Thema des Tages

15-11-2017 14:40

NUMA bald "Medicane"?

Das Wetter im westlichen und zentralen Mittelmeerraum präsentiert
sich zurzeit wahrlich turbulent. Im Einflussbereich von Tief NUMA
kommt es zu teilweise heftigen Starkniederschlägen. Betroffen ist
insbesondere ein Gebiet von Nordalgerien und Nordtunesien über
Italien bis zum Südwestbalkan.

Tief NUMA kann als klassisches Mittelmeertief bezeichnet werden, wie
es vornehmlich im Herbst und Winter auftritt. Es entstand über dem
Golf von Genua durch ein nordwestliches Umströmen sowie Überströmen
der Alpen mit Kaltluft polaren Ursprungs. Diese sog. "Genuatiefs"
gehören neben den Adria- und Balearentiefs zu den drei am häufigsten
vorkommenden Formen von Mittelmeertiefs.

NUMA ist gekoppelt an ein in der mittleren und oberen Troposphäre
(ca. 5 bis 10 km Höhe) ausgeprägtes und mit reichlich Kaltluft
angefülltes Höhentief. Mit Verlagerung des Höhentiefs "löste" sich
NUMA vom Alpenrand und zog schließlich langsam südwärts ins Seegebiet
zwischen Sizilien und Sardinien, wo es am heutigen Mittwochmorgen zu
finden ist. Typischerweise lösen sich diese Mittelmeertiefs langsam
auf, sofern sie nicht wieder von der Höhenströmung "eingefangen" und
unter Intensivierung ins östliche Mitteleuropa gesteuert werden und
dort mitunter auch für Starkniederschläge sorgen können (Stichwort
"Vb-Wetterlage", siehe DWD-Lexikon:
https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/lexikon_node.html).

Tief NUMA könnte aber einen anderen Weg einschlagen und sich zu einem
sog. "Medicane" entwickeln, eine Art Tropensturm über dem Mittelmeer.
Der Begriff "Medicane" wurde im Laufe der Achtzigerjahre des
vergangenen Jahrhunderts geprägt und ist schlussendlich eine
Kombination der Wörter "MEDIterran" und "hurriCANE".

Diese kunstvolle Wortneuschöpfung ist nicht aus der Luft gegriffen.
Denn Medicanes und Hurrikane ähneln sich tatsächlich in einigen
Gesichtspunkten. Augenscheinlich sind die Gemeinsamkeiten vor allem
beim Blick aus dem Weltraum auf die beiden Wettersysteme. So weisen
beide ein wolkenarmes "Auge" auf, das von spiralförmigen Bändern aus
Schauer- und Gewitterwolken umrundet wird. Aber es gibt auch
gravierende Unterschiede. Glücklicherweise erreichen die Medicanes
meist nur einen Durchmesser von maximal 300 km und besitzen eine
geringere Lebensdauer von ca. 48 Stunden, während Hurrikane durchaus
über 1000 km Durchmesser und eine Lebensdauer von mehreren Tagen
erreichen können. Medicanes können sich nach ihrer Formation nämlich
nicht selbst erhalten, wie es für Tropenstürme typisch wäre. Sie
benötigen einen zusätzlichen Antrieb. Dahingehend liefern die kalten
Höhentiefs "Hilfestellung", indem sie fortwährend Schauer- und
Gewitter entfachen. Der warme Kern bei Medicanes wird in der Regel
also von einem kalten Höhentief überlagert, ist damit meist nur auf
die untere Troposphäre beschränkt. Folglich sind Medicanes im
Vergleich zu Hurrikanen oder Taifunen eher "flache" und kleine
Gebilde. Auch das Auftreten der Windmaxima unterscheidet sich stark:
Während bei tropischen Wirbelstürmen die höchsten
Windgeschwindigkeiten in der Nähe des Auges in der sog. "Augenwand"
oder "Eyewall" auftreten, werden bei Medicanes diese weiter entfernt
in den spiralförmig angeordneten Gewittersystemen registriert.

Aufgrund dieser deutlichen Unterschiede, nicht zuletzt aber auch
aufgrund der völlig anders gearteten Entstehung, ist ihre Einstufung
als "tropisch", "subtropisch" oder "außertropisch" bislang noch
umstritten. Da nennenswerte "Mittelmeer-Tropenstürme" oder Medicanes
eher seltene Phänomene sind und im Schnitt nur alle paar Jahre
auftreten (z. B. im Oktober 2016: TRIXI, im November 2014: QUENDRESA,
im November 2011: ROLF), gibt es relativ wenig Daten, womit Vieles
über die Entstehung noch im Verborgenen schlummert.

Wie auch immer, NUMA soll sich auf ihrem Weg über die Nordspitze
Tunesiens hinweg in das Seegebiet zwischen Süditalien und
Griechenland laut einiger Computerberechnungen intensivieren und sich
zu einem solchen Tropensturm-ähnlichen System entwickeln. Dahingehend
bestehen aber immer noch größere Unsicherheiten. Ob NUMA tatsächlich
zu einem Medicane heranreift ? dafür benötigt es laut Definition eine
mittlere Windgeschwindigkeiten über 119 km/h ? ist also alles andere
als klar. Ein Blick auf das Satellitenbild sollte sich in den
kommenden 24 bis 48 Stunden aber lohnen.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.11.2017

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