DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-12-2017 21:00
SXEU31 DWAV 021800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 02.12.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Von Nordwesten her Schnee bis in tiefe Lagen (zum Glück morgen kein
Berufsverkehr sondern 1. Advent, wo der Schneefall von vielen sehr
wahrscheinlich gütig toleriert wird).
Ab Wochenanfang milder, im Bergland aber weitere Schneefälle.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland am Rande einer hochreichenden Antizyklone
mit Zentrum knapp westlich von Irland. Von ihr aus erstreckt sich ein
Potenzialkeil über die Nordsee hinweg bis hinüber zum Baltikum. Südöstlich des
Keils befindet sich ein kleines, nahezu stationäres Höhentief im Bereich der
deutsch-polnischen Grenze, dessen Wetterwirksamkeit aber nahe null liegt. So
richtet sich unser Blick auf den Potenzialkeil, der scheinbare Ruhe suggeriert,
sich im Grunde aber als Wolf im Schafspelz gibt. Oder mit anderen Worten, der
Keil wird massiv von WLA überlaufen, die sich von der Nordsee stetig südostwärts
vorarbeitet und am frühen Morgen auch den süddeutschen Raum erfasst. Die WLA
generiert nicht nur großräumige Hebung sondern kündigt gleichzeitig die
Annäherung einer Warmfront an, die sich ebenfalls von der Nordsee her nähert.
Sie gehört einem Frontensystem an, das wiederum Bestandteil eines Tiefs über der
Norwegischen See, das sich im Laufe der Nacht aber allmählich auf das
norwegische Festland wagt.
Wie auch immer, Fakt ist, dass sich von Nordwesten her stratiforme Niederschläge
südostwärts ausbreiten und bis morgen früh etwa eine gebogene Linie erreichen,
die von der Eifel über das Nordhessische Bergland und den Harz bis nach
Mecklenburg verläuft. Der Niederschlag fällt verbreitet als Schnee, lediglich im
NW - grob vom nördlichen SH über Ostfriesland, das Teufelsmoor und das
Oldenburger Münsterland bis hinüber zum Emsland - fängt es sofort an zu regnen
oder der anfängliche Schneefall geht alsbald in Regen über. Der Übergang in den
flüssigen Aggregatszustand wird nicht nur durch die andauernde WLA (Anstieg von
T850 auf rund -1°C), sondern auch durch die zunehmende Durchmischung im Zuge des
vor der Warmfront etwas auflebenden Süd-Südwestwindes begünstigt. Auf der
anderen Seite sorgt insbesondere die Durchmischung für eine nur sehr gering
ausgeprägte Glatteisgefahr (gefrierender Regen), auch wenn sich unterhalb von
850 hPa tatsächlich eine sogenannte "warme Nase" ausgebildet hat (siehe z.B.
Mittagsaufstieg von Norderney). Auch die Tatsache, dass die Böden noch nicht
wirklich durchgefroren sind (nur knapp unterhalb der Oberfläche stellenweise
etwas unter 0°C), wirkt sich eher kontraproduktiv auf mögliches Glatteis aus.
Allerdings sollte man auf dem Schirm haben, dass bereits vor dem eigentlichen
frontalen Niederschlag es durch leichtes Anheben der Hochnebeldecke zu freezing
drizzle und entsprechender Glätte kommen kann. Abgesehen von der wenig
wahrscheinlichen Glatteisthematik kann es natürlich trotzdem kurzzeitig mal
glatt werden durch etwas Schneematsch und dort, wo nur Schnee fällt (meist 1-5
cm, Weserbergland und Teutoburger Wald etwas darüber, bis Sonntagfrüh bei 0°C
oder leichtem Frost), freilich auch durch den Schnee selbst.
Zurück noch mal kurz zum Thema Wind, der zunächst an der Nordsee, später auch an
der Ostsee, vorübergehend soweit aufbrist, dass die untere Warnschwelle 7 Bft
erreicht bzw. knapp überschritten wird. Exponiert ist dann auch mal eine 8er-Böe
drin.
Tja, und dann wäre da noch der große Rest des Landes, der zunächst noch von
leichtem Zwischenhocheinfluss geprägt ist und in dem niederschlagsmäßig noch
nichts passiert. Dort bildet sich gebietsweise Nebel und die Temperatur geht -
so nicht schon geschehen (heute vielerorts ein Eistag) - on den leichten bis
mäßigen Frostbereich zurück. In prädestinierten Tal- und Muldenlagen
Süddeutschlands ist bei Aufklaren sogar strenger Frost unter -10°C
wahrscheinlich. Hier und da besteht Glättegefahr durch gefrierende Nässe (z.B.
durch gefrierendes Schmelzwasser) oder Nebelnässen, in klaren Gebieten auch
durch Reif.

Sonntag ... kommt das ganze Frontensystem unter fortschreitendem
Okklusionsprozess süd-südostwärts voran. Antreibende Mechanismen sind ein sich
nach Süden ausweitender Bodentrog (geht vom o.e. Tief über Norwegen aus) sowie
ein von Norwegen sich bis zur Ostsee ausweitender Höhentrog. Damit verlagert
sich auch der skalige Schneefall (Hauptantriebe weiterhin WLA und frontale
Prozesse) über die mittleren Landesteile hinweg bis in den Süden des Landes,
wobei das aber nur die halbe Wahrheit ist. So verbleiben Teile Süd- und
Mitteldeutschlands auch morgen noch unter leichtem Hochdruckeinfluss (schwacher
Keil des Ostatlantikhochs), zumindest von Ober- über Niederbayern und die
Oberpfalz bis hoch zur Lausitz bleibt es bis zum Abend noch weitgehend
niederschlagsfrei (nach ICON auch noch Teile Schwabens und Südbadens) mit
einigen Wolkenauflockerungen.
Ansonsten fallen im Tagesverlauf in tieferen Lagen 1 bis 5 cm, in den
betroffenen Mittelgebirgen lokal bis 10 cm, in Staulagen der westlichen und
zentralen Mittelgebirge durchaus 10 bis 15 cm Neuschnee. Im Westen und Norden
steigt die Schneefallgrenze auf 600 bis 800 m, auch wenn der Einschub
niedertroposphärisch milderer Luft (um -1°C in 850 hPa) durch den
Okklusionsprozess zunehmend unterbunden respektive getilgt wird. Darüber hinaus
hören die Niederschläge postfrontal von Nordwesten her ohnehin auf. Ob es in den
westlichen und nördlichen Mittelgebirgen tatsächlich auch zu gefrierendem Regen
reicht, wie in einigen Modellinterpretationen signalisiert, ist fraglich.
Möglicherweise halten sich ein paar Kältelöcher, über denen der Schnee in Regen
übergeht, aber eine wirkliche Glatteislage im klassischen Sinne zeichnet sich
nicht ab.
Ansonsten gilt noch zu konstatieren, dass der Wind an der Küste von West nach
Ost vorübergehend abnimmt, bevor er mit Drehung auf Nordwest an der Nordsee
wieder zulegt (Stärke 7 Bft, vereinzelt 8 Bft). Die Temperatur verharrt im Süden
und Südosten mit Ausnahme des Oberrheingrabens um oder sogar unter dem
Gefrierpunkt, während vom Niederrhein bis nach Schleswig-Holstein ein Anstieg
auf 6 bis 8°C auf der Karte steht.

In der Nacht zum Montag erreichen die Schneefälle nun auch die Teile
Süddeutschlands und der östlichen Mitte, die tagsüber noch verschont wurden.
Dabei kommen 1 bis 5, in Staulagen bis zu 10 cm Neuschnee zusammen. In der
östlichen Mitte allerdings geht der Schneefall teilweise in Regen oder
Schneeregen über, wobei letzterer in der Regel nur übergangsweise auftritt. Nach
Norden und Westen hin fällt nur hier und da etwas Regen, im Bergland Schnee ohne
nennenswerten Neuschneezuwachs. Dort bleibt es im Großen und Ganzen auch
(luft)frostfrei (trotzdem stellenweise Glätte durch gefrierende Nässe), während
sonst leichter, an den Alpen auch mäßiger Frost zu erwarten ist.
Der Nordwestwind weht an der Nordsee in Böen steif bis stürmisch, während an der
Ostsee nur wenige 7er-Böen zutage treten. Stürmisch wird es auch in exponierten
Kamm- und Gipfellagen einiger Mittelgebirge und der Alpen.

Montag ... verlagert sich der o.e. Höhentrog unter andauernder Amplifizierung
langsam ostwärts, wodurch Deutschland auf seine Rückseite unter eine
indifferente bis leicht antizyklonal konturierte nordwestliche Höhenströmung
gelangt. Da im Bodendruckfeld das Hoch über dem nahen Ostatlantik trotz leichter
Abschwächung kaum Veränderungstendenzen verlauten lässt und der Luftdruck über
Nordeuropa vergleichsweise niedrig bleibt, stellt sich auch bodennah eine
geostrophische Nordwestströmung ein, mit der gemäßigte und durch die Nordsee
leicht erwärmte Meereskaltluft in weite Teile des Landes gesteuert wird (T850
etwa -1 bis -4°C). Einzig im äußersten Osten und Nordosten bleibt es
niedertroposphärisch noch etwas kälter (um -5°C). Ob sich diese Luftmassen
tatsächlich durch eine Front abgrenzen lassen, wie z.B. heute früh in der
Vorhersagekarte T+60h, bleibt abzuwarten. In der aktuellen Fassung T+48h wurde
darauf verzichtet, stattdessen deutet sich von der Nordsee die Annäherung einer
neuen Warmfront an.
Tatsache ist, dass es in einem sich von der Nordsee süd-südostwärts
erstreckenden und nach Süden hin immer breiter werdenden Streifen zu weiteren
Niederschlägen kommt, die im Wesentlichen von WLA getriggert werden und oberhalb
etwa 400 bis 700 m (noch etwas unsicher, u.a. auch abhängig von der Intensität)
als Schnee fallen. Unter Berücksichtigung auch in der Folgenacht noch fallender
Niederschläge können im Stau des Harzes, des Erzgebirges, des Bayerischen Waldes
und dem östlichen Alpenrand 10 bis 20 cm, örtlich um 25 cm Neuschnee
zusammenkommen. In den übrigen Mittelgebirgen sowie am westlichen Alpenrand
liegen die Neuschneemengen meist darunter.
Ein Niederschlagsminimum zeichnet sich im äußersten Westen und Südwesten sowie
im Nordosten ab, wo durch orografische Abtrocknungseffekte ("Norwegenföhn")
sogar die Sonne ein paar Auftrittschancen erhält. Die Temperatur steigt tagsüber
im W und N auf 5 bis 9°C, sonst auf 0 bis 5°C (im höheren Bergland leichter
Frost). In der Nacht zum Dienstag zieht sich die Frostgrenze mehr und mehr in
den äußersten S und SO und dort vor allem ins Bergland zurück. Allerdings kann
es auch im Nordosten punktuell leichten Luft- oder zumindest Bodenfrost geben.
Der West- bis Nordwestwind frischt an der See und in höheren Lagen böig auf mit
Spitzen 7-8 Bft, Brocken und Fichtelberg vereinzelt 9-10 Bft.

Dienstag ... bleibt uns die nordwestliche Höhenströmung erhalten, wobei die WLA
zwar andauert, summa summarum aber schwächer wird. Das Hoch über Westeuropa
verlagert sein Zentrum nach Westfrankreich, von wo aus sich ein Keil bis nach
Süddeutschland erstreckt. Auf der NO-Flanke des Hochs wird weiterhin
wolkenreiche Nordseeluft in weite Teile des Landes gesteuert, in der sich die
850-hPa-Temperatur verbreitet zwischen -1 und -3°C einpendelt. Es kommt zu
weiteren, überwiegend leichten Niederschlägen, die sich mehr und mehr in den
Osten und Südosten zurückziehen. Dabei steigt die Schneefallgrenze auf 600 bis
800 m. Auch sonst setzt sich die Milderung fort, die Temperatur steigt
verbreitet auf 6 bis 10°C. Nur im S und SO bleibt es mit 1 bis 5°C frischer,
aber nicht wirklich kalt. An der Windsituation ändert sich nur wenig gegenüber
dem Vortag.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle ziehen an einem Strang, substanzielle Abweichler sind nicht
erkennbar. Dass es im Detail Unterschiede gibt, ist nicht ungewöhnlich und wurde
im Text immer mal wieder angerissen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann