in einen Bodentrog übergeht, mutiert das nordöstliche Minimum
zum eigentlichen Drehzentrum. Es soll morgen Mittag mit einem Kerndruck von
etwas unter 965 hPa das Seegebiet Viking westlich Südnorwegens erreichen. Auf
seiner Rückseite wird auf direktem Weg maritime Polarluft arktischen Ursprungs
südwärts gesteuert, was über dem nahen Ostatlantik zur Ausbildung eines
veritablen Höhentroges führt. Dessen unmittelbare Vorderseite wird von einer
Kaltfront markiert, die um 12 UTC über dem Ärmelkanal bzw. der Nordsee liegen
soll, von wo aus sie allegro ma non troppo auf Deutschland zusteuert.

Bevor es aber soweit ist, profitieren weite Teile des Landes von der
präfrontalen Windauffrischung, die sozusagen abtrocknenden und reinigenden
Charakter zugleich hat und somit die anfangs vielerorts noch vorhandene tiefe
Bewölkung (bzw. Hochnebel/Nebel) wegräumt. Besonders der Süden (an den Alpen
leichte Föhntendenz), der Osten und die Mitte werden diesen Effekt spüren, indem
dort für längere Zeit die Sonne scheint und bei 850-hPa-Temperaturen von 3 bis
6°C auf irdischem Niveau 6 bis 10°C, in begünstigten Leegebieten vielleicht
sogar 11°C erreicht werden. Nur in einigen Senken und Tallagen Süddeutschlands,
wo der "Mixer" nicht so richtig greift, bleibt es etwas frischer.

Im Westen und Nordwesten, wo es anfangs auch noch Auflockerungen und etwas
Sonnenschein gibt, ist der Spaß dann aber alsbald vorbei, weil dynamische (WLA
plus etwas PVA in der leicht diffluenten, auf SW rückdrehenden Höhenströmung)
und zunehmend auch frontale Hebungsprozesse erst die Bewölkung immer dichter
werden lassen und am Nachmittag dann auch Regen bringen, der sich rasch
verstärkt und bis zum Abend etwa eine Linie Mecklenburg-Harz-Südpfalz erreicht.

Der Süd- bis Südwestwind frischt insbesondere im Westen und Nordwesten, im
gesamten Küstenbereich und im Mittelgebirgsraum merklich auf, während er sich im
Süden mit Ausnahme einiger Hochlagen noch vornehm zurückhält. Auf dem
Erwartungsbogen stehen Böen 7 Bft, im Lee der Mittelgebirge häufig auch 8 Bft,
an der See und in Hochlagen 8-9 Bft, exponiert (Nordsee, einige Kammlagen) 10
Bft, Brocken bis 12 Bft (Orkanstärke). Mit Übergreifen der Kaltfront auf den
Nordwesten am späten Nachmittag/frühen Abend sind auch dort 8er-, vielleicht
sogar vereinzelte 9er-Böen zu erwarten (925 hPa bis 50 Kt, 850 hPa um 55 Kt).

In der Nacht zum Freitag schwenkt die Kaltfront südostwärts und erreicht in den
Frühstunden den Süden des Landes, wo sie aber durch eine von Frankreich kommende
flache Welle ausgebremst wird, so dass die Alpen und das südöstliche Bayern
zunächst noch präfrontal verbleiben. Rückseitig gelangt ein frischer Schwall
polarer Meeresluft in weite Teile des Vorhersageraums, in der es in 850 hPa auf
bis zu -5°C abkühlt. Entsprechend sinkt die Schneefallgrenze auf 800 bis 400 m
ab, im Westen und Nordwesten sogar noch darunter ab. Allerdings wird zunächst
nicht allzu viel Schnee fallen, weil die frontalen Niederschläge, die sich in
den Süden und Osten verlagern, in der Regel dann aufhören, wenn die Kaltluft
einfließt. Einzig auf der kalten Seite der flachen Welle - bei ICON wäre das
Nordbayern - könnte es im Bergland in den Frühstunden etwas stärker schneien.
Ansonsten fallen rückseitig nur einzelne Schnee- oder Graupelschauer, an der
Nordsee sind kurze Kaltluftgewitter nicht ausgeschlossen. Unsicher ist derzeit
noch, ob es im Süden und Osten Bayerns, wo die Temperatur zuvor in den
Frostbereich sinkt, evtl. irgendwo mal gefrierender Regen auftritt wie von
einigen Modellen zaghaft angedeutet.

Der Wind lässt postfrontal relativ zügig nach, was zunächst im Westen und
Norden, später auch in der Mitte der Fall sein wird. Einzig an der Küste treten
noch Böen 7-8 Bft aus SW bis W auf, auf dem Brocken bis 10 Bft. Im Süden
hingegen frischt der Wind mit Annäherung bzw. Passage der Kaltfront auf mit Böen
7-8 Bft, im Bergland je nach Exposition bis zu 11 Bft.

Freitag... passiert Sturmtief WALTER Kap Svinöy mit Kurs Richtung Haltenbank.
Dabei verbleibt sein Kerndruck im Bereich 965 hPa, während sich über dem nahen
Ostatlantik eine meridionale Hochdruckzone mit über 1030 hPa aufbaut. Unter dem
Strich resultiert daraus ein knackiger nördlicher Fetch, der auf kurzem Weg
hochreichend maritime Polarluft arktischen Ursprungs bis nach Mitteleuropa
respektive Deutschland steuert. Dabei geht nicht nur die 850-hPa-Temperatur
deutlich zurück auf -4 bis -8°C, auch in höheren Luftschichten kühlt es mit
Übergriff des sich weiter intensivierenden Potenzialtrogs merklich ab auf
deutlich unter -30°C in 500 hPa. Zum Abend hin ist man im Westen sogar nicht
mehr weit von der -40°C-Isotherme entfernt.

Im Süden erreicht die Kaltfront die Alpen, wo sie abermals abgebremst wird, z.T.
durch die Orografie, teils aber auch durch eine über Oberitalien einsetzende
Zyklogenese. Wie auch immer, Fakt ist, dass uns WALTER einen wechselhaften und
windigen Freitag beschert, an dem es wiederholt zu Schauern kommt. Diese fallen
oberhalb 200-300 m durchweg als Schnee (an den Alpen sinkt die Schneefallgrenze
spätestens am Nachmittag bis in die Täler), darunter je nach Intensität als
Schnee, Schneeregen, Graupel oder Regen. Oberhalb rund 400 m kommen bis
Samstagfrüh 1 bis 5 cm, in Staulagen bis zu 10 cm, an den Alpen punktuell um 15
cm Neuschnee zusammen. Weiter unten wird es zumindest tagsüber kaum für eine
Schneedecke reichen, weil die Durchmischung gut funktioniert und es deshalb zu
mild ist (Maxima 5 bis 8°C). In den Schauern kühlt es freilich vorübergehend ab
und zudem kann das Ganze - wie es sich für richtige Höhenkaltluft gehört - von
kurzen Gewittern begleitet sein.

Thema bleibt auch der Wind, der bei der konvektiv geprägten Wetterlage mitunter
stark böig auffrischt und dabei aus westlichen Richtungen kommt. Dabei muss in
der Mitte und im Süden mit Böen 7 Bft, im Bergland 8-9 Bft, exponiert sogar 10
bis 11 Bft gerechnet werden. Stürmisch mit 8 bis 9 Bft geht es auch an der
Waterkant zu, während das norddeutsche Binnenland von der Numerik eher zaghaft
bedacht wird mit warnwürdigen Böen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die anstehende Umstellung der Wetterlage wird von allen einschlägigen Modellen
seit Tagen gerechnet und kann somit als unstrittig angesehen werden. Dass einige
Detailfragen noch nicht ausreichend zufriedenstellend beantwortet werden können,
ist nicht ungewöhnlich und wurde im Text auch angerissen. Insgesamt ist die
Kongruenz der Basisfelder aber sehr gut.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann