DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-11-2017 09:00
SXEU31 DWAV 110800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 11.11.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
WZ

Verbreitet windig, speziell in exponierten Lagen. Im Norden und Osten einzelne
Gewitter, im Süden in Staulagen teils unwetterartiger Dauerregen. Am Sonntag von
Norden deutlicher Temperaturrückgang, dabei auch in höheren und mittleren Lagen
Schnee!

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... liegt Deutschland auf der Südwestseite eines Langwellentroges in 500
hPa, dessen Achse aktuell von Südschweden in Richtung Südostpolen weist. Der
Trog kommt im Laufe des Tages weiter nach Osten voran, wobei sich seine
Wellenlänge vergrößert und seine Amplitude etwas abschwächt. Damit nimmt die
Höhenströmung über dem nordöstlichen Mitteleuropa ein insgesamt gleichmäßig
antizyklonales Muster an. Dem Trog steht auf dem Atlantik ein kräftiger Rücken
gegenüber, der sich bei einer ebenfalls ostwärtigen Verlagerung am Abend von den
Azoren bis nach Neufundland erstreckt. Zwischen diesen Geopotentialmustern
herrscht über Deutschland eine nordwestliche Höhenströmung vor, in die auch ein
sich allmählich abschwächender Jet eingelagert ist, der anfangs von der Nordsee
bis in den Nordwesten, später auch bis in den Südosten ausgreift. Mit den
beschriebenen Geopotentialmustern sind im Bodendruckfeld ein kräftiger
Tiefdruckkomplex über Skandinavien mit zwei Kernen über der mittleren Nordsee
und vor der norwegischen Küste sowie ein kräftiges Hoch über dem Atlantik
verbunden. Dazwischen herrscht auch bodennah eine nordwestliche Strömung, in die
ein mehrfach wellendes Frontensystem eingelagert ist.

Die erste dieser Wellen erreicht heute im Laufe des Nachmittags den Südwesten
und Süden Deutschlands. Dabei liefert GFS die insgesamt langsamste Verlagerung
des Komplexes. Etwas schneller ist diesbezüglich EZMW, die schnellsten Lösungen
bieten ICON und LFPW an. Auch setzen ICON und LFPW die Zugbahn der Welle etwas
weiter nördlich an als EZMW oder GFS, diese Unterschiede sind aber nicht sehr
groß. In allen Fällen greift mit Annäherung der Welle kräftiger Regen auf die
Weststaulagen des Schwarzwaldes über. Hier preschen die höher aufgelösten
Modelle vor, ICON6_Nest simuliert, ebenso wie COSMO-DE von 12 bis 18 UTC über 30
mm Regen, auch EURO4 kommt in diese Niederschlagsregionen. Die globalen Modelle
simulieren die Mengen verhaltener. Von kräftigen Niederschlägen sind aber nicht
nur die (aktuell mit Warnungen belegten) Regionen des Schwarzwalds und der
Alpen, sondern auch andere Weststaulagen (u.a. Alb, Odenwald, Bayrischer Wald)
betroffen. Die Modelle deuten hier bezüglich Dauerregenwarnungen verhaltenen
Handlungsbedarf an, speziell in den westlichen der genannten Gebieten, zumal
sich rückseitig der Welle die Kaltfront etwas nach Süden schiebt, so dass von
Main und Mosel her die Niederschläge nachlassen und in der Nacht von der Saar
bis zur Oberpfalz kaum noch Regen fallen soll. Auch ist in den Gipfellagen
mitunter Schnee ein Thema.

Da die Modelle auf der Südseite der Welle einen kräftigen Gradienten simulieren,
wobei der resultierende Wind auch von der West-Ost-Verlagerung der Welle
unterstützt wird, muss von Baden bis nach Niederbayern verbreitet mit starken
Böen gerechnet werden. In den Hochlagen des Südens sind stürmische Böen oder
Sturmböen zu erwarten. Die räumliche Verteilung sehen die deutschen Modelle
ähnlich wie beispielsweise EZMW, letzteres Modell simuliert allerdings insgesamt
leicht stärkere Böen als unsere Modellkette. Wind ist auch im Norden und Osten
ein Thema, da dort der Gradient durch das kräftige Tief über Skandinavien
getriggert ist. Somit gilt auch für den Norden und Osten allgemein zumindest
anfangs die Erwartung steifer Böen, an den Küsten auch die von Sturmböen, auf
dem Brocken die von schweren Sturmböen. Da im Nordosten Höhenkaltluft mit
Temperaturen unter minus 34 Grad in Spiel ist, reicht die Labilisierung
nordöstlich der Elbe, vielleicht speziell mit diabatischer Unterstützung an den
Küsten, für ein kurzes Gewitter, dann vielleicht auch mit Sturmböen.

In der Nacht zu Sonntag zieht die Welle weiter nach Osten. Sie wird ausgangs der
Nacht schon über dem Westen der Ukraine gesehen. Von Westen nähert sich schon
die nächste Welle, deren Lage und Ausprägung nunmehr von den Modellen deutlich
unterschiedlich gesehen werden. Bezüglich des Geopotentialfeldes ist noch zu
erwähnen, dass in den Rücken des Langwellentroges ein kurzwelliger, ebenfalls
mit reichlich Höhenkaltluft gefüllter Anteil hineinläuft, der den Trog
regeneriert und ihn weiter nach Westen ausgreifen lässt als noch am Tage. Der
Gradient fächert allgemein auf, so dass Wind nur noch im äußersten Süden und an
den Küsten ein Thema sein sollt (sehen alle Modelle so). Der Niederschlag in den
Staulagen Süddeutschlands hält allerdings an.

Sonntag... stößt der kurzwellige Troganteil weiter nach Süden vor, er erreicht
bis zum Abend etwa die Seealpen. Damit ist er im Geopotentialfeld für
Deutschland eindeutig die dominierende Trogstruktur. Mit der einfließenden
Höhenkaltluft kommt es zu einer Labilisierung, so dass von Norden her Schauer,
eventuell auch kurze Gewitter, bis in den Süden ausgreifen. Das mit der
westlichen Strömung am Boden in den Süden neuerlich eine Welle geführt wird,
haben alle Modelle im Programm. Die Modellkonsistenz jedoch ist deutlich
schwächer als noch am Vortag. Zum 12-UTC-Termin simuliert EZMW, das langsamste
und mit seinem Tief am weitesten im Norden liegende Modell, ein abgeschlossenes
Tief über dem nördlichen Elsass mit einem Kerndruck von unter 998 hPa. Die
ICON-Derivate dagegen sehen zu diesem Zeitpunkt ein kleinräumiges Tief mit einem
Kerndruck von knapp unter 1004 hPa südwestlich von München, GFS simuliert ein
großräumiges, und in der Folge schwachgradientiges Tief über weiten Teilen des
Südens Deutschlands, der Kern soll nach diesem Modell über Schwaben zu finden
sein.

Diese Unterschiede lassen natürlich Raum für die Wetterentwicklung am Sonntag.
Klar ist, dass es weiterhin zu kräftigen Regenfällen kommt, etwas unklarer als
am Vortag ist, wo die Schwerpunkte liegen. Weiterhin sollte aber laut allen
Modellen der Schwarzwald betroffen sein, wobei GFS nur noch knapp über 25 m in
12 Stunden simuliert, stattdessen aber deutlich kräftigere Schwerpunkte im
Allgäu und über Westfrankreich simuliert. Die (sehr) kräftigen Regenfälle im
Allgäu sieht auch ICON (über 50 mm in 12 Stunden), EZMW dagegen simuliert im
Allgäu nur 14 mm in 12 Stunden. Einen anderen Weg geht EURO4, das nicht nur sehr
kräftigen Regen im Schwarzwald und im Elsass, sondern auch auf einer Linie von
Südhessen bis nach Luxemburg vorschlägt. Letzterer dürfte an die rückseitig der
Welle von Nord nach Süd durchziehende Kaltfront gekoppelt sein, was die anderen
Modelle viel verhaltener prognostizieren. Lage, Stärke und Geschwindigkeit der
Welle steuern natürlich entscheidend die am Sonntag von Norden her in die Mitte
und in den Süden einfließende Kaltluft. Da damit auch ein Übergang von Regen in
Schnee, zumindest im Hoch- und höheren Lagen verbunden ist, entziehen sich auch
diese Prozesse aktuell noch einer präzisen Prognose. Exemplarisch sei hier die
ICON-Lösung präsentiert, nach der die Schneefallgrenze im äußersten Süden bis
zum Mittag um 1700 Meter liegt. Zur Abend soll sie dann zwischen Alpen und
Schwarzwald bei 1000 bis 500 m liegen, zu diesem Zeitpunkt erwartet ICON in den
Mittelgebirgen Schneefallgrenzen zwischen 400 und 600 Meter. Laut EZMW sinkt die
Schneefallgrenze, auch wegen der langsameren Geschwindigkeit des Tiefs,
zögerlicher ab.

In der Nacht zu Montag wandert der nunmehr zum Langwellentrog mutierte
Kurzwellenanteil über die Seealpen nach Norditalien. Dort kommt es zu einem
Cut-Off, was Teile des Nordens und der Mitte unter kompensatorisches Absinken
gelangen lässt. Daher, und mit dem von Westen her stärker werdenden
Atlantikhoch, stellt sich zunehmend ruhigeres Wetter ein. In der Folge wird
Frost und Frost in Bodennähe wahrscheinlicher, Glätte ist bei einem immer noch
gut ausgeprägten Bodenwärmestrom nicht das zentrale Problem. Da im Bodenfeld
eine Leezyklogenese über Nordostitalien und Kroatien/Slowenien dort den Druck
sinken lässt, stellt sich über Deutschland insgesamt eine zumeist nördliche
Strömung ein. Damit kommt es im Stau der Alpen weiter zu Niederschlägen, bei
einer sinkenden Schneefallgrenze jedoch zunehmend in der festen Phase. Zum
Morgen soll diese nach ICON bei etwa 400 Meter liegen, was in der Nacht im
Alpenrand bis 15, in den Alpen bis zu 30 cm Neuschnee bedeuten könnte. Vom Süden
bis nach Mitteldeutschland könnten in den betroffenen Lagen 1 bis 5 cm
zusammenkommen, so dass, hat man die allgemeinen Schwierigkeiten der Vorhersage
der Schneefallgrenze im Hinterkopf, im Berufsverkehr Vorsicht geboten ist. Der
Wind ist zwar an der Nordsee und in der Südwesthälfte, auch durch die
ageostrophische Komponente, lebhaft, aber wohl nicht warnwürdig.

Montag... schreitet der Cut-Off-Prozess weiter voran. Ausgangs der Nacht zu
Dienstag liegt das Höhentief schon über dem zentralen Mittelmeer. Das nördliche
Residuum des Troges wird nach Osten über uns hinweg- bzw. von uns weg-geführt,
seine Achse verläuft dann von Finnland über Weißrussland zu den Karpaten. Das
Hoch über dem Atlantik wird über den Britischen Inseln abgebaut, auf dem auf
seiner Nordflanke nunmehr verkürzten Weg wird Warmluft advehiert. Die zugehörige
Warmfront eines neuen Frontensystems erreicht ausgangs der Nacht zu Dienstag den
Nordwesten, die schon vorher hereinziehende Warmfrontbewölkung dämpft die
Ausstrahlung, so dass im Westen und Nordwesten trotz der Kaltluft nach aktuellem
Stand nicht mit Frost zu rechnen ist.

Am Tage kommt es an der Ostflanke des Hochs zu weiteren Schneefällen an den
Alpen. Bis zu 20 cm Neuschnee sind am Tage in den Alpen bzw. in Staulagen
möglich, in Vorland ist es etwas weniger. Ansonsten steht weiterhin der
lebhafte, aber nicht warnwürdige Wind auf der Agenda.

Modellvergleich und -einschätzung
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Am heutigen Samstag simulieren die Modelle den Ablauf recht ähnlich. Am morgigen
Sonntag laufen die Modelle aber deutlich auseinander, was folgen für die
Windprognosen, den Schneefall und die Schneefallgrenzen, aber auch für die
Niederschlagsmengen und die räumliche Verteilung der selbigen hat. Ein stabiles
Warnmanagement lassen die Modelle für den Sonntag noch nicht zu. Die Details zu
den Unterschieden wurden im Text dargelegt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas